Am 8. April 2020 geht die 37-jährige Myriam Z. im Leipziger Auwald mit ihrer zwei Monate alten Tochter spazieren. Plötzlich wird sie angegriffen und schwer am Kopf verletzt. Zwei Tage später stirbt Z. in einem Krankenhaus. Ihr Baby blieb unverletzt. Mutmaßlicher Täter: ihr Ex-Partner. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes.
Statt zu versuchen, ein Verständnis zu entwickeln und die Spezifik der Tat zu vermitteln, stürzte sich die mediale Berichterstattung auf den migrantischen Hintergrund des mutmaßlichen Täters. Edris Z., deutscher Staatsbürger afghanischer Abstammung, war Akademiker und galt als gut integriert. Und so oszillierte die Berichterstattung von BILD und Leipziger Volkszeitung zwischen Gehässigkeit und Verwunderung über den angeblichen Widerspruch zwischen „Musterbeispiel für Integration“ und brutaler Tötung. Ganz so, als wäre Deutschland das Paradies der Geschlechtergleichstellung, in dem nur migrantische Männer Gewalt an Frauen verüben.
Losgelöst von diesem Fall werden in der Presse Frauenmorde meist als „Ehrenmord“ zum primär kulturellen Problem erklärt und rassifiziert. Ist der Täter doch mal (Bio-)Deutscher, wird die Tat als Eifersuchts- oder Familiendrama entpolitisiert und verharmlost.
Dabei ist eine Einordnung der Tat gegen Myriam Z., die bürgerlichen Scheuklappen mal abgenommen, nicht schwer: Sie gehört in den Kontext männlicher Gewalt gegen Frauen. Da diese Gewalt im Fall von Z. offensichtlich auf deren Eliminierung abzielte, wäre sie konsequent als „Femizid“ zu werten. Und das heißt: Tötung einer Frau, weil sie Frau ist. Herkunft oder Nationalität des Täters sind dabei unerheblich. Vielmehr fällt dem hierarchischen Geschlechterverhältnis – trotz aller Fortschritte hinsichtlich formaler Gleichstellung und Rollenflexibilität – nach wie vor als gesellschaftskonstituierendes Element die Hauptrolle in solchen Fällen zu.
Strukturelles Problem verschleiert
Im deutschen Recht und auch im gesellschaftlichen Diskurs wird der Tatbestand des Femizids weder als solcher benannt, reflektiert oder geahndet. So teilt der Femizid das Schicksal der rassistischen Gewalttat, die meist als tragischer Einzelfall daherkommt. So wird mit medialer Hilfe zum einen ein strukturelles Problem verschleiert und zum anderen die konsequente Aufarbeitung und Bekämpfung erschwert. 118 weibliche Opfer von „vollendetem Mord oder Totschlag“ zählte das Bundeskriminalamt (BKA) 2018 sowie vier „Körperverletzungen mit Todesfolge“ im Zusammenhang mit Partnerschaften und ehemaligen Partnerschaften. Somit wird etwa jeden dritten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Frauenmorde außerhalb von Partnerschaften sowie Tötungsversuche, die als schwere Körperverletzung eingeordnet werden, tauchen in dieser Statistik nicht einmal auf. Ebenfalls nicht erfasst werden laut der Kampagne #KeineMehr Transfrauen – was angesichts der spezifischen Gewaltbedrohung, der Transfrauen ausgesetzt sind, besonders perfide erscheint.
Viele lateinamerikanische Länder sind weiter. Femizide sind als Straftatbestände in die Gesetzgebung aufgenommen. Die Bundesregierung will davon nichts hören. Der Femizid, wie ihn die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der Istanbul-Konvention definiert, sei nicht klar genug gefasst. Zudem genüge der deutsche Mordparagraf, eine weitere Ausdifferenzierung sei nicht nötig. Dabei würde die amtliche Verwendung der Kategorie helfen, Femizide als das zu erkennen, was sie sind: Zuspitzung patriarchaler Gewalt, von sexueller Belästigung über Stalking und Vergewaltigung bis hin zu Mord.
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zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
Aktiv im Thema
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frauenberatungsstellen-nrw.de | m Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen NRW e. V. sind rund 50 Frauenberatungsstellen aus NRW versammelt.
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