Die Ausstellung in K21 in Düsseldorf war überfällig. Erstaunlich, dass seit eineinhalb Jahrzehnten keine museale Einzelausstellung der französischen, 1943 geborenen Künstlerin Annette Messager in Deutschland zu sehen war. Denn sie gehört zu den Koryphäen der zeitgenössischen Kunst, wurde zweimal zur documenta eingeladen und hat den Goldenen Löwen der Biennale Venedig erhalten. Vor allem aber – und das zeigt jetzt die Schau in Düsseldorf – besitzen ihre Objekte, Ensembles und Installationen eine hohe Anschaulichkeit, gepaart mit Sinnlichkeit. Sie sind ebenso verständlich wie rätselhaft, eindeutig wie vielschichtig, dabei von einem feinen Humor und einer tiefen Ernsthaftigkeit. Sie verhalten sich zwischen einem erzählerischen Realismus und Surrealismus. Sie verweisen auf die kreatürliche Existenz, indem sie Körper und Körperfragmente teils verdreht, teils miteinander verwoben, schlaff oder aufrecht zeigen – und dabei haben wir es doch mit Stoffpuppen und ebensolchem Getier zu tun. Die Geschöpfe und Objekte lehnen an der Wand, hängen wie Marionetten von der Decke oder liegen auf dem Boden. In der Installation „Sous vent“ (2004-10) sind Figuren und Körperfragmente unter einem raumgreifenden schwarzen Seidentuch verborgen und immer nur dann kurz durch den Stoff zu sehen, wenn sich dieser über Windmaschinen hebt. Die Lichtinseln wirken wie Vegetationen in der Tiefsee oder wie Lagerfeuer in unserem Unterbewusstsein. Sie lassen an dunkle Geheimnisse, Verdrängungen und eine plötzliche Klarheit denken. Wie präzise und doch spielerisch M. dabei vorgeht und unsere Assoziationen und Emotionen zwischen Staunen und Erschrecken im Griff hat, das verdeutlicht ihre Ausstellung im Düsseldorfer Ständehaus, die Werke aus 25 Jahren zeigt. Abschluss der Ausstellung ist eine Arbeit von 2014, die öffentliche Verbote aus aller Welt versammelt und dabei Kurioses mit absurd Unerträglichem in der naiv einprägsamen Bildsprache der Verkehrsschilder vermittelt.
Am Anfang des Düsseldorfer Parcours steht die Installation „Motion-Emotion“ (2009-14), bei der Puppen und Motive aus unseren Kinderzimmern über Ventilatoren in Unruhe versetzt sind. Eine lange Zunge hängt aus einem Stofftier, ein Kleid bauscht sich auf, ein gedärmartiger Schlauch windet sich in die Höhe, die Tiere haben das Maul geöffnet und blecken die Zähne … An anderer Stelle stülpt Messager die Oberfläche eines Stofftieres um und lässt damit an die Häutungen der Kunstgeschichte denken. Oder sie verweist auf Pinocchio mit seinen vielen metaphorischen Ebenen. Sie inszeniert vor unseren Augen plastische Bilder, die Ereignisse und Haltungen unserer Zeit transzendieren. Komödie und Tragödie sind hier oftmals eins. Wir schauen in die Höhe und nach unten, stellen fest, wie sehr uns diese spielerischen, vermeintlich so einfachen Dinge beschäftigen und kehren wieder an den Anfang zurück: im Kopf und mit den Füßen. „Es ist großartig, sich zu bewegen, Hirngespinste zu haben und Illusionen“, sagt Messager. „Was ist schöner als zu tanzen, zu singen und den Intellekt in Bewegung zu halten?“
„Annette Messager – Exhibition. Exposition“ | bis 22.3.15 | K21 in Düsseldorf | 0211 838 12 04
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