Der 1980 in Stade geborene Stefan Konarske dürfte den meisten als Oberkommissar Daniel Kossik aus dem WDR-„Tatort“ aus Dortmund bekannt sein – aus dem er allerdings dieses Jahr aussteigen wird. Der 2007 als „bester Nachwuchsschauspieler“ von „Theater heute“ ausgezeichnete Mime hat sich aber auch auf der Theaterbühne („Was ihr wollt“, „Professor Unrat“, „Der Revisor“) und im Film („Knallhart“, „Same Same But Different“, „Outside the Box“) schon einen Namen gemacht. Nun ist der in Paris lebende Schauspieler in der Rolle des legendären Friedrich Engels an der Seite von August Diehl in „Der junge Karl Marx“ zu sehen, der am 2. März bundesweit in die Kinos kommen wird.
engels: Herr Konarske, Hand aufs Herz, wieviel wussten Sie selbst über Friedrich Engels, bevor Sie für die Rolle zugesagt haben?
Stefan Konarske: Bevor ich zugesagt habe nicht allzu viel. Natürlich waren er und Karl Marx ein Begriff für mich, aber da ich in Deutschland eine nicht allzu gute Schulbildung genossen habe, sind gewisse Fakten einfach an mir vorbeigegangen. Mit siebzehn Jahren bin ich dann nach Frankreich gegangen, aber dort ist das Schulsystem ein bisschen anders. Ich war auf einer internationalen Schule mit deutschem Schulzweig, da lag der Schwerpunkt eher auf dem Zweiten Weltkrieg als auf Friedrich Engels und Karl Marx.
Im Gegensatz zu Karl Marx stammte Engels ja aus einem betuchten Elternhaus, was seinen Kampf für die sozialen Ideen meiner Meinung nach umso bemerkenswerter macht...
Genau. Als ich begann, mich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Engels‘ Briefe zu lesen, hatte ich zunächst das Gefühl, dass Engels einer der ersten Kapitalisten war (lacht). Das Spannende an der Figur war dann auch, wie er aus dieser Position zum Kommunisten geworden ist. Dass er sich zwischen den beiden Welten bewegt hat, das ist die Reibungsstelle, die mir die Figur als Schauspieler besonders interessant machte.
Die Themen des Films um gerechtere Arbeitsbedingungen und die Abschaffung von Geld oder Eigentum sind auch heute wieder sehr aktuell. War das ebenfalls ein Anreiz für Sie, für den Film zuzusagen?
Am meisten hat mich an der Figur interessiert, dass es unglaublich viele Vorlagen gab, mit denen ich mich im Vorfeld beschäftigen konnte. Weil ich als Schauspieler am Theater angefangen habe, sind solche Figuren für mich natürlich eine extreme Herausforderung, weil ich es einfach liebe, mich vor der ersten Probe oder dem ersten Drehtag mit Literatur auseinanderzusetzen. Ich versuche, sämtliche Sekundärtexte zu lesen und mich mit diesen zu beschäftigen, um das beim eigentlichen Dreh dann alles wieder zu vergessen, obwohl das im eigentlichen Schaffensprozess dann unbewusst wieder Auswirkungen auf die Gestaltung meiner Figur hat. Ich liebe es, mich wochenlang in ein Thema zu begeben und mich mit den Dingen auseinanderzusetzen. Darüber hinaus fand ich besonders spannend und reizvoll, dass die Rolle in den drei Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch angelegt war.
Auch Raoul Peck, der Regisseur, spricht die drei Sprachen fließend, trotzdem war es wahrscheinlich auch eine Herausforderung, dass vor und hinter der Kamera in den unterschiedlichsten Sprachen gesprochen wurde...
Ja, es ist Peck sogar mehrfach passiert, dass er mit einem deutschen Schauspieler, der eigentlich gar kein Französisch sprach, im Film aber Französisch sprechen musste und das ganz gut hinbekam, für seine Regieanweisungen auch auf Französisch gesprochen hat. Das war eine schöne „Lost in Translation“-Situation, die relativ häufig vorgekommen ist. Da Raoul und ich in Frankreich leben, habe ich überwiegend Französisch mit ihm gesprochen, August Diehl eher Englisch oder Deutsch, aber das war schon eine große Herausforderung für viele Leute, weil man oft nicht wusste, welche Sprache man gerade spricht. Natürlich musste auch immer jemand dabei sein, der dann übersetzen musste für diejenigen, die der entsprechenden Sprache gerade nicht mächtig waren. Für Engels selbst wäre das alles gar kein Problem gewesen, denn ich glaube, er konnte sogar 26 Sprachen sprechen (lacht).
Was war für Sie am spannendsten daran, in die Zeit des 19. Jahrhunderts einzutauchen?
Ich habe es sehr geliebt, mich mit den Briefen auseinanderzusetzen, weil Engels wahnsinnig viel mit seiner Schwester und seiner ganzen Familie kommuniziert hat. Dort konnte ich dann zwischen den Zeilen lesen, was eigentlich für ein Mensch hinter dem Bild steckt, das man in der Öffentlichkeit von Figuren wie Marx oder Engels hat. Was mich als Schauspieler am meisten interessiert, ist der Charakter, der die von mir zu spielende Figur ausmacht. Das konnte ich einfach am besten aus den Briefen herausfinden, z.B., dass Engels ein überaus humorvoller Mensch war. Spannend fand ich auch, was die Freundschaft zwischen ihm und Marx ausmachte. Mir war wichtig, die menschliche Seite herauszustreichen, denn jeder hat irgendwie ein Bild von den beiden vor Augen – der Rauschebart oder das in Stein gemeißelte Denkmal von Engels in Wuppertal. Das war überhaupt nicht mein Ansatz. Ich wollte meine Figur menschlich machen und nicht auf einen Sockel stellen.
Sie sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in Frankreich ein gut beschäftigter Schauspieler am Theater und vor Film- und Fernsehkameras. Wie ist es dazu gekommen?
Ich habe in Deutschland am Theater viel mit Michael Thalheimer zusammengearbeitet, zum ersten Mal im Jahr 2006. Die Zusammenarbeit zwischen Michael und mir funktioniert immer recht gut, und er hat mir 2008 eine Rolle in Frankreich angeboten und mich gefragt, ob ich mir das vorstellen könnte. Da habe ich direkt zugesagt, weil ich zwei Jahre in Paris zur Schule gegangen war und mich unglaublich in die Sprache und in die Stadt verliebt habe. Dort hatte ich das Glück, dass eine sehr gute, große französische Agentin sich diesen Abend angeschaut hat und mich sofort unter Vertrag nehmen wollte. Aus privaten Gründen bin ich dann nach Deutschland zurückgekehrt, habe aber damals schon gemerkt, dass ich auf jeden Fall irgendwann wieder in dieses Land zurückkehren werde. Als mein Engagement am Münchner Residenztheater zu Ende ging, sagte mir meine französische Agentin, dass sie viel besser für mich arbeiten könne, wenn ich direkt in Paris vor Ort wäre. Nachdem ich nun drei Jahre in Paris lebe, bin ich fast akzentfrei, man muss meinen Akzent suchen und kann ihn dann nicht richtig zuordnen. Im französischen Fernsehfilm „Dämonen“ nach Lars Norén habe ich unlängst beispielsweise einen Franzosen mit skandinavischem Hintergrund gespielt. Ich liebe beide Länder, ohne Frage, aber ich fühle mich in Frankreich einfach sehr zu Hause!
Was sind für Sie in Paris die Unterschiede zu Deutschland?
Nach einer gewissen Zeit habe ich gemerkt, dass es mit der Privatsphäre in Deutschland durch meine „Tatort“-Rolle ein bisschen schwierig geworden war. Wenn man auf die Straße geht, wird man von den Leuten erkannt, das ist nicht immer unbedingt unangenehm, aber es war eine andere Energie spürbar, deswegen habe ich mich entschieden, nach Paris zu gehen, weil mich hier kaum einer kennt, wenn ich auf die Straße gehe. Man wird hier in einer Menschenmasse verschluckt und kann sein Leben weiterleben, ohne dass man sich fragen muss, ob man kurz sein Baguette holen kann, ohne sich vorher die Zähne geputzt zu haben, weil es ein paar Leute gibt, die das dann bemerken würden (lacht). Ich habe für mein Herz eine Heimat gesucht, die ich in Paris gefunden habe. Ich lebe und arbeite hier sehr gerne, was aber nicht heißt, dass ich nicht auch in Deutschland arbeiten möchte. Aber mein Lebensmittelpunkt und mein Freundeskreis sind mittlerweile komplett in Frankreich, und das wird wahrscheinlich ein Leben lang so bleiben.
Nachdem Sie nun aus dem „Tatort“ ausgestiegen sind, was sind Ihre weiteren Karrierepläne für die Zukunft?
Aus dem „Tatort“ bin ich ausgestiegen, nach Rücksprache mit dem WDR und den Machern, weil ich schon vor rund anderthalb Jahren das Gefühl hatte, dass der Konflikt, der dort zwischen Nora und Daniel herrscht, zum guten Teil auserzählt war. Der Konflikt mit Faber wurde ab einem gewissen Zeitpunkt so auf die Spitze getrieben, dass ich für mich gemerkt habe, dass es so nicht weitergehen kann. Mein Ausstieg aus dem „Tatort“ erfolgte aus inhaltlichen Gründen, weil für mich hier nichts Neues mehr nachkam. Für mich bot sich das in diesem Moment an, mit der Folge, die noch nicht ausgestrahlt wurde, weswegen ich darüber noch nichts erzählen kann. Wenn es in meinem Leben ein Stillstandgefühl gibt, dann fange ich sehr schnell an, mich zu langweilen. Nach der letzten „Tatort“-Folge hatte ich deswegen erst einmal das Bedürfnis, zurück ans Theater zu gehen, wo ich dann in Frankfurt eine Produktion gemacht habe. Wie es jetzt weitergeht, wird man sehen, da bin ich offen für alles und vieles. Ab März werde ich in Frankreich eine Serie drehen, aber auch aus Deutschland liegen mir Angebote für Serien und Kinofilme vor. Theater werde ich wohl eher in Frankreich spielen, weil ich das einfach unheimlich gerne hier mache und weil ich hier einen Exotenstatus habe (lacht). Ich liebe es auch, Hörspielproduktionen zu machen, das ist mir eigentlich das Liebste. Dort sitzt man in einem geschlossenen Raum und versucht, nur über seine Stimme, Emotionen zu vermitteln. Das mache ich zurzeit sehr viel sowohl in Frankreich als auch in Deutschland.
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