engels: Herr Illner, mein Thema heißt „Karneval in Wuppertal“.
Eberhard Illner: Da muss ich Sie enttäuschen. Dieses Thema gibt es eigentlich gar nicht. Bereits im Jahr 1834 wurde im amtlichen Mitteilungsblatt geschrieben, dass, solange Elberfeld besteht, hier keine öffentlichen Karnevalslustbarkeiten und Massenumzüge stattgefunden haben.
Aber inzwischen wird doch hier auch gefeiert. Warum?
Man versucht in Wuppertal immer, es anderen nachzumachen. Der Kölner sagt zu solchen Dingen: „Jewollt und nit jekonnt“.
Was dürfte Wuppertal denn feiern?
Wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, da darf jeder feiern, was er möchte. Wuppertal ist allerdings eine protestantische Enklave in einem katholischen Umfeld. Der Karneval ist aber nur im Katholizismus denkbar. Deshalb funktioniert er hier nicht. Die Wurzeln des rheinischen Karnevals – so wie wir ihn heute feiern – liegen im Jahr 1823, als in Köln ein „Festordnendes Komitee“ den Rosenmontagszug und den Sitzungskarneval einführte. Während es Münster, Aachen oder Düsseldorf ähnlich machten, war dies im Wuppertal aus religiösen Gründen undenkbar.
Was wurde überhaupt hier gefeiert?
Weihnachten wurde gefeiert. Und die Konfirmation war hier wichtig. Das waren alles Familienfeste. Gesellschaftlich wurde hier aber wenig gefeiert. Man hat hier gearbeitet.
Der Humor hat mit Pietismus nichts am Hut?
Zum Humor braucht man eine gewisse Oberflächlichkeit. Das aber ist das Gegenteil der Logik des Protestantismus. Dort versucht man immer, den Dingen auf den Grund zu gehen. Der Kölner sagt: „Der Herrjott guckt auf uns runter und amüsiert sich, wie wir unseren Alltag meistern.“ Das protestantische Auge Gottes guckt aber genau hin, ob du dich auch richtig verhältst.
Welche Art von Brauchtumspflege empfehlen Sie denn den armen Wuppertalern?
Wichtig wäre eine identitätsstiftende Feier. Wir haben es hier im Tal ja mit vielen kleinen Dörfern zu tun. Wir haben ein echtes Identitätsdefizit. Ein Berliner, ein Hamburger, ein Münchener und erst recht ein Kölner ist stolz auf seine Stadt. Der kann in New York auf dem Times Square stehen, und er wird, wenn er danach gefragt wird, den Leuten dort sagen, wo er herkommt. Stellen Sie sich in dieser Situation mal einen Wuppertaler vor.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Fröhlicher Rollentausch mit pädagogischem Hintergrund
Jugendzentren organisieren Gemeinschaftswagen für Karnevalszug – Thema 02/12 Karneval
Ist Wuppertal narrensicher?
Karnevalistisches Treiben gehört hier nicht zu den Grundtugenden – THEMA 02/12 KARNEVAL
„Wir sind nicht so kommerziell“
Marjetta Appelmann und Uwe Lischke zum organisierten Karneval - Thema 02/12 Karneval
Lieber den Mantel teilen als Kamelle schmeißen?
Werner Kleine erklärt, warum stadtweites Brauchtum schwer zu etablieren ist – Thema 02/12 Karneval
Zum Wohl!
Intro – Rausch im Glück
Konsum außer Kontrolle
Teil 1: Leitartikel – Was uns zum ständigen Kaufen treibt
„Dann übernimmt das Lusthirn“
Teil 1: Interview – Psychotherapeutin Nadine Farronato über Kaufsucht
Teufelskreis im virtuellen Warenkorb
Teil 1: Lokale Initiativen – Die Caritas-Suchthilfe hilft auch bei Kaufsucht weiter
Lebensqualität gegen Abwärtsspirale
Teil 2: Leitartikel – Drogensucht ist kein Einzelschicksal, sie hat gesellschaftliche Ursachen
„Wir haben das Recht auf Rausch“
Teil 2: Interview – Mediziner Gernot Rücker über die Legalisierung von Drogen
Zwischen Blüte und Bürokratie
Teil 2: Lokale Initiativen – Der Cannabas-Club e.V. und der neue Umgang mit Cannabis
Gute Zeiten für Verführer
Teil 3: Leitartikel – Das Spiel mit dem Glücksspiel
„Ich vermisse die Stimme der Betroffenen“
Teil 3: Interview – Psychologe Tobias Hayer über Glücksspielsucht
Suchthilfe aus der Ferne
Teil 3: Lokale Initiativen – Online-Projekt des Evangelischen Blauen Kreuzes in NRW hilft Abhängigen
Ausgespielt!
Spielautomaten aus Kleinstädten verbannt – Europa-Vorbild: Rumänien
German Normalo
Zwischen Selbstoptimierung und Abhängigkeit – Glosse
Panzer vs. Schulen
Intro – Kriegszitterer
Multipolare Wirklichkeit
Teil 1: Leitartikel – Der Abstieg des Westens und der Aufstieg des BRICS-Bündnisses
„Zunehmende Unglaubwürdigkeit des Westens“
Teil 1: Interview – Politologe Ulrich Brand über geopolitische Umwälzungen und internationale Politik
Welt am Wendepunkt
Teil 1: Lokale Initiativen – Soziologe Joris Steg über Chancen und Risiken einer neuen Weltordnung
Ausgebeutet und gegeneinander aufgehetzt
Teil 2: Leitartikel – Wie der Westen Afrika in die Dauerkrise gestürzt hat
„Rassismus und Herablassung“
Teil 2: Interview – Historiker Andreas Eckert über die Folgen des europäischen Kolonialismus
Für ein Ende der Ignoranz
Teil 2: Lokale Initiativen – Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ im NS-Dok
Gewalt mit System
Teil 3: Leitartikel – Patriarchale Strukturen ermöglichen sexualisierte Gewalt als Kriegsmittel
„Eine totale Machtdemonstration“
Teil 3: Interview – Kindernothilfe-Mitarbeiter Frank Mischo zu sexualisierter Gewalt in Krisengebieten