Manche mögen sich wundern, wenn in der zweiten Januarwoche oder noch später Weihnachtskonzerte veranstaltet werden. Viele haben nämlich bereits ihre Weihnachtsmänner, Räuchermännchen und Engel bis zur nächsten Adventszeit in den Zwangsurlaub geschickt. Lametta, Sterne, Kugeln & Co sind eingelagert. Die Tannenbäume wurden zur Entsorgung seitens der Müllabfuhren vor die Haustür gebracht. Doch nix da, die Weihnachtszeit ist im kirchlichen Sinn noch nicht vorbei. Die orthodoxen Kirchen, die den julianischen Kalender benutzen, feiern am 7. Januar Weihnachten. Epiphanias gilt für die orthodoxen Kirchen nach dem gregorianischen Kalender. Für die Protestanten dauert sie bis zum vierzigsten Tag, Mariä Lichtmess genannt, also bis zum 2. Februar. Dieser Tag gilt nur für wenige Regionen der katholischen Kirche, für die überwiegend am 6. Januar Schluss ist.
Demnach passt die Präsentation der letzten drei Teile des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach genau in den ersten Monat eines jeden neuen Jahres, die der Komponist für den Neujahrstag, den ersten Sonntag nach Neujahr und Epiphanias geschrieben hatte. Inhaltlich geht es darin um die Namensgebung Christi (bei mehreren christlichen Konfessionen „Beschneidung des Herrn“ genannt) und den Besuch der Weisen aus dem Morgenland. Zur Aufführung dieser vertonten Ereignisse kurz nach Christi Geburt pilgern die Musikfreunde in Scharen und sorgen für eine fast ausverkaufte Immanuelskirche.
Packende Stimmen
Vielleicht mag es einige verwundern, dass es sich um ein quasi kammermusikalisches Weihnachtskonzert handelt, werden doch in der Regel große Oratorien und Passionen oder Teile daraus von großen Chören vorgetragen. Dagegen ist an diesem Abend mit rund nur 30 Sängern der Kammerchor „amici del canto“ auf der Orgelempore präsent. Aber er demonstriert eindrucksvoll, dass solche Werke auch mit kleiner Besetzung großartig klingen können. Das liegt vor allem an den harmonischen und sattelfesten Stimmen aller Gruppen. Stets ist der Gesamtklang differenziert vom Pianissimo bis hin zum Fortissimo. Feine Phrasierungen und eine klare Artikulation runden die packenden Gesänge ab.
Auch die Gesangssolisten überzeugen. Tenor Leonard Reso wird der Rolle des Evangelisten voll gerecht und trägt seine beiden Arien ergreifend vor. Luke Stoker überzeugt mit einem ebenmäßigen Bass. Diesen hohen Qualitäten steht Elisa Rabanus mit ihrem Sopran in nichts nach, gestaltet etwa die Echo-Arie ungemein anrührend. Die für die Altstimme vorgesehenen Passagen übernimmt Anja Paulus, die laut Biografie auf ihrer Website eine lyrische Sopranistin ist. Es wundert also nicht, dass sich ihre unüberhörbar professionelle Stimme trotz großer Akkuratesse in der für sie tiefen Stimmlage nicht immer gegenüber den Orchesterklängen durchsetzen kann und im Terzett „Ach, wenn wird die Zeit erscheinen“ wie im Quartett „Was will der Höllen Schrecken nun“ gegenüber ihren Solopartnern ein wenig zu leise ist.
Das Publikum singt mit
Die Kammerphilharmonie Wuppertal passt sich der Größe des Kammerchors mit einer angemessen kleinen Besetzung an: je drei erste und zweite Geigen, je zwei Bratschen und Celli sowie ein Kontrabass. Sie glänzt mit nuancierten Vorträgen. Auch solistisch glänzen einige Orchestermitglieder mit einem in allen Belangen exzellenten Spiel. Dabei ist Chorleiter Dennis Hansel-Diner dank seiner umsichtigen und präzisen Leitung den Choristen, Sängern und Instrumentalisten ein verlässlicher Dirigent.
Die Zuhörer, die zwischendurch eifrig die eingefügten Weihnachts- und Neujahrslieder mitsingen, zeigen sich zu Recht hellauf begeistert. Fußgetrampel auf der Empore und nicht enden wollende stehende Ovationen sind das verdiente Resultat. Der Anfang des Eingangschors „Jauchzet frohlocket“ aus dem ersten Teil des Weihnachtsoratoriums rundet schließlich als Dreingabe das erstklassige Weihnachtskonzert ab.
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