Das erste, der in ihrer funktionalen Schlichtheit unprätentiös daherkommenden Bühnenbilder von Jürgen Lier entführt uns in ein Kino in Buenos Aires. Am 26.Juli 1952 erlebt dort der Student Che, wie die Filmvorführung unterbrochen und der Tod Eva Perons verkündet wird. Bestürzt verlassen die Menschen das Kino, nur Che bleibt nachdenklich zurück. Fortan führt er uns in „Rückblenden“ durch das kurze Leben der 1919 geborenen und in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsenen Eva Duarte, die mit 15 Jahren eine Affäre mit einem in die Jahre gekommenen Barsänger beginnt und mit ihm nach Buenos Aires geht. Dort schläft sie sich langsam nach oben, wird als Sängerin ein Radiostar und ergattert auch ein paar kleine Filmrollen. Als sie den Offizier Juan Perón kennenlernt, erkennt sie in ihm, was den Ehrgeiz nach Höherem angeht, einen Seelenverwandten, verdrängt seine Geliebte und heiratet ihn 1945. Sie ebnet ihm den Weg zur Präsidentschaft, indem sie die Arbeiter für ihn mobilisiert. Der einen Mittelweg zwischen Kommunismus und Kapitalismus suchende „Peronismus“ wird nicht nur in Argentinien misstrauisch beobachtet. Perón schickt daraufhin seine charismatische Frau auf „Goodwill-Tour“ nach Europa. Nach ihrer Rückkehr werden die innenpolitischen Schwierigkeiten immer größer. Als Eva erkennt, dass sie die angestrebte Vizepräsidentenwahl nicht gewinnen kann, schiebt sie ihre Krebserkrankung vor, um sich zurückzuziehen, macht so aus der drohenden Niederlage einen letzten Triumph...
Andrew Lloyd Webber hat sich mittlerweile zum erfolgreichsten Musical-Komponisten aller Zeiten entwickelt. Dass dieser Erfolg viel mit einer geschickten Marketing-Strategie zu tun hat, zeigt schon die Entstehungsgeschichte seiner Pop-Oper „Evita“, die 1976 als Konzeptalbum erschien und deren Song „Don't Cry For Me Argentina“ schon bald die Hitparaden stürmte. Erst 1978 entschloss sich Webber zu einer Dramatisierung des Stoffes, die inzwischen zum Repertoire vieler (Musical-)Bühnen gehört.
„Che“ wird von dem aus Wuppertal stammenden Musical-Star Patrick Stanke – der sich auch schon als Musical-Regisseur einen Namen gemacht hat – zwar mit wohltemperierter (Gesangs-)Stimme interpretiert, lässt aber im Spiel jenen Zynismus vermissen, der seine Figur eigentlich prägt. Kristina Stanek gibt ihrer „Evita“ dagegen genau jene zwischen Verletzlichkeit und Machtgier angesiedelten Persönlichkeitsstruktur, deren „Eiseskälte“ besonders im berührenden Duett („Another Suitcase in Another Hall“) mit der ebenfalls überzeugenden Annika Boos (als Peróns Geliebte) einem Schauer über den Rücken laufen lässt. Überhaupt versucht Aurelia Eggers präzise Inszenierung möglichst tief in den Charakter Evas einzudringen, die „Lichtgestalt“ zu entzaubern, ohne sie zu verdammen. Leider können die auch von Eggers einstudierten Choreographien mit ihren Regie-Künsten nicht mithalten, wohl aber das Sinfonieorchester Wuppertal unter der Leitung von Tobias Deutschmann, das den Abend auch zu einem musikalischen Genuss macht.
Evita | Opernhaus Wuppertal | 21.12. 19.30 Uhr (P), 29.12. 18 Uhr, 31.12. 20.30 Uhr | www.wuppertaler-buehnen.de
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