Mitten in Kentucky, USA: Ein Schiffsrumpf ragt auf einer Wiese in die Höhe, Wasser gibt es weit und breit keines. Der Koloss ist Hölzern, 150 Meter lang und klobig wie ein überdimensionierter Brotkasten. An der Seite befindet sich eine Tür, im Innern gibt es drei Decks – alles ist so, wie die Arche Noah im 1. Buch Mose beschrieben ist. Bei der Arche handelt es sich um eine Art „Phantasialand“ für evangelikale Christen, das täglich von bis zu 10.000 Menschen besucht wird – darunter nicht wenige Schulklassen, denen der sogenannte Kreationismus anstelle der Evolutionstheorie über die Entstehung der Arten „gelehrt“ wird.
Bereits 1925 kollidierten Evolutionstheorie und Schöpfungsgeschichte im US-Schulunterricht. John Thomas Scopes hatte, entgegen dem sogenannten Butler-Act vom März 1925, ein auf Druck von Evangelikalen verabschiedetes Gesetz, nachdem nur die Schöpfungsgeschichte unterrichtet werden durfte, seiner Schulklasse die Evolutionstheorie gelehrt. In einem Aufsehen erregenden Prozess wurde Scopes zu 100 US-Dollar Strafe verurteilt. Die Evolutionstheorie durfte er nicht weiter unterrichten.
Furcht vor der Wissenschaft
Mit dem Republikaner Ronald Reagan wurde 1981 dann eine Ikone der US-Rechten und der Evangelikalen Präsident. Bis heute wird Reagan von Konservativen – auch in der BRD – als visionärer Politiker verklärt. Dabei hat Reagan nichts als den neoliberalen Mythos populär gemacht, Steuersenkungen würden die Wirtschaft in Schwung bringen und Wohlstand für alle bringen. Die Republikanische Partei steht seither jedenfalls unter immer größer werdenden Einfluss der Wissenschaftsfeindlichkeit von evangelikalen Christen. Ähnlich wie der mittlerweile abgewählte Trump den Klimawandel leugnet, leugnete Reagan den sauren Regen der 70er und 80er Jahre. Das Kalkül dahinter war und ist eine Reverenz an Kapital- und Profitinteressen, die wissenschaftlich basierte Regulierungen fürchten.
New York Times-Kolumnist Paul Krugman analysierte Anfang des Jahres treffend im Hinblick auf die Republikaner, der politischen Heimat weiter Teile der Evangelikalen: Es sei nicht der Punkt, dass diese Leute „unwahre Dinge glaubten“. Vielmehr stünden diese Leute – und da beginnt es gefährlich zu werden – „der Vorstellung feindlich gegenüber, es könne eine objektive Realität geben, die in Widerstreit zu ihren politischen Zielen steht“. Das geht dann sogar so weit, dass das klare Wahlergebnis der Präsidentschaftswahl vom November 2020 bis heute immer noch von vielen Republikanern partout nicht anerkannt wird, ohne Beweise für den behaupteten Betrug zu liefern.
Gläubige Anhänger
Womit wir beim 6. Januar angekommen wären, als ein erzreaktionärer Mob das US-Capitol erstürmte. An der Spitze mit dabei waren die „Proud Boys“, eine neofaschistische und rassistische Miliz, die vor dem Sturm „im Namen Jesu“ beteten. Dann stürmten sie in das Parlamentsgebäude und hinterließen eine Spur der Verwüstung. Fünf Menschen verloren ihr Leben. Ende Juni dann der Auftritt von Ex-Präsident Trump in Wellington, Ohio: Immer noch beklagt er, die Wahl 2020 sei das größte Verbrechen in der US-Geschichte. Wieder und wieder behauptet er, er habe die Wahl gewonnen. Beweise bleibt er schuldig. Aber das tut in Wellington nichts zur Sache. Seine Anhänger „glauben“ ihm jedes Wort.
Die Zeiten aber, in denen ein Trump-Tweet den öffentlichen Tagesdiskurs bestimmen konnte, sind vorbei. Was nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass Trump die Partei, oder besser das, was von der Grand Old Party nach vier Jahren seiner Präsidentschaft übrig geblieben ist, fest im Griff hat.
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