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Wer bewacht die Wächer?

POLITIK-LABOR – Ein Thema, drei Schwerpunkte: Aufmacher, Interviews, Europa-Artikel, Glosse und Lokaltexte aus Köln, Wuppertal und dem Ruhrgebiet

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Composing: Robert Michalak
 

Wer bewacht die Wächer? / Schutzlos überwacht
Intro (Link zur Langfassung)

Mehr Sicherheit oder mehr Freiheit? Der Streit, der sich an diesem Gegensatz entzündet, ist aus der Politik nicht wegzudenken. Bekanntlich schlägt unbegrenzte Freiheit in Unfreiheit um, nämlich mindestens in die Unfreiheit der Schwächeren. Aus Sicherheitsmaßnahmen erwächst neue Unsicherheit durch das Risiko, die Macht zu missbrauchen. Die mutmaßlich vom altrömischen Satiriker Juvenal stammende Frage „Wer bewacht die Wächter?“ deutet an, wie ausweglos es ist, Sicherheit zu gewährleisten und Machtmissbrauch auszuschließen. Denn die Frage führt ins Endlose: „Wer bewacht die Wächter der Wächter …?“ Mit Verfassungsschutz, Bundeswehr und Polizei rücken drei maßgebliche Sicherheitsinstanzen ins Zentrum der Debatte. Sie machen durch politische Affären, menschenverachtende Ausbildungspraktiken, Rassismus und Umsturzpläne von sich reden. Von einem konsequenten Vorgehen gegen diese Missstände durch die Politik kann ebenso wenig die Rede sein wie von einer selbstkritischen Tradition dieser Instanzen.

Wer bewacht die Wächer? / Schutzlos überwacht
Teil 1: Polizei

Der Streit um Polizeigewalt ist endlich auch in Deutschland angekommen. Denn es ist keineswegs eine neue Entwicklung, dass Migranten hierzulande in Polizeigewahrsam sterben – und dass die Umstände im Dunklen bleiben. Sogar friedliche Demonstranten sehen sich wiederholt drastischen Polizeipraktiken ausgesetzt. Es hat gedauert, bis Politiker zaghaft Probleme einräumten, nachdem ein rassistischer Polizei-Chat nach dem anderen bekannt geworden ist. Die Öffentlichkeitsarbeit der Ordnungshüter zeichnet dagegen ein kumpelhaftes Miteinander von Bürgern und Beamten. Wen schützt die Polizei? Selbstverständlich: Sie vertritt auch das Gesetz, schreitet ein, klärt auf. Was braucht es, damit genau das alle Menschen von ihr erwarten dürfen?

Wer bewacht die Wächer? / Schutzlos überwacht
Teil 2: Verfassungsschutz

Der Verfassungsschutz soll über verfassungsfeindliche Umtriebe aufklären und diese beobachten. Die Liste kurioser Verdächtigungen ist lang, darunter zugelassene Parteien, demokratisch gewählte Politiker oder frei erhältliche Medien des linken Spektrums, die die herrschende Wirtschaftsordnung kritisieren – was aber angesichts des wirtschaftpolitisch offenen Grundgesetzes (also der Verfassung) keinen Verdacht begründen dürfte. Spätestens mit dem NSU-Skandal ist der Öffentlichkeit bewusst geworden, dass die Arbeit der Sicherheitsinstanz sich ins Gegenteil verkehren kann: Die Vorwürfe umfassen geschredderte Akten, Zurückhaltung von Informationen, gar eine Mittäterschaft von Verfassungsschutz-Mitarbeitern! Was darf und soll der Verfassungsschutz? Wem nützt oder schadet er?

Wer bewacht die Wächer? / Schutzlos überwacht
Teil 3: Bundeswehr

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist der politische und gesellschaftliche Wille gewachsen, die eigene militärische Wehrhaftigkeit zu fördern. Auch die Wehrpflicht wird wieder diskutiert. In den Hintergrund tritt dabei, dass auch deutsche Soldaten im Ausland töten und getötet werden. Wiederholt für Aufsehen sorgen demütigende soldatische Ausbildungsrituale und sogar verschwörerische Zirkel. Unabhängig von solchen Skandalen stellt sich immer die Frage nach Kriegsdienstverweigerung als Menschenrecht: Darf man akzeptieren, dass ein Staat „seine Männer“ daran hindert, vor Krieg zu flüchten? Wie sollte der Verzicht aufs Militär möglich sein, in dieser Welt, die maßgeblich von Kriegen geprägt ist? Wenn es nicht ohne Militär geht – mit welchem Militär ginge es denn?

Wer bewacht die Wächer? / Schutzlos überwacht
Teil 4: Europa gestalten – Vorbild Schweiz

Am Züricher Hauptbahnhof wird Mohamed Wa Baile 2015 von zwei Polizist:innen angehalten – als Einziger und ohne ersichtlichen Anlass. Wa Baile zieht vor Gericht: Er ist überzeugt, dass er aufgrund seiner mutmaßlich fremden Erscheinung kontrolliert wurde, dass er also Opfer von Racial Profiling ist. 2018 entstand rund um seinen Fall die Allianz gegen Racial Profiling, in der sich Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen aus der Schweiz engagieren. Unter dem Motto „Know Your Rights“ informiert die Allianz darüber, wie man anlasslosen Kontrollen argumentativ begegnen kann, sie dokumentiert Fälle, bietet Begleitung zu Beratungsstellen an und veröffentlichte 2019 eine frei zugängliche Studie über Racial Profiling.

Wer bewacht die Wächer? / Schutzlos überwacht
Teil 5: Glosse – Warum Gewaltenteilung, wenn es nur eine Gewalt braucht?

Silvio Stolarski und sein Freund Robert Hut wussten, dass es in der Chefetage nicht mit rechten Dingen zuging. Dann ereignete sich dieser schreckliche Unfall. Nach drei Tagen auf der Intensivstation verstarb Huth. Für die Behörden war und blieb es ein Betriebsunfall. Wenn die Polizei den Mord nicht aufklären wollte, dann würde Stolarski das eben tun. Manchmal beschattete er seinen Chef, verschaffte sich nachts Zugang zu Büros. Das Landesgericht verknackte ihn wegen Hausfriedensbruchs und anderen Vergehen. Ein großer Teil der Bevölkerung steht hinter ihm. Wenn Gewaltenteilung nur zu geteiltem Machtmissbrauch führt, dann muss die Gerechtigkeit von unten kommen.

Ihre engels-Redaktion

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