Was geht im Kopf eines Kindes oder Jugendlichen vor, der grundlos einen 70-Jährigen angreift und ihn bei einer brutalen Prügel-Attacke lebensgefährlich verletzt? Die sogenannte „Gucci-Gang“ fällt in Wuppertal seit über einem halben Jahr durch zahlreiche Straftaten auf, zuletzt mit dieser grausamen Tat. Ihre Mitglieder variieren und wechseln oftmals; es ist ein loser Verbund von Heranwachsenden. Die Behörden haben die Bande (etwa 15 bis 50 Kinder) im Blick. Doch sie sind oftmals machtlos, denn strafmündig sind nur die wenigsten.
Was läuft schief, wenn Kinder und Jugendliche in Wuppertal derart auf die schiefe Bahn geraten, dass sie anderen Menschen Gewalt antun? Und vor allem: Wie können sie wieder auf die richtige Bahn gebracht werden?
Alleine 2018 registrierte Wuppertals Polizei 1083 Tatvorwürfe gegen Kinder im Alter zwischen acht und 13 Jahren. Die Vorwürfe richteten sich gegen 606 Kinder (männlich 391, weiblich 215, unbekannt 3), wovon 18 mehr als fünf Taten vorgeworfen wurden. Markus Röhrl, seit einem Jahr Polizeipräsident in Wuppertal, kennt die Statistik bestens. Nachgefragt, ob Wuppertal im Vergleich mit anderen Städten hervorsticht, sagt er: „Kinder- und Jugendkriminalität ist kein Wuppertal-spezifisches Problem. Wir haben sie in allen Großstädten. Bei den Tatverdächtigen liegen sie immer um die 20 Prozent.“
Klar sei, dass es für seine Behörde nicht nur darum ginge Straftaten aufzuklären, sondern ebenso präventiv tätig zu sein. Röhrl: „Wenn diese Kinder und Jugendlichen eine kriminelle Karriere entwickeln, aus der sie nicht früh genug rausgeholt werden, werden sie in Zukunft Schäden anrichten, die für die Gesellschaft besonders evident sind. Wenn man ein Problem hat wie mit der Gucci-Gang, dann muss man etwas machen. Das sind verfestigte Strukturen. Da kann man nicht warten, dass sich das irgendwann selbst auflöst. Obwohl es noch kein Markenkern der Gucci-Gang ist: Einige ihrer Mitglieder sind wie im jüngsten Fall zu Gewaltexzessen fähig.“
Die Mitglieder der Gucci-Gang kämen aus Multiproblemmilieus, in denen Sozialschwäche, Arbeitslosigkeit, Drogenkonsum und die Unfähigkeit, Kinder erziehen zu können, Alltag seien. „Das sind nicht überwiegend Kinder aus Migrantenmilieus; es sind sehr viele dabei, die aus originär deutschen Familien kommen“, sagt Röhrl, um falschen Klischees entgegenzuwirken. Speziell für Wuppertal gelinge die Vernetzung zwischen Jugendamt, Schul- und freien Trägern, Polizei und Justiz sehr gut. Gemeinsame Fallbesprechungen seien die Regel. Die Stadt hat mobile Jugendsozialarbeiter eingestellt, die in den Problemvierteln Heckinghausen über den Berliner Platz nach Barmen unterwegs sind.
Es gibt ferner ambulante Hilfen für Familien mit Problemkindern und auch die Einsatzkommission Rosenau der Polizei, ein Kommissariat für Kinder- und Jugendkriminalität. Im Landesprogramm „Kurve kriegen“ der Polizei wurden auch beide Hauptverdächtige der aktuellen Tat betreut – aufgrund von zum Teil bereits über 100 Straftaten. Sie haben sich bereits eine kriminelle Karriere aufgebaut. Die aktuelle Diskussion, die Strafmündigkeit auf 12 Jahre herabzusetzen, ist richtig. Denn dies würde den Behörden, aber ebenso den Kindern, die Chance bieten, sich anbahnenden kriminellen Karrieren in den Anfängen mit voller Härte entgegenzutreten.
Rückblick: Nachgehakt – Fridays for Future – Demonstrieren fürs Klima
„Viele Menschen versuchen die Schulstreiks dahin zu biegen, dass es ums Schwänzen geht – weil sie wissen, dass sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben – aber wir schon“, hat die Klimaaktivistin und Initiatorin der „Fridays vor Future“-Bewegung, die 16-jährige Greta Thunberg, gesagt. Auch wenn der zeitweise aufgekommene öffentliche wie mediale Hype der Klimademos abgenommen hat, gehen Schülerinnen und Schüler in Wuppertal und anderswo in Deutschland und der Welt weiterhin für das Klima auf die Straße. Mobilisiert wird über das soziale Netzwerk Facebook und die Seite „Fridays for Future Wuppertal“. Wann der nächste Demozug durch Wuppertal führt, wird dort bekannt gegeben. Dann heißt es wieder: „Wir streiken für mehr Klimaschutz und sind damit Teil der weltweiten Bewegung.“
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