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Schach Matt oder Patt im Ukraine-Konflikt?
Foto: Philipp Stiller

Bruderkrieg

25. August 2016

Russland und die Ukraine haben familiäre Probleme und tragen sie blutig aus – THEMA 09/16 BRÜDERLICHKEIT

Wo fangen wir an? Bei Adam und Eva. So früh? Naja, fast. Bei ihren Söhnen Kain und Abel. „Und Abel ward ein Schäfer; Kain aber ward ein Ackermann“, heißt es in der Bibel, 1. Buch Mose, Kapitel 4, Vers 2. Und mit dieser Berufswahl nahm das Unglück schon fast seinen Lauf, denn Kain schaffte es nicht, den Herrgott beim Opfern mit seinen „Früchten des Feldes“ nachhaltig zu beeindrucken. Abel brachte hingegen die erstgeborenen Lämmer, das erfreute Gott offenbar viel mehr als Gemüse. Weil Gott Kains Opfer nicht gnädig ansah, wurde der eine Bruder neidisch auf den anderen, und erschlug ihn mitten auf dem Feld. Die Urzelle des Bruderkriegs.


Im Laufe der Geschichte haben sich immer wieder Brüder voneinander abgewendet und Konflikte miteinander ausgefochten. Familie kann man sich eben nicht aussuchen. Zahlreiche Kriege zwischen Verwandten und verwandten Völkern um die Macht hat es gegeben. Auf unserem Boden führten der Deutsche Bund und Preußen mit dem Königreich Italien und anderen Verbündeten im Jahr 1866 den Deutschen Krieg. Preußen ging als Sieger hervor, 1871 gründete sich als Folge das Deutsche Reich, der Rest ist bekannt. Familienzusammenführung auf die brutale Art.

Seit Anfang des Jahres 2014 schwelt ein Konflikt zwischen Brüdern auch (wieder) am Schwarzen Meer. Der russische Präsident Wladimir Putin besuchte im März 2014 die Halbinsel Krim. Zuvor hatte Russland das Gebiet annektiert. „Das Land ist in blutigem Chaos versunken, in einem mörderischen Bruderkrieg“, sagte Putin damals über die Ukraine.

Brüder – so bezeichnet die Russen und Ukrainer, wer etwas auf Ethnienkunde gibt. Seit dem 6. Jahrhundert bevölkern die Slawen das östliche Mitteleuropa, Osteuropa und Südosteuropa. Russen und Ukrainer sind als Ostslawen verwandt. Eigentlich waren sie mal eins. Rus wurden sie genannt, ein Wikingervolk, und sie lebten als Brüder in der Ostukraine und in Westrussland als ostslawische Brüder zusammen. Im Spätmittelalter spalteten sich Russen und Ukrainer in einzelne Völker auf. Polen und Österreich-Ungarn bedienten sich am Land im Osten Europas – und das nicht als letzte und einzige. 14 verschiedene Staaten besetzten im Lauf der Zeit das Staatsgebiet der Ukraine. 1783 war es Katharina die Große, die schon einmal nach der Krim Griff, und zwar „für alle Zeiten“, wie es damals hieß.

Ein Spielball, wie ein kleiner Bruder, zwischen dem Osten und dem Westen, ist die Ukraine bis heute. Ob die NATO und die Sowjetunion sich zu Zeiten des Kalten Krieges auch in einem Bruderkrieg gesehen haben? Zweifelhaft. Feinde ja. Freunde seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion vielleicht. Und jetzt wieder Feinde? Es ist kaum zu verhehlen, dass die fortgesetzte NATO-Osterweiterung Einfluss auf das Verhältnis zwischen Russland, der Ukraine und dem Westen hatte und hat. Seit 1997 nimmt die NATO alles auf, was jenseits der Oder liegt, und schiebt sich immer mehr in Richtung Wolga. Im Jahr 1999 traten Polen, Tschechien und Ungarn bei, 2004 folgten Slowenien, Estland, Bulgarien, Lettland, Litauen, die Slowakei und Rumänen. 2009 kamen Kroatien und Albanien hinzu. Sie sollten sich von ihren slawischen Brüdern abwenden und taten das auch.

Zum ersten Schritt der Osterweiterung hatten sich seinerzeit 40 ehemalige Regierungsmitglieder und Experten an den damaligen US-Präsidenten Bill Clinton gewandt. Sie befürchteten einen „politischen Irrtum von historischen Ausmaßen“. Putin war ebenfalls nicht amüsiert. 2007 kritisierte er auf der Münchener Sicherheitskonferenz die Osterweiterung. Er bezog sich auf Zitate hochrangiger NATO-Beamter aus den 90er Jahren, die Russland Sicherheit garantieren wollten, indem nicht einmal Truppen an den Grenzen der neuen Bundesrepublik stationiert werden sollten. Putin fürchtete um diese Sicherheit.

„Ich denke, es ist offensichtlich, dass der Prozess der NATO-Erweiterung keinerlei Bezug zur Modernisierung der Allianz selbst oder zur Gewährleistung der Sicherheit in Europa hat. Im Gegenteil, das ist ein provozierender Faktor, der das Niveau des gegenseitigen Vertrauens senkt“, sagte Putin damals.

Noch einmal zurück zum Besuch des russischen Präsidenten auf der Krim, März 2014. Denn damals sagte er auch: „Russland wird alles in seiner Macht stehende tun, um die Kämpfe so schnell wie möglich zu beenden.“ Am 11. August 2016 kehrte der Konflikt zwischen Terrorangst und Olympischen Spielen aber erst einmal wieder zurück auf unsere Karte der alltäglichen Berichterstattung. Per Push-Nachricht verkündete Spiegel Online: „Ukraine versetzt Truppen in Alarmbereitschaft“. Russland hatte der Ukraine vorgeworfen, Soldaten auf die Krim geschickt zu haben. Es wäre doch ein Traum, wenn sie nur auf einen Bruderkuss hätten vorbeikommen wollen.


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Florian Schmitz

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