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Hildegard Schmahl, Bruno Ganz und Regisseur Matti Geschonneck am Set
Foto: Hannes Hubach

„Keine Abrechnung mit dem System DDR“

26. Mai 2017

Matti Geschonneck über seine Romanverfilmung „In Zeiten des abnehmenden Lichts“ – Gespräch zum Film 06/17

Matti Geschonneck (*1952 in Potsdam) musste sein Regie-Studium am Eisenstein-Institut für Kinematographie in Moskau abbrechen, weil er sich nicht vom ausgebürgerten Wolf Biermann distanzierte. Seit 1978 lebt und arbeitet er in der BRD. Nach seinem Kino-Debüt „Moebius“ (1992) drehte der u.a. mehrfach mit dem Grimme-Preis und der Goldenen Kamera ausgezeichnete Regisseur hauptsächlich Fernsehfilme, bevor 2010 seine Tragikomödie „Boxhagener Platz“ in die Kinos kam.

engels: Herr Geschonneck, dachten Sie beim ersten Lesen von Eugen Ruges Roman gleich daran, einen Film daraus zu machen?
Matti Geschonneck: Nein, das hat sich erst später ergeben. Aber natürlich hat man als Regisseur Bilder im Kopf, stellt sich szenische Situationen vor. Die Figuren haben mich sofort berührt, ich glaubte, sie zu kennen.

Sie arbeiten ja viel für das Fernsehen. Was hat diese Geschichte für Sie kinotauglich gemacht?
Ich hatte schon einige Kinoangebote, die ich nicht angenommen habe, weil mich die Stoffe nicht interessierten. In diesem Fall glaubte ich, mit dieser Roman- und dieser Drehbuchvorlage eine Geschichte erzählen zu können, die ein Kinopublikum findet, weil sie und diese außergewöhnlichen Figuren nicht nur erzählenswert sind, sondern bisher kaum eine Plattform fanden. Vor allem geht es mir aber darum, spannende Geschichten zu erzählen.

Konzeptuell gehen Sie also nicht anders an einen Kinofilm heran?
Nein. In der Arbeit selbst, mit den Schauspielern, richte ich mich immer nach dem Stoff und den Figuren. Der Vorteil beim Kino ist, dass ich etwas mehr Atem habe – nicht zu verwechseln mit mehr Arbeitszeit, die ist genauso eng bemessen wie beim Fernsehen. Dort gibt es hingegen u.a. durch die einzuhaltende Sendezeit in „Formaten“ bestimmte Raster, anders beim Kino, wo man etwas mehr Spielraum hat. Und es ist doch eine andere Rezeption, vielleicht sogar über die Landesgrenze hinaus. Das war mir für diesen Stoff wichtig, nicht nur, weil er meine Herkunft und meine Geschichte betrifft. Zum Glück sahen das der Produzent Oliver Berben, der Verleih und auch das ZDF ähnlich.

Haben Sie überlegt, ob Sie selbst das Drehbuch schreiben wollen?
Nein. Arbeitsteilung gibt einem Film unvorhersehbare Impulse, Außenansichten, die den Stoff bereichern können. Außerdem schrieb hier Wolfgang Kohlhaase das Drehbuch. Mein Beruf ist Regisseur.

Wie haben Sie die Balance von Staats- und individueller Geschichte in den Griff bekommen?
Ich begegnete diesem erfolgreichen Roman von Eugen Ruge, aber auch der Geschichte selbst, mit großem Respekt. Der Film ist keine Abrechnung mit dem System DDR. Er versucht, auf eigene, subtile Weise über die besondere Zeit 1989 zu erzählen. Eine Ehe scheitert, eine Familie löst sich auf, ein System stirbt. Aber eben doch eine Familiengeschichte. Ich versuchte den Figuren, mit ihren sehr eigenen Ambivalenzen und der dunklen, vom Einfluss des Stalinismus geprägten Vergangenheit, mit Zuneigung zu begegnen. Ich habe mich an der Ehegeschichte von Kurt und Irina, großartig gespielt von Sylvester Groth und Evgenia Dodina, orientiert. Das war der dramaturgische Haltepunkt für meine Regie.

Das russisch-deutsche Paar als Vertreter für den Ost-West-Konflikt?
Nein. Die Geschichte der beiden berührt mich einfach sehr. In ihrer ganzen Tragik liegt gleichzeitig Schönheit und Wärme. Sie hält für mich den Film zusammen. Sie erzählt auf ihre Art über die teils unbekannte wirre, scheinbar so siegreiche Zeit.

Ihr Film balanciert auch zwischen Tragik und Komik. Sicher nicht leicht, diesen Ton zu treffen...
Der Roman hat einen eigenwilligen Humor, Kohlhaases Sprache ebenfalls, einen sehr feinen, subtilen Humor, der dann letztendlich in der Umsetzung, vom Regisseur und vor allem den Schauspielern, das richtige Maß finden muss. Das hat nichts mit Magie zu tun, sondern verlangt neben Handwerk auch ein intuitives Herangehen. Die Hoffnung ist dann, dass sich das dem Publikum vermittelt.

Haben Sie mit Wolfgang Kohlhaase auch ganz konkret zusammengearbeitet?
Das zog sich beinahe über vier Jahre hin, in denen wir in ständigem Kontakt waren. Unregelmäßig regelmäßig besprachen wir die jeweiligen Fassungen und Eindrücke. Allmählich kamen Namen von Schauspielern dazu. Filmbeispiele halfen, sich über die Tonalität des Films, die Atmosphäre zu verständigen. Das war eine konstruktive und unaufgeregte Arbeit. Und irgendwann muss der Autor natürlich loslassen und der Regisseur übernimmt, mit Kameramann, Szenenbildner  und allen anderen so wichtigen Mitarbeiten. Und natürlich die Schauspieler.

Das Ensemble ist in der Tat bis in die Nebenrollen beeindruckend.
Es war eine komplizierte, aber auch sehr spannende, letztlich erfolgreiche Suche. In der Umsetzung selbst war das dann wirklich ein Genuss, mit diesen durchweg guten Schauspielern zu arbeiten. Ich mochte sie. Für mich spielt das eine große Rolle.

Manche Schauspieler treten nur kurz auf, und man wünschte sich, noch mehr von ihnen zu sehen. Ging Ihnen das auch so?
Ja, schon. Aber in dieser Geschichte werden Fragen eher gestellt, als sie bis ins Letzte zu beantworten, auch durch die beeindruckenden Lebenswege der Protagonisten. Ich hoffe, das macht den Zuschauer neugierig darauf, was das für Leute waren, die für dieses Land standen, versunkene Menschen, von denen sonst selten erzählt wird. Widersprüchliche, zerrissene Charaktere, Kommunisten, die von ihren eigenen Leuten zehn Jahre ins Lager gesperrt wurden, dennoch an die Idee des Sozialismus, Kommunismus glaubten, diesen Staat DDR aufbauten. Wie dieser verbohrt sarkastische Alt-Stalinist Wilhelm Powileit (Bruno Ganz, Anm. d. Red.), trotz seiner halben Demenz, seherische Momente hat und, wo andere Genossen herumlavieren, mit kurzem Wort ins Schwarze trifft, die politische Situation beschreibt. „Abwärts!“

Interview: Jessica Düster

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