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Andrea Roggon (Mitte) drehte mit kleinem Team
Foto: Piffl

„Ein Gefühl für einen Menschen bekommen“

26. März 2015

Andrea Roggon über ihren Film „Mülheim – Texas. Helge Schneider hier und dort“ – Gespräch zum Film 04/15

Andrea Roggon, Jahrgang 1981, studierte nach diversen Filmpraktika von 2003 bis 2010 Dokumentarfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg. Während des Studiums absolvierte sie ein einjähriges Stipendium in Kuba. Ebenfalls während des Studiums drehte sie neben einigen Kurzfilmen mit „Enrique y Judita“ und „Soy Libre“ zwei abendfüllende Dokumentarfilme, die weltweit auf Festivals liefen. 2011 gründete sie ihre eigene Filmproduktionsfirma. „Mülheim – Texas. Helge Schneider hier und dort“ (Start: 23.4.) ist ihr dritter Langfilm.

engels: Helge Schneider ist eine ziemliche Größe im Showgeschäft. Wie sind sie als junge Filmemacherin mit ihrer Idee einer Dokumentation an ihn herangetreten, und wie konnten Sie ihn von ihrem Anliegen überzeugen?

Andrea Roggon: Zu Helge Schneider besteht ein familiärer Kontakt über meine Mutter, sie kennt ihn aus ihrer Jugendzeit in Mülheim. Dieser Kontakt war sehr wichtig, da ich nicht als Fremde mit meiner Idee zu ihm gekommen bin. Er war von Anfang an sehr offen. Bis wir dann aber wirklich mit dem Dreh begonnen haben, ist viel Zeit vergangen. Es war wirklich ein langsames filmisches Annähern.

Wie sah dann der Dreh aus? Zum einen war es sicher nicht leicht, zwischen Schneiders anderen Terminen unterzukommen, zum anderen drehen Sie dann ja doch recht aufwändig an den unterschiedlichsten Orten ...

Ja, das stimmt, Helge hat ein sehr volles Leben und immer viel zu tun. Wir haben da weniger versucht eigene Termine zu bekommen, sondern teilzuhaben an dem, was in seinem Leben passiert, denn darum geht es ja auch. Natürlich muss für ein Interview dann letztendlich doch auch ein eigener Termin vereinbart werden, aber spannend ist es, aus dem zu schöpfen, was man so beobachten kann. Es kommt ja nicht alles Material, das bei so einem Dreh aufgenommen wird, am Ende in den Film, aber die Erlebnisse und die Beobachtungen, die man in dem gesamten Prozess macht, fließen letztendlich alle in den Film ein. So kann auch ein Drehtag, an dem nichts gedreht wurde, entscheidend für den fertigen Film sein.

Und zu dem aufwändigen Dreh: Während der Dreharbeiten, die sich ja über vier Jahre hin streckten, wurde unser Team immer kleiner, da sich herausgestellt hat, dass es wichtig ist, spontan sein zu können. So haben wir am Ende oft nur noch zu zweit gedreht – also die Kamerafrau Petra Lisson und ich.

Sie haben einige Szenen in den Film genommen, wo man sich nicht immer sicher ist, wer hier die Regieanweisungen gibt – Sie oder Helge Schneider? Er geht da mitunter recht bevormundend mit dem Filmteam um ...

Es war immer klar, dass es mein Film ist und Helge hat mir dafür viel Vertrauen geschenkt. Helge Schneider ist und bleibt aber ein Mensch, der selbst viele Filme gemacht hat, der selbst kreativ gestaltet und der vor allem bisher immer selbst auch sein öffentliches Bild gestaltet hat. Das finde ich interessant und wichtig. In einer Zeit, in der das Bild vieler Menschen, die uns in den Medien begegnen, nur von einer Image-Maschinerie um sie herum kontrolliert wird, finde ich das sehr spannend. Oft finde ich es in Dokumentarfilmen passend, wenn auch der Prozess der Entstehung für den Zuschauer zu erahnen ist. So kann sich der Zuschauer selbst ein Bild machen.

Ihre Dokumentation besticht nicht unbedingt durch Fakten: Weder wird Schneiders Lebensweg rekonstruiert, noch werden die Hintergründe der einzelnen Szenen – das Wo, das Wann – gekennzeichnet.

Hat Ihnen das gefehlt? Fehlende Informationen sind heute leicht zu bekommen. Aber ein Film kann ja noch viel mehr als nur Informationen zu vermitteln... Es ist ja ein Film, der sich einem Menschen nähern möchte. Und da muss immer die Frage stehen, was denn eine Persönlichkeit ausmacht? Gerade einen Künstler, der immer auch in seinen Werken mitlebt, kann man, finde ich, nicht durch Informationen greifen. Dieser Film ist ja kein Biopic. Ich finde es in einem Film viel interessanter, ein Gefühl für einen Menschen zu bekommen oder Fragen zu erleben.

Ihr Film ist insofern nah an Helge Schneider, als dass er in seiner Mischung unterschiedlichster Ebenen ein wenig wie Schneiders Auftritte funktioniert: mal ernst, mal komisch, mal improvisiert, mal geplant, und oft mit einem surrealen Touch. Wie ist diese Mischung entstanden?

Sie sagen es ja schon selbst ... Mir ist es sehr wichtig, für eine Geschichte die passende Form zu finden und nicht umgekehrt eine feste Form auf alle Inhalte zu stülpen.

Man kann sich nur schwer vorstellen, dass Helge Schneider etwas freigibt, was ihm nicht gefällt. Wie hat er auf den fertigen Film reagiert?

Ich denke, es ist ein Prozess für ihn. Und sicherlich eine Herausforderung, einen Film zu sehen, den ein anderer Regisseur über ihn gemacht hat. Er hat während des Sichtens auch gesagt, dass er wohl nie mit etwas zufrieden sein wird. Er ist Künstler und hat einen großen Anspruch an sich selber. Er sagt ja auch über sich, dass er selbst sein größter Kritiker, aber auch sein größter Fan ist.

Arbeiten Sie bereits an einem neuen Projekt?

Das kann noch nicht verraten werden …

INTERVIEW: CHRISTIAN MEYER

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