Die Türkei als Schmelztiegel der Kulturen – das war geplant im Elberfelder Café Swane, das im einstigen Luisencafé einen interkulturellen und kommunikativen Ansatz verfolgt und im September der Türkei einen Schwerpunkt widmete. Manches kam anders, und vom Tiegel als Thema blieb nicht viel: Kurzfristig waren Improvisationen nötig geworden, und das gab dem Abend eine neue Richtung. Nach zunächst drei anvisierten Diskutanten hatte man letztlich zwei plus Moderator eingeladen, und am Veranstaltungstag erkrankte dann die Prominenteste: Lale Akgün, weitbekannt als Kopftuchkritikerin, hatte sich vom Swane-Team um Selly Wane gewinnen lassen, musste aber nun absagen. Dass darauf mit Josef Neumann der geplante Moderator zum Diskutanten mutierte, war dann mehr als eine Personalie – denn so fiel dem SPD-Landtagsabgeordneten, selbst mit Migrationshintergrund, eine andere Rolle zu, die des Gegenspielers zum Dritten im Bunde: Mustafa Esmer, nicht nur Sprecher eines türkischen Vereins, sondern auch konservativer Publizist, dem manche eine Nähe zu den radikalen „Grauen Wölfen“ nachsagen.
Esmer wurde 1976 in Remscheid als Sohn türkischer Eltern geboren, und anders als Neumann steht er heute auf Distanz zum hiesigen System. Seine Position, wie sie im Lauf des Abends für viel Kopfschütteln sorgte, ließe sich so zusammenfassen: Die Politik müsste Neudeutsche integrieren, besonders konservative Türken – sonst müssen sie selbst sich organisieren.
Man könnte Positionen wie diese auch anders umreißen – etwa indem man den Mann selbst sprechen ließe: „Ich brauche den Scheiß nicht mehr“, war eine seiner Äußerungen zur für ihn einseitigen deutschen Presse. Als Neumann ihn später fragte, ob er gegen die Demokratie sei, gab er flink zurück: „Haben wir das?“, eine Demokratie also – bei Demonstrationen werde ja gegen Fahnen der verbotenen PKK nicht eingeschritten. Zuhörer zeigten sich irritiert, einige verließen das Café vorzeitig.
Doch wie dem begegnen? Neumann mühte sich redlich und verwies auf seine eigene Biografie, aus der ihm selbst ghetto-ähnliche Situationen nicht fremd seien: „Anders als Sie habe ich mir aber kein eigenes Weltbild aufgebaut. Ich habe den Schluss gezogen, mich in Gewerkschaften oder anderswo zu engagieren.“ Esmers Schluss hingegen war offenkundig: Das System ist geschlossen gegen mich, wir müssen es umbauen. Das war erschreckend. Aber richtig ist wohl, und vielleicht war auch dies eine lehrreiche Erkenntnis des Abends: Ja, in manchen Dingen gibt es einen gesellschaftlichen Konsens. Und zu glauben, dass der Pluralismus jeden Konsens verbietet, mag auf der Hand liegen, ist aber ein Missverständnis.
Zunächst einmal mag es logisch klingen: Damit Zuwanderer sich integrieren können, gerade zahlenmäßig starke, muss ein Land sich öffnen. Wo es das nicht tut, ist es autoritär und wird dieser Mehrheit nicht gerecht. Bei Esmer klang das allerdings so: „Das gesamte deutsche Bild der Türkei wird von linken Türken verbreitet, obwohl diese nur 20 Prozent ausmachen.“ Und später: „Sind Pegida-Anhänger keine deutsche Minderheit?“ Solche Parallelen zu ziehen, sorgte für Verwunderung – eher für Belustigung dagegen Esmers Gegenvorschläge, als er unter anderem „russische Medien“ als unabhängige Alternative empfahl.
Josef Neumann zog aus dem Gespräch für sich das Fazit: „Wir müssen das Engagement noch verstärken, wenn wir nicht wollen, dass Konflikte weiter geschürt werden.“ Gastgeberin Selly Wane, die einräumte, zur Türkei selbst habe der Abend wenig eingebracht, meinte nachher: „Man kann eine Meinung verachten und dem Menschen, der sie ausspricht, zuhören und die Würde gewähren, die ihm voll und ganz zusteht.“ Und weiter: „n und dem Menschen der sie ausspricht zuhören und ihm die Würde gewähren, die ihm voll und ganz zusteht. n und dem Menschen der sie ausspricht zuhören und ihm die Würde gewähren, die ihm voll und ganz zusteht. Ich hoffe, dass der Abend uns lange weiter zu denken geben wird.“
Es ist nun keine bloße Einbildung oder Verschwörungstheorie, dass radikale Meinungen manchmal auf recht routinierte Ablehnung stoßen. Ein (nach Eigenbekunden rechter) Deutschtürke wie Esmer beklagt das ja ähnlich wie Pegida. Einen solchen Konsens breiter Ablehnung als undemokratisch zu bezeichnen, ist aber schief, wenn es für sie gute Gründe gibt. Und reden ließ man Esmer ganz zweifellos auch heute – und zwar sehr ausführlich.
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