Nach all den Jahren – knapp 25 dürften es inzwischen sein – und all den Stilwandlungen: Am Gesang erkennt man The Notwist immer. Gerade beim neuen Album „Close to the Glass“ ist das stellenweise aber wirklich der einzige Anhaltspunkt: Elektronische Sounds und komplexe Rhythmen stehen sehr im Vordergrund. Minimal Music ist sicher ein Bezugspunkt, dazu gerne auch mal Streicher und Kopfstimme. Mitunter bricht der alte Indie-Rock durch, aber insgesamt haben die integeren Süddeutschen mit ihrem siebten Album wieder vieles erneuert, ohne sich komplett zu verlieren. Darf man sie die deutschen Radiohead nennen, oder ist das doof? Tolles Album von tollen Typen (City Slang). Xiu Xiu ist vor allem das Projekt von Jamie Stewart. Der ist nicht nur für die Kompositionen verantwortlich, sondern prägt die Stücke auch mit seinem düster-pathetischen Gesang. Ähnlich wie Zac Pennington von den Parenthetical Girls, mit denen Xiu Xiu auch verbunden sind, steht der extrovertierte Stewart im Mittelpunkt eines theatralen Auftretens. Allerdings klingen Xiu Xiu noisiger und elektronischer. Das gilt für das neue, neunte Album „Angel Guts – Red Classroom“ mehr denn je. Toll, aber wirklich beängstigend! Das kann man ruhig neben Scott Walkers Spätwerk einsortieren (Pias).
Die Österreicher Ja, Panik widmen sich mit ihrem neuen Album „Libertatia“ zumindest klanglich dem glatten Indie-Pop der 80er Jahre. Mit ihrem englisch-deutschen Sprachgemisch, das an die erste Platte von Cpt. Kirk &, der alten Band ihres Produzenten Tobias Levin erinnert, lassen sie immer wieder aufhorchen. Das Badewannen-Video zur ersten Single „Libertatia“ ist natürlich auch sehr besonders (Staatsakt). Wenn der Hamburger Dada-Elektroniker Felix Kubin und die Warschauer Big Band Mitch & Mitch zusammentreffen, dann swingt es elliptisch: schüchterne Bläser, wackelige Rhythmen, knarzig fiepsende Elektronik und der ein oder andere Gesangspart, der aus den Zeiten der deutschen New Wave stammen könnte. Damals war Kubin als frühreifer 12-Jähriger auch schon aktiv. „Bakterien & Batterien“ heißt das Album (Gagarin).
Tinariwen ist eine Tuareg-Band aus Mali, die eine Art Wüstenblues mit verzerrten E-Gitarren macht. In den frühen 80er Jahren haben sie sich gegründet, erst spät kamen erste Plattenaufnahmen zustande, die dann auch ihren Weg in die westliche Welt fanden. Ihr neues Album „Emmaar“ schlägt wieder einen melancholischen Tonfall an, klingt dabei aber sehr entspannt (Wedge). „Haiti Direct“ präsentiert „Big Bands, Mini Jazz & Twoubadou Sounds, 1960 – 1978“. Das klingt als Untertitel spannend, und die 27 Stücke auf den zwei CDs erfüllen die Erwartungen vollkommen. Compas bzw. Compas Direct nennt man diese vielfältigen, beschwingten karibischen Klänge jenseits aller Klischees, die eine Erneuerung des Merengue darstellten (Strut). Der kanadische Komponist Lubomyr Melnyk hat mit seiner Continous Music genannten Variante der Minimal Music ein neues Subgenre begründet. Es basiert stilistisch vor allem auf einer hohen Anschlagfrequenz, die sich zur zunehmenden Überlagerung der Einzeltöne verdichtet. Sein neues Album „Windmills“ enthält zwei lange Stücke für zwei Pianos, die das Prinzip eindrucksvoll veranschaulichen. Auf melodischer Ebene ist Melnyk an den ruhigeren Stellen eher an romantischen Vorbildern orientiert (Hinterzimmer).
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