Gespräche über den Gartenzaun sind manchmal erhellend. Besonders, wenn es sich um einen Nachbarn handelt, der mit einem arg sarkastischen Humor ausgestattet ist. „Uns in Wuppertal kann doch der Klimawandel egal sein“, schwadroniert der Rentner. „Bisschen wärmeres Wetter tut meinen Knochen bestimmt gut.“ Der regenreichsten deutschen Großstadt könne etwas mehr Sonne nicht schaden. „Und wenn die Holländer angeschwemmt kommen, weil die Deiche brechen, zieht es sie bestimmt eher ins Sauerland als ins Bergische.“ Auch wenn die Vorstellung amüsant ist, niederländische Wohnwagen mit Menschen in Seenot darauf Richtung Neheim-Hüsten und Lüdenscheid treiben zu sehen, irrt der Nachbar doch, was die Konsequenzen für Wuppertal betrifft. Der Klimawandel verschafft uns eben nicht nur wärmeres und deshalb gutes Wetter, sondern er zeigt sich durch vielerlei verschiedene Wetterextreme. Vor gut einem Jahr fand der sonnenärmste und nasseste Januar seit Beginn der Wetteraufzeichnungen statt. Dieser Winter hingegen toppte alle Temperaturrekorde. T-Shirt-Wetter im Februar war keine Sensationsmeldung mehr wert. Unmittelbar kann die Berg- und Tallage der Stadt sogar für besondere Probleme sorgen. Bislang sind die Anrainer der Wupper von Szenarien, wie sie im letzten Sommer in Ost- und Süddeutschland zu erleben waren, verschont geblieben. Aber Dauerregen und Starkregen stoppen nicht an den Landesgrenzen von Nordrhein-Westfalen. Die Berglagen der Region sind bei schweren Stürmen hingegen besonders gefährdet. Orkan Kyrill lehrte uns bereits das Fürchten. Aber auch, wenn Unwetter nicht unmittelbar unsere Heimat verwüsten, so treffen doch alle die wirtschaftlichen Schäden, die der Klimawandel hinterlässt. Der Journalist Franz Alt teilte uns mit: „Die Weltbank hat ausrechnen lassen, wie teuer es ist, weiter auf fossile Energie zu setzen und kam auf den sechsfachen Betrag, als wenn man die Energiewende voranbringt.“ Und der Klimawandel ist ein asozialer Zeitgenosse, er trifft die ärmsten Regionen dieser Welt, die Länder der Sahel-Zone, Bangladesch, Zentralasien und Ozeanien. Holländer werden noch viele Jahre genug Geld haben, ihre Deiche zu verstärken.
Andererseits hat es das Thema Klimawandel in der modernen Medienwelt nicht einfach. Die Zuspitzung auf Katastrophen, die Redaktionsstuben und auch das geneigte Publikum sehr schätzen, bietet dieses facettenreiche Thema selten an. Die Reaktorkatastrophe von Fukushima schaffte es binnen weniger Wochen, dass selbst konservativste und wirtschaftsliberalste Politiker auf einmal den Atomausstieg forderten. Viel schwieriger ist es hingegen, einen Zusammenhang herzustellen zwischen dem Auftreten von Unwettern, Dürrezeiten und Überschwemmungen mit unserer Neigung, alles auf dieser Welt anzuzünden, um es in Energie zu verwandeln. Vor gut zehn Jahren hat die damalige rot-grüne Bundesregierung mit dem Erneuerbare Energien Gesetz ein wichtiges Instrument geschaffen, das Karbonzeitalter in unserem Land allmählich zu beenden. Obwohl die nachfolgenden Regierungen immer wieder versuchten, die strengen Maßgaben etwas zu verwässern, blieb die Stoßrichtung erhalten. Wind- und Sonnenenergie wurde subventioniert. Fossile Energieträger wurden besteuert. Dass nun gerade ein sozialdemokratischer Wirtschaftsminister die Förderung regenerativer Energien zusammenstreicht und gleichzeitig größtes Verständnis für die notleidenden Energieriesen hat, verwundert nur auf den ersten Blick. Die Haltung der SPD zum Umweltschutz gilt vielen nur als taktisches Manöver. Zu sehr ist die Partei über die Betriebsräte mit den Vorständen und Aufsichtsräten der Kohle- und Energiekonzerne verbandelt, als dass sie ernsthaft die Interessen dieser Firmen gefährden würde. So ist es nicht verwunderlich, dass Franz Alt seine Hoffnung eher auf eine zukünftige schwarz-grüne als auf eine rot-grüne Bundesregierung setzt, um die Energiewende wieder voranzutreiben. Im Gespräch bezeichnet er Wirtschaftsminister Gabriel als Erzengel für die Kohle. Weiter: „Es ist doch kein Zufall, dass mit Wolfgang Clement und Werner Müller zwei ehemalige SPD-Wirtschaftsminister inzwischen bei der Energiewirtschaft ihr Geld verdienen. Die haben gut vorgesorgt. So machen das Wirtschaftsminister immer. Vielleicht hat Siegmar Gabriel ähnliche Pläne.“ Ist der Klimaschutz aber tatsächlich bei der CDU besser aufgehoben? Ist der Union im Gegensatz zu den Sozis die Schöpfung wichtiger als die Wertschöpfung?
Egal, welche Regierung gerade in Berlin versucht, in die eine oder andere Richtung Energie- und Klimapolitik zu betreiben, wichtig erscheint vor allem das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger. In den nächsten Jahren wird sich die Technologie zur Speicherung von Energie rasant fortentwickeln. Dann ist das Argument von der „unzuverlässigen“ regenerativen Energie widerlegt und jeder Hausbesitzer kann sich kostendeckend und ohne Subventionen eine Solaranlage und ein Miniwindrad auf sein Dach montieren lassen. Die Energieriesen hingegen werden nicht nur in diesem Jahr tiefrote Zahlen in ihren Bilanzen aufweisen.
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