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Kleine Fluchten
Foto: Sabrina Didschuneit

Zeit und Raum entkommen

26. Januar 2017

Escape-Rooms kurbeln in Draculas Heimat den Tourismus an – Thema 02/17 Weltflucht

Braşov in Rumänien ist eine Stadt mit vielen Geschichten. Fremde sehen das schnell. Gleich drei Sprachen kündigen den Stadtnamen am Ortseingang an. „Kronstadt“ erinnert dabei an deutsche Bezüge: Deutschordensritter gründeten die Stadt im dunklen Mittelalter, später kamen Siedler aus dem Westen, Peter Maffay und eine Miss Germany wurden in Braşov geboren. Doch die Vergangenheit ist hier, wie oft im Osten Europas, auch eine Last. Quälend lange brauchte Rumänien, um sich von der Zwangsherrschaft des Diktators Ceaușescuzu erholen. Bis vor kurzem wirkte die Stadt mit ihren bröckelnden Gründerzeitfassaden so, als hätte das 20. Jahrhundert eine ordentliche Portion Traurigkeit über einer schwäbischen Kleinstadt ausgeschüttet. Stalinstadt. Diesen Namen trug Braşov auch einmal.

Geschichten sind aber auch das große Kapital von Braşov. Vor allem der Name Dracula lockt Fremde in die Gegend mit dem markanten Namen Transsilvanien. Zwar war Bram Stoker, der irische Schöpfer der weltbekannten Vampirfigur, nie in der Region. Auch ist umstritten, ob der von seinen Gegnern übertrieben blutrünstig dargestellte Graf Vlad III. Drăculea wirklich als Vorbild für Stokers Roman diente. Irgendwie ist das aber auch egal. Drăculeas angebliche Heimat, das 30 Kilometer südlich von Braşov gelegene Schloss Bran, strahlt einfach das perfekte Gruselambiente aus. Das zieht Menschen aus der ganzen Welt an: Den Begriff dracula tourism findet man inzwischen bei Wikipedia und AirBnB verloste gerade mit großem Marketing-Tamtam exklusive Nächte auf der dunklen Karpatenburg.

Doch auch in Braşov hat man entdeckt, dass Grusel, Legenden und Tourismus eine unschlagbare Mischung sind. Überall sprießen Escape-Rooms aus dem Boden. Es ist ein Trend, der sich von Japan kommend über Budapest rasend schnell in Europa verbreitet. Ganz vorne mit dabei: Braşov. Zahlreiche Etablissement versprechen hier mit Namen wie „Mystery“ oder „Obscuria“ die schnelle Flucht aus der Gegenwart. Paradoxerweise haben die Themenräume dann das Ziel, genau dieser Parallelwelt möglichst schnell wieder zu entkommen.

Der „Dracula Family Room“ gehört dabei natürlich zum Pflichtprogramm. Doch auch andere Themenbereiche freuen die Besucher: „Enygma“ stellt Mystery-Rätsel, „Legacy“ schickt die Besucher auf die Suche nach einer Schatz-Truhe, die ein reicher Erbe hinterlassen hat, „Journey“ entführt in die Grabeskammer einer antiken Pyramide. „Eine ideale Teambuildingmaßnahme für jede Firma“, frohlocken die einheimischen Besucher. „Spannender als jedes Schloss und jede Kirche“, lobt ein amerikanischer Tourist. Die Gästebucheinträge sind erstaunlich international.

Wer dem Escape-Room entflieht, landet dann tatsächlich in der Gegenwart: Die inzwischen wieder sehr pittoreske Innenstadt von Braşov. Dort lohnt ein Blick in den Himmel. Die Buchstaben, die auf einem Hügel hoch über der Altstadt den Stadtnamen formen, erinnern an Hollywood.


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