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Viele Zeichen, ein Gedanke
Foto (Ausschnitt): zwieback 2003 / Adobe Stock

Ran an denFeindFrieden!

29. September 2021

Vom Zweifel und von der Macht der Sprache – Teil 1: Leitartikel

Tote Worte

Die Abendnachrichten brachten es wieder ins Bewusstsein: Irgendwer verlautbarte irgendwo, man rüste sich zum Kampf gegen den Terror oder erkläre einem Nachbar-Staat den Krieg. Warum, so fragte ich mich, rüstet man nicht stattdessen zur Deeskalation oder erklärt das universale Prinzip des Friedens? Weshalb braucht es Friedensverträge, die ein essentielles Lebensrecht wie den Kauf eines Gebrauchtwagens auf einem Blatt Papier abhandeln? Liegt es per se an der Sprache, an limitierten Wörtern, missverstandenen Satzzeichen oder – tiegründiger – an dem burnout-geschädigten Türsteher angelehnt an seinen brüchigen Barhocker unmittelbar vor dem Thalamus (filtert und trennt Informationen zur Vermeidung einer Überbelastung des Gehirns), der nicht mehr in der Lage ist, die Möglichkeiten, sprich Kapazitäten seines Arbeitgebers (des Kleinhirns) realistisch einzuschätzen? Dabei wäre es doch geradezu vorbildlich human, wenn nichts und niemand vom Betreten des ersehnten Zielorts ausgeschlossen wird. Die Pforte zur Erkenntnis stünde weit offen, egal ob für Majoritäten oder Minderheiten. Wahre Inklusion. Doch das macht uns Angst, denn weniger kann niemals mehr aber zu viel, so sagen die Experten, werde in jedem Fall ungesund sein.

Dilemma

Mensch/Un-
Mensch
Ich/Muss
Will/Werde
Habe
Krieg
Hatte
Frieden
Zeit
Wahn/Sinn
Liebe still
Alles geht dahin
In verlorenen Siegen

I/0

Mensch agiert innerhab seiner Ausdrucks- und Eindrucksmöglichkeiten. Dabei spielen Worte eine gewichtige Rolle. Der Anteil des Gesagten erscheint jedoch überproportional zum Gehörten und dessen Auseinandersetzung. Einer Gesellschaft, die vornehmlich mitteilungsbedürftige Sender und deren Botschaften in den Äther schickt, fehlen zunehmend die Empfänger. Hier besteht die Gefahr des Meinungsverlusts. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit lösungsorientierter Debatten. Doch selbst das reicht nicht. Meinungsverschiedenheiten provozieren seit jeher das blutverliebte Ego. Gespräche sollten nicht nur, sie müssen den Frieden gewaltfrei verlautbaren (siehe Marshall Bertram Rosenberg: „Gewaltfreie Kommunikation“). Diese vielleicht größte Form der Freiheit wäre ertrebenswert, bildet aber weiterhin als gut gehütetes Geheimnis einen weißen Fleck in den Regieanweisungen der Talkshows, Demonstrationen, Kundgebungen und Konferenzen. Sonst reicht es nicht einmal beim Klassentreffen zur zweistündigen Eintracht zwischen den Teilnehmern. Das beginnt und endet mit der hart erkämpften Persönlichkeit (Substantiv, nominativ Singular, eine individuelle Eigenart beschreibend, natürlich subjektiv und von Narzissten nicht unbedingt in der Mehrzahl erwünscht). Im Detail steckt bekanntlich der Teufel. Ist der Raum dort so beengt, dass Gott sich hier unwohl fühlt? Jene Unausgewogenheit bietet Nährboden für Baudelaires „Blumen des Bösen“, die prächtig gedeihen und mit romantischem Pessimismus verführen. Hier blüht das Leid.

Mensch/Tier/Mensch

Darf ich also hinter „Frieden“, „Mein Land“, „richtig“, „falsch“, „weiß“, „behindert“, „schwarz“, „schwul“, „Christ“, „Mensch“, „Jude“, „Moslem“, „Auf zu den Waffen“, „Tier“ ein Fragezeichen setzen, oder muss es ein Ausruf sein? Neutralisiert sich die Bedeutung bei toleranter Wertschätzung der Komposita, bekämpfen sie sich gar? Lohnt es sich, dafür in die Schlacht zu ziehen? Verlieren vs. Gewinnen.

Darf es bitte etwas mehr Spielraum im Kosmos der Worte und Meinungen sein? Man habe die Zeichen kommen gesehen, sagen die Leute und wundern sich nicht. Verlernt oder nie gelernt, das Wunder hat es satt, im Unklaren zu überleben, im verschmähten Sprachschatz glanzlos auf der Ersatzbank dahinzuvegetieren und schlicht nicht gebraucht zu werden. Die Hoffnung wird zur reinen Aneinandereihung von Lettern, wenn sie nicht mit Emotionen gefüllt wird. Wir lernen das Sprechen, Schreiben, Rechnen, abzuwägen, bis wir nichts mehr spüren. Wie fühlt sich diese Gleichung an? Doch Gretchens allerletzte Frage lautet: „Willst du oder willst du nicht?“ Die Antwort wird mit dem verspäteteten Regionalzug auf Gleis 741 in den frühen Morgenstunden erwartet. „?“: Am Schluss ein angedeutetes halbes Herz vergeblich wartend, schwebend über unscheinbarem Abgrundpunkt.

 

Blut/Wein

Krieg oder Frieden
Ja/Nein
Schalte ein/Lösche aus
Entscheide jetzt/bald/nie
Sprich/Schweig/Schreib/Redigiere
Entscheidungen getroffen/vermieden
Benetze den Verstand mit Blut/Wein
Erkenne dich als Gigant/Laus
Im Gewand der Schizophrenie
Berichte/Fantasiere
Von deinem Fixstern angestrahlt oder ausgelacht
Entscheidung final um den Verstand gebracht

Im Anfang war das Wort (?)

Memento, die Apokalpyse ist wahre Vision. Sie wächst täglich in mir, dir, uns als Bildnis und Wort. Ist Wachstum denn ein Vergehen? Fakten fressen Fieberträume. Hier sind blutende Uhrmacher am Werk. Ihr Auftrag: „Konstruiere Endzeit. Verlässlich, aber erschwinglich!“ Die Käufer: Wir.

Das friedliche Land kennt keine Gebete. Seine Bewohner entließen Gott wegen seiner Schwächen. Sie wählten Führer. Die Folgsamen gleichen Vögeln. Immer auf der Flucht mit Schwingen brav gestutzt, Angst in den Augen – eternal fear. Weil das Fliegen unter einem faulenden Dach nichts nutzt. Nach oben, unten, seitwärts: Stacheldraht. Die Federn sind schwer wie Blei von betörenden Versen. Ein endloser Refrain im entzündeten Schrei: „Wir/Immer wieder/Wir?“


DEUTSCHLAND OHNE GRÖSSENWAHN - Aktiv im Thema

abruesten.jetzt | Bündnis und Petitionsaufruf gegen Krieg und Militarisierung, wendet sich u.a. gegen eine Erhöhung der Rüstungsausgaben Deutschlands. Mit Beteiligten u.a. aus Politik, Kunst und Wissenschaft.
forumzfd.de | Das Forum Ziviler Friedensdienst mit Sitz in Köln entsendet weltweit zivile Fachkräfte zur Konfliktbearbeitung und kooperiert insbesondere mit der lokalen Zivilgesellschaft.
ramstein-kampagne.eu | Kampagne gegen den US-Militär-Stützpunkt Ramstein bei Kaiserslautern, die insbesondere die Rolle des Stützpunkts für die Nato-Kriegsführung problematisiert.

Fragen der Zeit: Wie wollen wir leben?
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Thomas Dahl

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