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Evi Goldbrunner, Jordan Prentice (Tom), Joachim Dollhopf, Luis Vorbach (Michi) und Jürgen Jürges (Kamera)
Foto: © Tobis Film, Kerstin Stelter

„Berührungsängste beruhen auf gegenseitiger Unsicherheit“

25. August 2016

Evi Goldbrunner und Joachim Dollhopf über ihr Spielfilm-Debüt „Auf Augenhöhe“ – Gespräch zum Film 09/16

Das bayerische Drehbuch- und Regieteam drehte vor und nach dem Studium an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf gemeinsam zahlreiche Kurzfilme, u.a. den mehrfach ausgezeichneten „Durst/Still Got the Blues“ (2002). Das Familiendrama „Auf Augenhöhe“ startet am 15. September im Kino.

engels: Frau Goldbrunner, Herr Dollhopf, haben Sie viele kleinwüchsige Menschen in Ihrem Bekanntenkreis?
Evi Goldbrunner: Der Film hat keine autobiografischen Züge. Wir wollten eine Vater-Sohn-Geschichte erzählen. Dann hatten wir bei einem anderen Projekt eine zufällige Begegnung mit einer kleinwüchsigen Frau…
Joachim Dollhopf: Für eine kleine Doku-Übung an der Filmhochschule gingen wir in einen Friseursalon. Es war eigentlich stinklangweilig und regnete, und wir schafften es nicht, dass die Menschen aus sich herausgingen. Dann kam eine kleinwüchsige Frau rein und plötzlich änderte sich die ganze Stimmung, wurde sehr behutsam. Das hat sich bei uns eingeprägt.

Haben Sie für die Recherche mit vielen kleinwüchsigen Menschen gesprochen?
E.G.:
 Ja, und besonders mit einem Mann haben wir uns regelmäßig getroffen. Das Tolle war, dass er uns wirklich in sein Inneres hat blicken lassen. Er half uns nachzuempfinden, wie es jemandem geht, der ein so offensichtliches Handicap hat. Wenn man bei jedem Gang vor die Tür mit dem Problem konfrontiert wird, sich täglich entblößen zu müssen, dann legt sich etwas auf der Seele ab.
J.D.: Die Schwierigkeiten sind ja vielfältig. Kleinwüchsige Männer erzählten uns, dass Frauen zwar offen für One-Night-Stands wären, aber dauerhafte Beziehungen schwierig sind.
E.G.: Kleinwüchsige Frauen werden gesellschaftlich mehr akzeptiert. Da kann der Mann der Beschützer bleiben. So oder so ist es schwierig und selten, dass solche Paare in Ruhe eine Beziehung führen können. Die daraus resultierende Einsamkeit und unerfüllte Sehnsucht ist auch Thema unseres Films – und verbindet Vater und Sohn.

Es ist ungewöhnlich, in einem Kinderfilm auch eine so gleichberechtigte erwachsene Perspektive zu erleben.
E.G.: Bei den ersten Screenings hat sich herausgestellt, dass die Kinder auch total mit Tom (dem kleinwüchsigen Vater, Anm. d. Red.) mitgehen, da sie seine Probleme gut nachvollziehen können. Größe, größer werden, nicht groß genug sein und die damit verbundenen Gefühle von Hilflosigkeit und Ohnmacht – das sind für Kinder zentrale Themen. Wir wollten aber vor allem einen emotionalen Film für Kinder und Erwachsene machen und uns auch nicht ästhetisch einschränken. Mit einem Kind in der Hauptrolle und einem Thema, das Kinder interessiert, vertrauten wir darauf, dass das Ganze auch als Kinderfilm funktioniert.

Wie kam es zur Entscheidung, Tom mit einem kanadischen Darsteller, Jordan Prentice, zu besetzen?
J.D.: Wir haben in den deutschsprachigen Ländern leider keinen passenden kleinwüchsigen Schauspieler gefunden.
E.G.: Auch wenn es hier ein paar körperlich geeignete Darsteller gab, heißt das ja nicht, dass sie automatisch für die Rolle passen. Unser Film wird sehr getragen von den beiden Hauptfiguren.

Haben Sie am Set Berührungsängste mit Jordan Prentice wahrgenommen?
J.D.: Jordan ist eine starke Persönlichkeit und ein cooler Typ. Das war für alle angenehm.
E.G.: Berührungsängste beruhen auf gegenseitiger Unsicherheit. Das ist ja kein böser Wille, wenn man jemanden trifft, der anders ist und nicht weiß: Ist es richtig hinzuschauen oder besser nicht? Aber in unserem Rahmen waren ja alle Beteiligten vorbereitet. So gab es keine Probleme, sondern höchstens anfängliche Scheu, die sich durchs Kennenlernen aber schnell legte.

Diese verzwickte vermeintliche Normalität wird im Dialog von Tom mit seinen Freunden thematisiert…
E.G.: Wir wollten einen Schritt über die Political correctness hinausgehen. Denn wir fanden es unehrlich, so zu tun, als sei alles normal. Auch zwischen Tom und seinen Freunden vollzieht sich ja durch die Bereitschaft zur Ehrlichkeit eine neue Ebene.

War es mit dem „Problemthema“ leichter oder schwieriger, das Projekt zu finanzieren?
J.D.: Dadurch, dass das Ganze im Rahmen der neuen Förderinitiative „Der besondere Kinderfilm“ realisiert wurde, war der Weg vom Buch zur Realisierung relativ kurz. Aber ansonsten wäre es als Debütfilm mit Sicherheit schwierig geworden. Dann hätte man den Film wohl noch mehr als Komödie aufziehen müssen.
E.G.: Eigentlich werden Kinderfilme auch nicht als Debüt gedreht. Im ersten Entwurf war der junge Protagonist auch schon in der Pubertät. Aber die Änderung hat der Geschichte gut getan. Mit 9 oder 10 Jahren braucht man seinen Vater dringender, als wenn man schon Jugendlicher ist und sich ablöst.

Was ist das Wichtigste, was Sie bei der Arbeit an diesem Film gelernt haben?
E.G.: Ich hatte eigentlich vorher nie etwas mit Kinderfilmen am Hut. Da eröffnete sich für mich eine neue Welt, die mich begeisterte. Wir haben das Projekt als Geschichte für Kinder und Erwachsene begriffen. Mit Kindern zu arbeiten fand ich eine wahnsinnig tolle Erfahrung.
J.D.: So war das auch bei mir. Es hat irre viel Spaß gemacht, mit den Kindern zu arbeiten. Sie gingen mit großer Begeisterung und Unverbrauchtheit an die Sache heran. Ich konnte so auch emotionaler erzählen, ohne in die Gefahr zu geraten, pathetisch zu werden. Kinder sind ehrlicher, es geht ihnen vor allem um Beziehungen. Man kann mit ihnen etwas Großes erzählen.
E.G.: Für Kinder hat alles eine stärkere Emotionalität. Kinder haben noch keine Vergleichswerte und Routinen, für sie ist alles existenziell. Das wollten wir auch in der Geschichte spürbar machen.

Auf Augenhöhe also auch mit den Kindern?
E.G.: Wir haben das Gefühl, dass Kinder dankbar dafür sind, mal etwas zu sehen zu bekommen, das nicht weichgespült ist, sondern realistisch dargestellt, etwas dass sie herausfordert. Auch wenn anfangs oft die Frage aufkam, ob bestimmte Dinge aus medienpädagogischer Sicht auch „kindgerecht“ genug sind. Da passten wir nicht eindeutig genug in die Kinderfilm-Schublade.

Interview: Jessica Düster

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