Es war im Frühjahr 1839 als Friedrich Engels seine „Briefe aus dem Wuppertal“ im vom Verlag Hoffmann und Campe verlegten „Telegraph für Deutschland“ veröffentlichte. Der spätere kommunistische Revolutionär und Wegbegleiter des Marxismus beschrieb in seinen Aufsätzen schon sehr früh die Degenerationserscheinungen deutscher Industriearbeiter, Kinderarbeit in den Fabriken, ja die die prekäre Lage der Arbeiterschaft. Im kommenden Jahr feiern die Wuppertaler den unvergessenen Philosophen, der 1820 in Barmen das Licht der Welt erblickte, mit dem „Engels-Jahr 2020“. Zeit, um zu betrachten, wo der weltberühmte Sohn Wuppertals – der sich auch als Textilunternehmer und Journalist verdingte –Spuren hinterlassen hat, wo er heute noch präsent ist – und wo er Nachahmer sucht.
Wie Engels stammt Niema Movassat aus Wuppertal, geboren als Sohn eines iranischen Ingenieurs und einer iranischen Röntgenassistentin. Der 34-Jährige gehört seit zehn Jahren für die Partei Die Linke dem Deutschen Bundestag an. Nachgefragt: Wie viel Engels steckt noch in Wuppertal? „Eine ganze Menge“, meint Movassat, „Marx und Engels haben die Arbeiterbewegung mit ihren Gedanken und Idealen entscheidend beeinflusst und inspiriert. Wie schon zu der Geburt von Engels, sind heute noch die sozialen Gegensätze in Wuppertal vorhanden und es gibt auch heute Menschen, die sich für gute Arbeitsbedingungen, für eine gerechte und demokratische Welt einsetzen.“ Sein Werk würde heute vor allem dort lebendig, wo Menschen sich zusammentun, um etwas zu bewegen.
„Wenn die Schüler*innen von Fridays for Future ‚System change not climate change’ skandieren, steckt dahinter die Einsicht, dass der Wachstumszwang des Kapitalismus Natur und Umwelt zerstört. Wenn die Mieter*innenbewegung fordert Immobilienkonzerne zu vergesellschaften, um etwas gegen die steigenden Mieten zu machen, steckt darin die Erkenntnis, dass im Kapitalismus die Wohnung zur Ware wird, mit der an den Börsen spekuliert wird“, betont Movassat. Oder wenn sich Pflegekräfte dagegen wehrten, dass sie ausgebeutete würden, um Profite zu erwirtschaften anstatt Kranken zu helfen, stecke darin die Erkenntnis, dass im Kapitalismus nicht der Mensch, sondern der Profit zähle. Movassat: „Die Gedanken und Ideen von Marx und Engels sind weiterhin lebendig. In ihren Werken wird keine ideale Gesellschaft vorgezeichnet. Vielmehr sind sie ein hilfreiches Handwerkszeug für alle, die die Gesellschaft verändern wollen. Es ist eine kritische Analyse – die Partei ergreift für die Vielen, die kaum vom gesellschaftlichen Reichtum profitieren.“
Für den Abgeordneten und seine Partei Die Linke seien die Gedanken und Theorien von Marx und Engels in dem Sinne wichtig: „Nicht als starres Gebilde, sondern als etwas was sich weiterentwickelt, anhand der Erfahrungen, die Menschen in ihren Auseinandersetzungen für eine bessere Gesellschaft machen. Wenn sie als starre Ideologie missbraucht werden, um Herrschaft zu rechtfertigen, ist das sicher nicht im Sinne ihrer Begründer und für Die Linke kein Bezugspunkt“, so der Abgeordnete. In einer Zeit, in denen die zunehmende Arbeitsverdichtung, Niedriglöhne und Überlastung im Arbeitsalltag immer mehr zur Normalität werden, scheint es ratsam sich auf Engels zu besinnen – und manche seiner Theorien von einst ins Hier und Jetzt zu überführen.
Rückblick: Nachgehakt – Streiken für das Klima
Sie sind laut und sie sind viele: In Wuppertal streiken – wie in vielen Ländern, Regionen und Städten der Welt – weiterhin Schülerinnen und Schüler unter dem Motto Fridays for Future für ein besseres Klima, so zuletzt am 24. Mai beim globalen Klimastreik zur Europawahl an mehr als 250 Orten alleine in Deutschland. Nach ihrem Gespräch mit Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) zog es die Wuppertaler Schülerinnen und Schüler zu einer gemeinsamen Großdemonstration nach Essen – und zum RWE Campus. Der Energieversorger, der weiterhin auf Braunkohle setzt, ist vielen jungen Menschen ein Dorn im Auge. Sie fordern den Klimawandel jetzt und nicht irgendwann, machen sich für den weiteren Erhalt des Hambacher Forsts stark und fordern als junge Generation ein, die Weichen für ihre Zukunft selbst stellen zu dürfen.
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