Wenn Iris Metje im Museum für Angewandte Kunst Köln (MAKK) ein historisches Objekt in den Händen hält, dann interessiert sie vor allem eins: Wem hat es einmal gehört? Und wurde es seinem Vorbesitzer in der NS-Zeit unrechtmäßig entzogen? Um Antworten zu finden, schaut sie sich die Gegenstände genau an, sucht nach Hinweisen in Archiven und tauscht sich mit Kolleginnen und Kollegen deutschlandweit aus. Seit August 2020 geht sie der Herkunftsgeschichte eines Teils der Museumssammlung im Forschungsprojekt „Die Erwerbungen des Kölner Kunstgewerbe-Museums 1933–1940“ auf die Spur – gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste.
Wege der Entschädigung
Jüdische Kunsthändler und private Eigentümer litten während der NS-Diktatur unter Repressionen, Berufsverboten und Verfolgung, viele mussten Kunstgegenstände zwangsweise abgeben oder verfolgungsbedingt verkaufen. Oft stehe zwar der unmittelbare Vorbesitzer im Zugangsverzeichnis, doch das bedeute noch lange nicht, dass sie die Geschichte des Objekts kenne, erklärt Metje. Ihre Aufgabe sei es, verlorengegangene Informationen wieder herzustellen. „Wir wollen diese in der NS-Zeit entzogenen Objekte finden, um sie möglichst an ihre rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben“. Gemeinsam mit den Nachfahren suche die Stadt Köln dann „faire und gerechte Lösungen“, so Metje. Manchmal einige man sich auf eine Entschädigung, einen Vergleich, einen Rückkauf oder eine Leihgabe.
Spannend und sinnstiftend
Für das Forschungsprojekt untersucht die promovierte Kunsthistorikerin einen ausgewählten Bestand von rund 400 Objekten – darunter Möbel, Keramiken, Glasobjekte und Gemälde. Bis zum Sommer 2022 läuft das Projekt, eine Verlängerung ist beantragt. Die Zusammenarbeit im Team des MAKK und der Austausch mit der deutschen Forschercommunity seien sehr wertvoll. Bereits seit mehr als zehn Jahren arbeitet Metje als wissenschaftliche Mitarbeiterin in verschiedenen Museen der Stadt Köln, das aktuelle Projekt empfindet sie als besonders spannend und sinnstiftend. Nach der Anerkennung der Washingtoner Prinzipien von 1998 sei es auch ein „politischer Wille, der sich in dem Projekt abbildet“. Damals vereinbarten 44 Staaten, darunter Deutschland, nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen, Register einzurichten und faire Lösungen mit den Nachfahren zu finden. Erste Ergebnisse untermauern den „Kunstraub“-Verdacht für Teile der Sammlung: 20 Objekte konnte sie bereits als sicher oder vermutlich NS-verfolgungsbedingt entzogen identifizieren, rund 110 Objekte stuft sie bisher als unbedenklich oder sehr wahrscheinlich unbedenklich ein.
Neue Vorgehensweisen
Gegenstände und Kunstwerke, die trotz NS-Vergangenheit in der Sammlung verblieben, würden zukünftig mit einem entsprechenden Hinweis versehen. „Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist es, transparent zu machen, was wir gefunden haben. Nur so werden die Geschichten sichtbar und vermisste Objekte für andere auffindbar.“ Denn nicht immer finde man den Vorbesitzer und dessen Nachfahren, oft bleibe die Quellenlage vage. Eine Möglichkeit für den Austausch sei die Datenbank „Lost Art“. Auf der Webseite können Betroffene Suchanfragen für vermisste Kulturgüter einstellen und Sammlungen ihre Funde veröffentlichen. Das MAKK arbeitet außerdem an einer Online-Collection, die auch Herkunftsangaben zu den Objekten enthalten wird.
Aktuell können Besucher die historischen Sammlungen im MAKK nicht betrachten, da nur ein kleiner Teil der Ausstellungsräume geöffnet ist. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude wird teilsaniert, die verschiedenen Ausstellungsbereiche neu konzipiert. Zugänglich ist aber weiterhin die Design-Sammlung – immerhin eine der größten ihrer Art in Europa. Zu sehen sind Gegenstände des täglichen Lebens von beutenden Designern aus den 1930er Jahren bis heute: Nutzgegenstände wie Möbel, Geschirr, Kleidung oder Schmuck, aber auch Metall- und Buchkunst, Gemälde und Skulpturen sowie Grafiken und Plakate. Regelmäßig gibt es Sonderausstellungen.
Die Forschung geht weiter
Die Grenzen zwischen Kunst und Alltagsgegenständen sind fließend – was also findet seinen Weg ins Museum? Als das MAKK 1888 auf eine bürgerliche Initiative hin entstand, damals noch unter dem Namen „Kunstgewerbe-Museum“, lag der Fokus ganz klar auf Best Practice-Beispielen, erklärt Metje. So sollten Besucher nicht nur sehen, welche Gestaltungsformen für die jeweilige Epoche vom Mittelalter bis heute typisch waren, sondern auch, was nach damaligem Geschmack besonders gut gelungen war.
Über 250.000 Objekte umfasst die Sammlung im MAKK. Grundsätzlich müsste für eine gründliche Aufarbeitung alles untersucht werden, was nach 1933 ins Haus gekommen und vor 1945 geschaffen worden sei – viel zu viel für ein einziges Projekt, so Metje. Die Forschungsarbeit wird weitergehen.
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