Die beiden Damen mit den Nachnamen Reich und Fluth kennen sich sehr gut, führen sie doch mit ihren Gatten in Windsor erfolgreich ein Pelzgeschäft. Als sie jeweils einen Liebesbrief mit gleichlautendem Text vom abgebrannten Ritter Sir John Falstaff erhalten, schmieden sie Pläne, wie man mit dem Lebemann Streiche spielt. Dann gibt es noch den krankhaft eifersüchtigen Gatten Fluth, der zur Raison gebracht werden soll. Damit aber nicht genug. Anna, Tochter der Reichs, soll anständig unter die Haube gebracht werden. Während der Vater Junker Spärlich für den optimalen Stiefsohn hält, bevorzugt die Mutter den Franzosen Dr. Cajus. Doch die junge Frau ist über beide Ohren in den armen Fenton verliebt, der wie sie gegen die Ausrottung von Tieren ist und diese Überzeugung als Aktivist in der Öffentlichkeit demonstrierend kundtut. Der passt aber natürlich nicht zu den auf Profit bedachten Eltern. Es ist also mächtig was los auf der Bühne des Wuppertaler Opernhauses.
So lange ist es noch nicht her, dass sich die Damen von Welt mit edlen Fellen schmückten, um damit ihren Reichtum zur Schau zu stellen. In diese Zeit hat Regisseurin Anja Kühnhold die komisch-fantastische Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Otto Nicolais gelegt und die Handlung kurzweilig-unterhaltsam inszeniert. Zu dem erfrischenden Spektakel sorgt Anna Sophia Blersch für passende fantasievolle Kostüme und Bühnenbilder. Es gibt keinen Stillstand, alles ist in Bewegung. Die Augen des Publikums werden ohne Unterlass stark in Anspruch genommen, damit es ja keine Kleinigkeit verpasst: wie die Streiche gespielt werden, Falstaff als Sieger aus einem Wettsaufgelage hervorgeht, Herr Fluth von seiner Eifersucht geheilt wird, Anna klammheimlich ihren Liebsten heiratet. Die Protagonisten, Nebendarsteller und der Opernchor zeigen sich darstellerisch bestens aufgestellt. Sie wuseln durch die Gegend und spielen ihre mit Komik gespickten Rollen herzerfrischend glaubhaft.
Auch die Ohren können sich wohl fühlen, denn zum bunten Treiben gibt es niveauvolle Gesänge. Sopranistin Margaux de Valensart und Mezzo Edith Grossman verkörpern mit ihren sattelfesten Stimmen glaubhaft die Damen Fluth und Reich, die mit Frauenpower ihr ausgeklügeltes Konzept erfolgreich durchführen. Natalia Labourdettes Sopran spiegelt nachvollziehbar die widerborstige Anna wider, die standhaft ihren Eltern trotzt. Sangmin Jeon ist ihr Herzblatt Fenton, dessen strahlender Tenor sowohl den Revoluzzer als auch den unsterblich Verliebten ergreifend zum Leben erweckt. Zachary Wilson kräftiger Bariton passt zum wütenden Herrn Fluth wie der Bass von Erik Rousi zum dicken Falstaff. Auch die anderen Sänger und der Chor singen ihre Partien mit ausgewogenen, variablen Stimmen. Unter dem umsichtigen Dirigat von Wuppertals erstem Kapellmeister Johannes Witt bringt dazu das Sinfonieorchester Wuppertal die Musik kultiviert-schwungvoll zum Erklingen. Die Balance zwischen Bühne und dem Orchestergraben stimmt bis auf ganz wenige etwas zu laute Instrumentalklänge. Das Publikum hat viel Freude an dem bunten Geschehen, spendet viel Zwischenapplaus und bedankt sich mit stehenden Ovationen.
Die lustigen Weiber von Windsor | 7.7., 8., 22., 29.9., 8.11., 31.12. | Opernhaus Wuppertal | 0202 563 76 00
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