Bilder des französischen Inselparadieses Tahiti wurden während der diesjährigen Olympischen Spiele in die Wohnzimmer der Welt getragen. Blaues Meer, weißer Strand, Palmen im Wind und die Surfenden vor Teahupo’o. Doch während ich diese Zeilen schreibe und auf Tahiti gesurft wird, drohen in derselben Südsee ganze Inselstaaten zu verschwinden. Dort wird dann niemand mehr surfen oder Urlaub machen. Durch den Klimawandel erhitzt sich die Erde, Meeresspiegel steigen und Inselstaaten wie Fidschi, Tuvalu und Kiribati sind bald Geschichte. Die Menschen, die dort leben, werden Klimaflüchtlinge. Ernsthaft denken deren Regierungen bereits über eine Umsiedlung der Menschen nach und wer die Kosten dafür übernehmen soll. Denn der Untergang ihrer Heimat ist nicht den Polynesiern, Melanesiern oder Mikronesiern zuzuschreiben, sondern vielmehr den Industriestaaten dieser Welt. Deren Festhalten an fossilen Brennstoffen, Abholzung und industrieller Viehzucht beeinflussen Klima und Temperatur auf der Erde.
Heimat versinkt
Auch die zunehmende Vermüllung der Ozeane ist ein Riesenproblem. Plastiktüten, PET-Flaschen, Handyteile, Babywindeln, Einmalrasierer … die Liste ist lang. Weniger als 10 Prozent des weltweiten Plastikmülls wird recycelt. Der überwiegende Rest landet in den Ozeanen, laut WWF jährlich fast 13 Millionen Tonnen. Dieser Müll kostet laut NABU bis zu 135.000 Meeressäuger und einer Million Meeresvögel das Leben. Sie ersticken an Plastiktüten, verwechseln bunte Schnipsel mit Nahrung und verenden qualvoll. Als Mikroplastik, von Fischen gegessen, kehrt unser Müll zu uns zurück, landet auf unseren Tellern und in Alltagsprodukten – eine zunehmende Gefahr auch für unsere Gesundheit. Pro Woche gelangen etwa 5 Gramm davon in unsere Körper, laut WWF, eine Menge, so groß wie eine Kreditkarte. Computermodelle deuten darauf hin, dass die Meere bis zu 51 Billionen Mikroplastikpartikel enthalten. Die größeren Teile bilden Inseln im Meer. The Great Pacific Garbage Patch ist eine solche Insel, derzeit viereinhalb Mal so groß wie Deutschland, ständig wachsend und wie das Wort Garbage schon sagt, ganz aus Müll.
Ozeane vermüllen
Wie konnte es so weit kommen? Schon auf der ersten Weltklimakonferenz im Februar 1979 in Genf, haben Wissenschaftler auf die Erderwärmung hingewiesen. Seitdem ist auf vielen weiteren Konferenzen viel geredet, aber bis heute kein verbindliches Ziel vereinbart worden. Dabei wird die Lage bedrohlicher. Im Jahr 2015 haben 198 Staaten die siebzehn Nachhaltigkeitsziele (SDGs) der Vereinten Nationen unterzeichnet und das Versprechen gegeben, sie bis 2030 zu erreichen. Zwei der SDGs (6 und 14) zielen sogar explizit darauf, Gewässer und Ozeane sauber zu halten, und mit SDG 13 wurde ein zusätzliches Versprechen zum Klimaschutz abgegeben. Wasser ist unsere Lebensader. Je mehr wir unseren Planeten erhitzen, desto mehr brauchen wir Meere, die für Kühlung sorgen. Doch was gilt ein Versprechen? Wenig bis gar nichts, betrachtet man den Zustand der Weltgewässer. Auf der letzten Weltklimakonferenz COP28 wurden die Stimmen der vom Untergang betroffenen (Insel)Staaten mal wieder nicht gehört. Das auf der COP21 formulierte Ziel, die Erderwärmung bis 2030 unter 1,5 Grad zu halten ist nicht mehr zu erreichen. Das kapitalistische Diktat, immer mehr zu konsumieren, was zu immer mehr Treibhausgas, Erwärmung und Müll führt, hat, so scheint es, Vorrang. Mit unserer Art zu leben, bringen wir die Meere und den Planeten zum Kippen. Ein Teil der Menschheit scheint nach wie vor taub gegen alle Warnungen zu sein.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Ausgefischt
Intro – Meeresruh
„Entweder flüchten oder sich anpassen“
Teil 1: Interview – Klimaphysiker Thomas Frölicher über ozeanisches Leben im Klimawandel
Wasser für Generationen
Teil 1: Lokale Initiativen – Der Wupperverband vernetzt Maßnahmen und Akteure für den Hochwasserschutz
Friede den Ozeanen
Teil 2: Leitartikel – Meeresschutz vor dem Durchbruch?
„Tiefseebergbau ohne Regularien wäre ganz schlimm“
Teil 2: Interview – Meeresforscher Pedro Martinez Arbizu über ökologische Risiken des Tiefseebergbaus
Was keiner haben will
Teil 2: Lokale Initiativen – Das Kölner Unternehmen Plastic Fischer entsorgt Plastik aus Flüssen
Vom Mythos zur Mülldeponie
Teil 3: Leitartikel – Wie der Mensch das Meer unterwarf
„Wir müssen mit Fakten arbeiten“
Teil 3: Interview – Meeresbiologin Julia Schnetzer über Klimawandel und Wissensvermittlung
Korallensterben hautnah
Teil 3: Lokale Initiativen – Meeresschutz im Tierpark und Fossilium Bochum
Exorzismus der Geisternetze
Bekämpfung von illegaler und undokumentierter Fischerei – Europa-Vorbild: Italien
Sinnenbaden im Meer
Ode an das Meer – Glosse
Das Spiel mit der Metapher
Teil 1: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
Werben fürs Sterben
Teil 3: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 1: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
Demokratischer Bettvorleger
Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
Europäische Verheißung
Teil 3: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
Maßgeschneiderte Hilfe
Teil 1: Leitartikel – Gegen häusliche Gewalt braucht es mehr als politische Programme
Zu Staatsfeinden erklärt
Teil 2: Leitartikel – Der Streit über Jugendgewalt ist rassistisch aufgeladen
Der andere Grusel
Teil 3: Leitartikel – Von der rätselhaften Faszination an True Crime
Sehr alte Freunde
Teil 1: Leitartikel – Warum der Hund zum Menschen gehört
Die Masse macht’s nicht mehr
Teil 2: Leitartikel – Tierhaltung zwischen Interessen und Idealen
Wildern oder auswildern
Teil 3: Leitartikel – Der Mensch und das Wildtier