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Sven Taddicken am 29. April in Köln
Foto: Jan Schliecker

„Das Leben geht weiter“

02. Mai 2019

Regisseur Sven Taddicken über „Das schönste Paar“ – Gespräch zum Film 05/19

Nach Filmen wie „Emmas Glück“ und „Gleißendes Glück“ drehte der Hamburger Sven Taddicken erstmals nach eigenem Drehbuch in Köln das hochspannende, psychologisch genaue und großartig gespielte Liebes- und Psychodrama „Das schönste Paar“ (Start: 2.5.), das mit dem Produzentenpreis für den besten deutschen Kinofilm beim Filmfest Hamburg und dem Darstellerpreis beim Filmfestival in Mons ausgezeichnet wurde. Luise Heyer ist für die Beste weibliche Hauptrolle beim Deutschen Filmpreis nominiert. Es geht das junge Lehrerpaar Malte und Liv, das im Sommerurlaub von drei Jugendlichen überfallen wird, deren Anführer Liv vergewaltigt. Zwei Jahre später, als Malte und Liv den Vorfall weitgehend überwunden haben, begegnet der noch unter Schuldgefühlen leidende Malte dem Vergewaltiger in einem Dönerladen. Es droht eine Abwärtsspirale. Wir sprachen mit Sven Taddicken bei der Premiere des Films im Kölner Rex am Ring.

engels: Sven, was für eine Geschichte wolltest du erzählen, was war die Idee?
S
ven Taddicken: Die Grundidee für „Das schönste Paar“ war natürlich einmal die Prämisse, dieser Überfall, den das Paar durchleben muss, aber ich hatte gleichzeitig die Idee: Ich will einem Film machen, der das Leben danach erzählt. Weil ich das eigentlich nicht so häufig gesehen habe. Denn das ist ja die Wahrheit, wenn man es mal allgemeiner sieht: Du fängst dir eine Verletzung ein, und das Leben geht weiter. Wie sieht das dann genau aus? Es geht jetzt im Film allerdings auch nicht primär um Traumabewältigung, sondern ich glaube um so eine Sehnsucht nach Leben, nach der Beziehung – können wir die retten, können wir da weitermachen? Nach einer Lockerheit und auch einer Unversehrtheit von Intimität und Sexualität – wie geht’s da weiter?

Das vollständige Interview

Wie verlief dann der Weg zur Umsetzung, wie entstand vor allem das Drehbuch?
Ich bekam 2011 eine Drehbuchförderung für diesen Stoff, also da hatte ich schon 20 Seiten geschrieben und den Film schon ungefähr so skizziert, wie er jetzt auch fertig ist im Jahr 2019. Die Drehbuchförderung hat mir auch ein bisschen die Zuversicht gegeben: So, okay, da arbeitest du weiter dran, das verfolgst du jetzt auch. Dann hatten wir 2014 schon eine Drehbuchfassung, die relativ weit war und wollten den Film finanzieren. Ich habe Castings gemacht – ich habe im Jahr 2014 Louise Heyer kennengelernt, die die weibliche Hauptrolle spielt – und wir standen in den Startlöchern und haben aber dann das Geld für den Film noch nicht zusammen bekommen. Das hat nochmal weitere drei Jahre gebraucht bzw. ich habe dann in der Zwischenzeit einen anderen Film gedreht, „Gleißendes Glück“ mit Martina Gedeck und Ulrich Tukur, und vielleicht hat mir „Gleißendes Glück“ dann auch die Türen wieder geöffnet zu dem „schönsten Paar“. Danach ging’s dann, danach wurden wir finanziert.


Luise Heyer und Maximilian Brückner, Bild: © One Two Films

Zu Opfern sexueller Gewalt hast du in Berlin beim Krisen- und Beratungstrum LARA recherchiert.
Genau. Ich glaube, ich habe zwei Wahrheiten da für mich rausgeholt oder gelernt für die Drehbucharbeit. Das eine natürlich: Ich schreibe ein Drehbuch mit der Suche nach einer Lösung, nach einer Erlösung von etwas Schrecklichem, und da ist die Wahrheit: Richtig loswerden kannst du’s nicht. Du wirst dich ja immer daran erinnern können, wie sich das angefühlt hat. Das Zweite, etwas positiver vielleicht, was ich gehört habe: Gerade wenn’s um Rache und Vergeltung geht, was mache ich damit, gerade wenn es jemanden Konkreten gibt, der mir Leid zugefügt hat? Die beste Rache ist keine Rache. Sorg einfach dafür, dass du ein verdammt glücklicher Mensch wirst. Und das hat mich berührt, weil ich auch beim Drehbuchschreiben lange gesucht habe: Wie kann das enden? Wie können die Figuren da zufrieden rauskommen? Ich habe lange nicht wirklich eine Lösung gefunden.

Die Wiederbegegnung mit dem Täter nach zwei Jahren ist ein ganz zentraler Moment in deinem Film. Was macht das mit Sven, was macht das mit Liv?
Bei ihr ist es so, dass sie einen sehr starken Willen zum Leben hat. Das hat mich beim Schreiben sehr fasziniert. Die Liv ist da erstaunlich offen und positiv und mit einer ganz klaren Sehnsucht: Ich will mein Leben wiederhaben, und ich will auch diese Beziehung da mit rüber retten, und ich will eine lockere Sexualität wiederhaben. Das fand ich immer sehr stark und sehr berührend. Man spürt in dem Film, dass es vielleicht ein bisschen eine Fassade ist, aber ich glaube sie hat es wirklich geschafft, aber die Beziehung ist noch nicht wieder ganz „locker“. Du merkst, die halten sich an Formen fest, die sind vorsichtig miteinander – was aber vor allem daran liegt, dass er noch nicht so weit ist. Diese Begegnung ist für sie schrecklich, weil dadurch alles, was sie sich aufgebaut hat, ins Wanken gerät. Und ich muss natürlich mitfiebern: Inwieweit ist das alles wasserdicht, inwieweit kann sie das alles festhalten? Für ihn ist es so – er ist ja nicht direkt betroffen sozusagen – und er hängt in einer Schuldfrage fest: Verdammt, habe ich die Liebe meiner Freundin noch verdient, obwohl ich sie nicht beschützen konnte? Ich persönlich würde sagen, er hat keine Schuld – die Szene ist ja auch so gebaut, dass man nicht denkt: Mensch, mach doch mal was! Er hatte einfach keine Chance. Aber ich glaube, es ist nachvollziehbar, dass er sich diese Vorwürfe macht. Er benutzt dieses Wiedertreffen mit dem Täter als Chance: Jetzt kann ich’s geradebiegen. Was nicht unbedingt richtig ist, denn wie gesagt, die Vorwürfe, die er sich macht, sind unbegründet.

Der Film lief erfolgreich auf internationalen Festivals, wie fühlst du dich nun kurz vor dem Kinostart?
Ich glaube, ich muss mich da ein bisschen einlassen auf das, was passiert. Also ich fühl mich gut, mir geht's gut – ich habe einen Film gemacht, der sehr aus dem Herzen kam, der auch nicht spekulativ ist… Also ich habe auch schon Filme gemacht, die auch gut sind, die auch wirklich schön sind, aber wo, sei es durch die Besetzung oder sei es durch andere Themen, wo man gesagt hat: Okay, das machen wir jetzt für ein bestimmtes Publikum. Und das hat mir bei dem „schönsten Paar“ sehr gefallen, das war wirklich ein – das klingt jetzt drastisch – kompromissloser Film. Aber es stimmt! Das war wirklich ein Film, den ich und die Produzenten als Team unbedingt machen wollten, weil wir dachten, das ist doch verdammt spannend, das ist doch aufregend und das ist doch etwas, mit dem man sich auseinandersetzen möchte – so düster es auch klingt als Thema.

Interview: Jan Schliecker

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