Auf den Westen ist kein Verlass, mal wieder. Zu Beginn der Corona-Pandemie beschlossen die Weltgesundheitsorganisation WHO und die EU-Kommission die Covax-Initiative. Sie versprach, Coronaimpfstoffe auch in ärmeren Ländern gerecht zu verteilen. Trotzdem sind laut WHO heute nur 12 Prozent der Menschen in Afrika vollständig gegen das Coronavirus geimpft. Kriege und eine mangelnde Akzeptanz von Impfungen spielen eine Rolle, merken Beobachter an, Faktoren, die nicht der Initiative anzulasten
sind. Doch früh in der Pandemie stockten die internationalen Debatten dazu, den Patentschutz vonImpfstoffen einzuschränken und zum Wissens- und Techniktransfer in afrikanische Länder. Derweil arbeiten junge Unternehmen und staatliche Institute beispielsweise in Südafrika und Algerien daran, eigene Impfstoffproduktionen aufzubauen, auch gegen andere Krankheiten. 600 Jahre europäischer Expansion sind überreich an Beispielen dafür, wie der Westen den globalen Süden eigennützig und grausam behandelt hat. Der Kampf gegen die Pandemie sollte eine Chance sein, Vertrauen aufzubauen. Bislang ist sie vertan.
Um dieses Verhältnis geht es auch in den teils erbitterten Auseinandersetzungen um koloniale Raubkunst, öffentliches Gedenken oder kulturelle Aneignung. Dem gehen wir in unserem Monatsthema KOLONIALWAREN nach. Unsere Leitartikel kritisieren am Beispiel des Berliner Humboldt-Forums, was schief läuft im Umgang mit geraubten Kulturgütern, wägen ab, wie mit umstrittenen Denkmälern und Straßennamen umzugehen ist und empfehlen, sich bewusst zu machen, dass Kulturen seit jeher einander inspirieren.
In unseren Interviews diskutiert Nanette Snoep, Direktorin des Kölner Rautenstrauch-Joest-Museums, wie Museen mit geraubten Kulturgütern umgehen sollten, der Historiker Jonas Anderson warnt, dass die Kritik historischer Persönlichkeiten zu einem moralischen Rigorismus führen kann und die Philosophin Ursula Renz erklärt, was an kultureller Aneignung problematisch sein kann. In Essen erfahren wir, wie die Stadtführung „colonialtracks“ der kolonialen Vergangenheit nachspürt und in Wuppertal, wie die Genossenschaft SprInt kultursensibles Dolmetschen lehrt. Im Kölner Museum für Angewandte Kunst erfahren wir, wie es für Raubkunst anderer Art die rechtmäßigen Eigentümer ermittelt: Ein Forschungsprojekt untersucht, welche Sammlungsgegenstände während der NS-Diktatur entwendet wurden.
In diesen Tagen gilt auch dem Schutz europäischer Kulturgüter unerwartete Aufmerksamkeit: Das Kulturerbe der Ukraine sei durch Russlands Angriffskrieg bedroht, warnt die Unesco, die deutsche Bundesregierung hat eigens ein „Netzwerk Kulturgutschutz Ukraine“ gestartet. Fraglich ist, ob hierdurch Zerstörungen verhindert werden können. Gut ist aber, dass es neben der direkten Hilfe für Menschen weitere Anstrengungen gibt, die nichts mit erhöhten Militärbudgets zu tun haben.
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Vom Umgang mit Kolonialkunst
Auftakt der Ringvorlesung „Res(t)ituieren“ im Kubus – Kunst 10/22
Raubkultur?
Kulturgut und koloniales Erbe – Teil 1: Leitartikel
„Kultur bedeutet immer, sich Dinge anzueignen“
Philosophin Ursula Renz über kulturelle Aneignung – Teil 1: Interview
Neues Berufsbild für Flüchtlinge
Die Wuppertaler SprInt eG fördert kultursensibles Dolmetschen – Teil 1: Lokale Initiativen
Blutiges koloniales Erbe
In der Klemme: Das Humboldt-Forum zwischen Geschichtsrevisionismus und Restitution – Teil 2: Leitartikel
„Mit den Nachfahren der Kolonisierten zusammenarbeiten“
Museumsdirektorin Nanette Snoep über Raubkunst und die Aufgaben der Museen – Teil 2: Interview
Kunstraub in der NS-Zeit
Forschungsprojekt am Museum für Angewandte Kunst Köln – Teil 2: Lokale Initiativen
Sind Namen Schall und Rauch?
Umstrittene Denkmalkultur im öffentlichen Raum – Teil 3: Leitartikel
„Naiv zu glauben, dass Denkmäler Geschichte abbilden“
Historiker Jonas Anderson über den Umgang mit Deutschlands Kolonialvergangenheit – Teil 3: Interview
Erinnerungskultur vor Ort
Stadtführung „colonialtracks“ über Essens Kolonialgeschichte – Teil 3: Lokale Initiativen
Das Erbe König Leopolds
Rückgabe kolonialer Raubkunst – Europa-Vorbild: Belgien
Pardon, wie wichtig ist Ihnen Aura?
Eine absurde Glosse über museale Raubkunst und Walter Benjamin – Glosse
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Wie gewohnt
Intro – Europa
Ausgefischt
Intro – Meeresruh
Machtspiele
Intro – Gewaltrausch
Natürlich wählen
Intro – Unsere Tiere
Wahlverwandt
Intro – Beziehungsweisen
Gefahrenzulage
Intro – Arbeit oder Leben?
Ablenkungsversuch
Intro – Hab’ keine Angst
Gelassen ernst
Intro – Unheimlich schön
Zeit des Verlangens
Intro – Ganz schön empfindlich
Politik mit Vorsatz
Intro – Nach der Demokratie
Weihnachtswunder
Intro – Geben und nehmen
Wer die Demokratie gefährdet
Intro – Wer bewacht die Wächter?