Jugend und frischer Wind – das scheint zusammenzugehören. Erfolgsgeschichten junger Unternehmen erzählen von Produkten oder Diensten, die Überkommenes über Bord werfen. Da ist Skepsis gewiss, aber auch Sympathie: Mit Traditionen zu brechen, wird jungen Menschen zugestanden. Das ist bei romantischen Märchen vom letztlich siegreichen Däumling nicht so anders als beim jungen Underdog von heute, der mit Witz und Ausdauer zum Superstar wird. Verheißt dann eine Idee noch Steuergeld und Arbeitsplätze, riechen Bedenken schnell nach Bremsen. Die Erzählung vom hoffnungsvollen Aufbruch ins Leben ist eingängig und verführerisch.
Junge Geschäftsideen gibt es viele. Manches wird auch ausgezeichnet: Der Wuppertaler Wirtschaftspreis etwa ehrt jährlich auch ein Jungunternehmen. 2014 gewann ein Cocktailmixer: Er war auf die Idee gekommen, nach Anruf zu mixen und den Shaker beim Kunden zu schwingen. In unter vier Jahren bis zu 25 Mitarbeiter, freilich temporär und nach Bedarf, und von drei Fahrzeugen auf 25: Solche Expansionszahlen machen preiswürdig. Scheint eine Idee nun verrückt oder zukunftsträchtig: Generell sind Start-up-Stories besonders beliebt, wenn beides zusammen kommt. Wenn schräg Gedachtes sich als sinnig erweist, als ausbaufähig bis zur Serienreife. Erfolg gibt Schnapsideen recht.
Doch auch frischer Wind trifft auf Widerstand. Gerade staatliche Vorgaben sind hartnäckig und für Neulinge oft überraschend. Umweltauflagen, arbeitsrechtliche Standards und vieles mehr bremsen die Stürmer, und mancher streicht im Kampf gegen die Bürokratie irgendwann die Segel.
Nun ist „Bürokratie“ ein tückisches Wort. Es unterstellt Selbstzweck, sobald Vorschriften stören. Wer gegen die so sympathische Jugendlichkeit auf Verantwortung pocht, steht schnell in der Ecke der Zukunftsverweigerer.
Das ist Wasser auf die Mühlen der Forderung nach „weniger Staat!“. Ein traditionsreicher Wortführer ist da der bundesweit agierende Verband Die jungen Unternehmer. Sein Furor gegen Wirtschaftsschranken hat derzeit die „Umweltbürokratie“ im Visier und führt auch zu schrägen Klagen: „Statt an die junge Generation zu denken und das Klima zu schützen, steht immer noch primär der Ausbau der Erneuerbaren im Fokus“, liest man auf der Homepage – als wären erneuerbare Energien gleich auch noch der klassische Klimakiller.
Jedem Ruf nach Freiwilligkeit ist Applaus gewiss – doch er übertönt, was damit verloren ginge: Verlässlichkeit, Sicherheit, Einhaltung moderner Standards, die uns eigentlich auch wichtig sind. Das gilt bei weltweiten Streitthemen wie Pflicht zur Krankenversicherung, aber es gilt auch für junge Privatwirtschaft: Wer es jedem coolen Café-Konzept anheimstellen würde, auf Gästetoiletten zu verzichten, stünde bei einem dringenden Bedürfnis schneller vor massenhaft klofreien Kneipen als er „Freiheit“ sagen könnte.
Meint Freie Marktwirtschaft die Freiheit zum Handeln – oder eher Freisein von Pflichten? Es sind alte Fragen, aber bei Pionieren in digitaler Zeit stellen sie sich akut. Sieht gerade ein Jungspund mit Ideen sich hierzulande gebremst von Vorschriften, geht der Blick schnell in die USA oder andere Weltgegenden, die ihr Heil möglichst brutal in der Deregulierung suchen.
Doch mit der weltweiten Vernetzung haben ja auch progressive Konzepte zumindest die Chance, international zu werden. Beispiele zeigt etwa newsgreen – dahinter steht die aus Wuppertal stammende Diana Kinnert –, eine Plattform, die „grüne“ Meldungen verbreitet. Neueres Beispiel: Junge Finnen entwickelten eine Dusche mit Sofortfilter, die jedes Mal den Wasserverbrauch von 100 auf 10 Liter reduzieren will. Das Konzept läuft unter „Open Source“ und kann frei weiter entwickelt werden. Gerade hat es im Rahmen der renommierten „GreenTec Awards“einen Preis gewonnen – hinter dem übrigens ein deutscher Privatsender steht. Frischer Wind aus wechselnden Richtungen.
Trotz aller Chancen für engagierte Jungfirmen: Was sich durchsetzt, entscheidet bekanntlich der Käufer – und soweit dieser sich am Preis orientiert, bleiben faire Geschäftskonzepte ein Spiel mit hohem Risiko. Auch marktkonformes Handeln schützt freilich vor Scheitern nicht: Die von hiesigen BWL-Absolventen gegründete Limonadenmarke „LIWO“ hatte schnell moderne Biz-Methoden gelernt, die Produktion kostengünstig ausgelagert, schick auf das Merkmal „wissenschaftlich“ gesetzt und zuletzt obendrein auf „vegan“. Doch als der überregionale Erfolg ausblieb, musste man schweren Herzens verkaufen. Immerhin mit zeitgemäßen Mitteln: Marke und Warenbestand gingen diesen Juli an einen Nachfolger – per Versteigerung auf Ebay.
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