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Hummel auf und davon
Foto: Laura Pashkevich / fotolia.com

Bienenparadies mit Rentenanspruch

29. März 2018

Das Insektensterben, der Staat und die BürgerInnen

Jetzt geht es also um die Bienen. Nachdem der Bürger sich privat um seine Rente zu kümmern hat, die Energieversorger ihre Umrüstungskosten für alternative Energien auf den Endverbraucher umlagern und sich abzeichnet, dass der Dieselskandal auf dem Rücken der Kunden ausgetragen wird, sollen sich Hobbygärtner und Balkonbesitzer nun um die Erhaltung der Bienen kümmern. Nichts anderes als die Rettung der Welt steht natürlich auf dem Spiel. Bienen bestäuben nicht nur Blumen, sie befruchten auch zahlreiche wichtige Nutzpflanzen. Es gibt für sie immer weniger Rückzugsorte zum Überwintern, vor allem für die solitär lebenden Wildbienen, und das Nahrungsangebot der konventionellen Landwirtschaft ist eintönig und nicht ganzjährig vorhanden.

Gegner der Bienenrettungsfront argumentieren, dass viele Nutzpflanzen auch ohne aktive Bestäubung Früchte tragen. Bei Tomaten ist dies aber nicht der Fall und auch die von der Bienenpopulation unabhängigen Pflanzen bringen signifikant höhere Erträge, wenn sie von Insekten zwecks Pollenverbreitung angeflogen wurden. Rettung der Welt also, und wer soll's machen? Dieter aus dem Schrebergarten in Hinterobertupfelsbühl, umgeben von Monokulturen der industriellen Landwirtschaft auf der einen und einer sechsspurigen Autobahn auf der anderen Seite? Oder Petra auf ihrem Balkon, irgendwo zwischen all den anderen Balkonen in einer von Feinstaub überlasteten Großstadt?

Sollen wir jetzt alle Insektenhotels basteln, Honigbienen ansiedeln und Stauden mit „ungefüllten Blüten“ anpflanzen, wie es auf Naturschutzseiten empfohlen wird? Mehr Arbeit würde so ein „wilder Garten“ ja nicht machen. Wenn ich jedoch keine Lust habe auf bunte Blumenwiese und Wildwuchs, kann mich dann eine Ordnungsbehörde zur Rechenschaft ziehen? Soweit ist es zum Glück noch nicht.

Trotzdem hat die Bundesrepublik Deutschland die Biodiversitätskonvention von Rio unterzeichnet, die 1993 (!) in Kraft getreten ist und besagt, dass der Erhalt unserer Biologischen Vielfalt (Biodiversität) zu erhalten und langfristig zu sichern sei.

Die Unterschrift ist ja noch kaum getrocknet und wie soll ein Land innerhalb von 25 Jahren vernünftige Gesetze entwickelt haben, um insektenfreundliche Bepflanzung auf öffentlichen Grünflächen, in Parks und Gartenanlagen zu fördern und umzusetzen? Wie soll man in der kurzen Zeit Programme entwickeln, um Landwirten attraktive Anreize zur alternativen Bepflanzung von Feldgrenzstreifen zu geben?

Nun sollen die Bürger im Privatbereich retten, was noch zu retten ist: die richtigen Gewächse in den Garten setzen, damit Bienen möglichst ganzjährig Nahrung finden, Unterschlupfmöglichkeiten anbieten, vor allem für Wildbienen. Das ist ja alles gut und schön. Man ist auch bereit, etwas zu tun, weil eine bunte Blumenwiese oder ein interessant gestaltetes Insektenhotel durchaus schön anzusehen ist.

Ein bisschen mehr Initiative vom Staat hätte ich mir aber schon erhofft. Dann wäre die Bereitschaft unter Hobbygärtnern vielleicht auch höher, etwas für die Arterhaltung zu tun, wenn die Politik mit gutem Beispiel voranginge. Damit sich Mentalitäten ändern können, braucht es Zeit, vielleicht so 25 Jahre. Dann sollte auch der letzte Biozidfan begriffen haben, dass natürliche Fressfeinde besser und nachhaltiger gegen Schädlinge sind als alle chemischen Vernichtungsmittel zusammen.

Appelle, glückliche Lebensräume in Privatgärten zu verwirklichen, auch, weil es den Kommunen an Geld fehlt. Appelle, die industrielle Landwirtschaft unangetastet zu lassen, damit die Versorgung der Bevölkerung gesichert ist.

Mir ist das ehrlich gesagt zu wenig. Bunte Blumenwiesen sind mit Sicherheit ein glücklicher Lebensraum für Bienen und anderes bestäubungsfähiges Getier. In meinem glücklichen Lebensraum sind aber auch andere Faktoren wichtig: Ich möchte sichere Arbeit, Aussicht auf Rente, die für ein gutes Leben reicht, bezahlbaren Wohnraum in der Stadt, gute Schulbildung für meine Kinder, ohne dreimal mit dem Bus umsteigen zu müssen. Natürlich möchte ich auch eine grüne Oase der Ruhe haben, wo ich mich zu Bienengesumm und Vogelgezwitscher zurückziehen kann. Dieses Paradies können wir mit unserer eigenen Hände Arbeit erschaffen und von den Früchten kosten. Das Bienenparadies ist machbar. Unser eigenes Paradies, das haben wir nicht retten können – oder noch nicht? Wir haben den Verlust zu spät bemerkt. Nun kämpft jeder für sich allein. Ein bisschen mehr Schwarmintelligenz wäre wünschenswert.


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Julia Streich

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