Die heiße Wahlkampfphase ist da. Doch die Wuppertaler Bundestagskandidaten zeigten sich beim letzten Abend der politischen Veranstaltungsreihe „Wir stellen uns (vor)“ im Café Swane entspannt. Wir erinnern uns, der Auftakt der Reihe Anfang März anlässlich der Landtagswahl war durch die Teilnahme der AfD und Protestierende aus der linken bis links-autonomen Szene aus dem Ruder gelaufen. In zwei folgenden Veranstaltungen ließ sich kein AfD-Kandidat mehr blicken, und auch jetzt trat niemand von der AfD auf. Nicht, dass die Veranstalterin Selly Wane explizit ein- oder ausgeladen hätte, sie steht immer noch zu ihrer Einstellung, dass nur der persönliche Dialog, der Blick hinter die plakative Fassade – auch der AfD – fruchtbar sein kann.
Eine Störung der Veranstaltung war diesmal nicht zu erwarten, doch so ganz ohne signalisierte Protestbereitschaft ging es doch nicht. Allein die Tatsache, dass die AfD nicht explizit nicht geladen war, sorgte im Vorfeld für Diskussionen. Auch eine Art Spähtrupp wurde ausgeschickt, um nachzuschauen, ob auch wirklich niemand von der AfD kommt. Anders lässt es sich kaum erklären, dass ein paar junge Aktivisten bereits eine halbe Stunde vorher erschienen und kurz vor Beginn gemeinschaftlich wieder abgezogen sind. Vor dem Eingang auf der Luisenstraße wurde mit Malkreide der Spruch „Rassisten keine Bühne bieten“ hinterlassen. Spannend ist, dass sich dieses politische Interesse offenbar auf den Protest begrenzt, sonst hätten die jungen Aktiven auch bleiben können, um sich ein Bild von den anwesenden Bundestagskandidaten ihrer Stadt zu machen. Insgesamt war das Café gut gefüllt, wenn auch nur halb so viele da waren wie beim gesprengten Auftakt.
Erschienen waren neben Vertretern der etablierten Parteien auch der Kandidat der Piraten und der Kandidat der erst seit vier Monaten existierenden Partei Demokratie in Bewegung (DiB), die sich zum Beispiel für mehr Bürgerbeteiligung durch Bürgerbegehren einsetzen will. Die Veranstaltung teilte sich in drei Blöcke: kreative Vorstellung, Politiker-Speeddating und Podiumsdiskussion. Kreativität kann man nicht von jedem erwarten, doch tatsächlich hatte der Großteil etwas vorbereitet, was für Auflockerung sorgte. Politisch-kritische Gedichtlesung von Stefan Kottas (Piratenpartei) und Karin van der Most (FDP), ein Auszug aus Erich Fromms „Haben oder Sein“ von Arjuna Nebel (DiB), Helge Lindh (SPD) hatte gleich mehrere Seiten Satire zu bieten, die er in Auszügen verlas, und Bernhard Sander (Die Linke) hätte gern das Tucholsky-Seifenlied von Ernst Busch gesungen, wenn denn die musikalische Unterstützung via YouTube und Wlan mitgespielt hätte.
Bewiesen wurde, dass man mit den KollegInnen in diesem Rahmen auch humorvoll umzugehen weiß: Bernhard Sander sorgte für Helge Lindhs Lesung mit einer Kerze für mehr Licht. Lindh kommentierte schmunzelnd: „Die Linke erleuchtet die SPD.“ Beim Politikerdating konnte zwar nicht jeder Gast die Scheu überwinden, Auge in Auge ins Gespräch zu kommen, doch mit denen, die sich trauten, wurde rege diskutiert. Die Podiumsdiskussion bot neben parteispezifischen Floskeln und dezent ausgetragenen Streitigkeiten eine spannende Diskussion, unter anderem auch zum Dieselskandal sowie zur Wahlmüdigkeit und Politikverdrossenheit der Bürger.
Mehr als 60 bis 70 Prozent Wahlbeteiligung wird es bei einer Bundestagswahl nicht mehr geben, glaubt Rainer Spiecker (CDU). Pessimismus wird daran nichts ändern, so viel ist sicher, doch wie kann man wieder für politische Begeisterung und mehr Wahlbeteiligung sorgen? Fehlt eine große und glaubhafte Vision oder der Bezug zum Alltag der Bürger – oder beides? Wie für Nähe und Vertrauen sorgen, wie zeigen, dass die einzelne Stimme noch etwas bedeutet? Eine allgemeine Lösung gibt es sicher nicht, darin waren sich alle einig, und ganz sicher auch keine einfache – doch Polit-Veranstaltungen wie die im Café Swane sind sicherlich ein Schritt auf den Bürger zu, womit etwas in Bewegung gesetzt wird, was von beiden Seiten bewegt werden muss – Politik im Fluss, im Großen wie Kleinen.
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