Hendrik
Rüschkamp, EMo-begeisterter Opel-Händler: „Der Anfang
war frustrierend.“
Was braucht ein Land mit Hang zur Spitzentechnologie eigentlich, damit Elektromobilität auch endlich auf der Straße ankommt? Für Rainer Bomba, Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, ließ sich die Frage auf ein wichtiges Vehikel reduzieren: „Deutschland wartet auf den Elektro-Golf.“ Das war vor drei Jahren, als die Bundesregierung noch einmal 180 Fördermillionen in die Hand nahm, um die Zukunft des Straßenverkehrs in den Alltag zu bringen. Inzwischen ist der Klassenprimus seit einem Jahr mit lautlosem Stromantrieb kaufbar – so wie eine Reihe ausentwickelter Konkurrenzmodelle. Und?
Ein sonniges Mai-Wochenende. „Auto-Frühling“ nennen die Händler die schöne Gelegenheit, sich mit neuesten Modellen zu zeigen und dem Kunden Appetit zu machen. So zum Beispiel in der Gelsenkirchener Einkaufsmeile: 95 unterschiedlichste Modelle haben die lokalen Niederlassungen auf 400 Metern Schlenderstrecke aufgeboten. Allein der örtliche VW-Händler ist mit zwölf Fahrzeugen präsent – von den Wolfsburger E-Modellen „Golf“ und „up!“ allerdings keine Spur. „Wie kann das sein?“, fragt man einen der Verkaufsberater, worauf dieser feststellt, dass es sich um eine gute Frage handele. Soll wohl so sein. Und wer entschieden habe, kein Elektro-Auto mitzubringen? „Naja, ich denke, unser Betriebsleiter.“
Hendrik
Rüschkamp, EMo-begeisterter Opel-Händler: „Der Anfang
war frustrierend.“
Ähnlich läuft’s am Stand von Ford, das den Focus Electric schon im Herbst 2013 als erstes Großserienfahrzeug auf den Markt brachte. Anschauen, anfassen, beriechen oder gar probefahren – Fehlanzeige. „Das Interesse der Kundschaft ist nicht so riesig“, räumt der junge Betreuer am Stand ein. Man denkt spontan: Bei diesem Eifer auch kein Wunder. Erst gar nicht angetreten ist der lokale Mercedes-Händler, der ja immerhin Smart und neuerdings auch die B-Klasse als „Voll-Stromer“ vorzeigen könnte. Und BMWs i3 ist lediglich deshalb in der Einkaufsmeile präsent, weil Sparkasse und der Energieversorger ELE ihre „Vorzeigestücke“ mitbrachten. Die sind so gut frequentiert, dass die anderen Aussteller schamrot anlaufen könnten… wenn sie’s denn sähen. Eine abschließende Zählung ergibt, dass sich unter den 95 vorgestellten Autos vier „echte“ Strommobile und drei Hybride finden. Und in der Woche darauf wird mal provokant bei einzelnen Händlern nachgefragt: „Was muss ich eigentlich tun, damit Sie mir ein Elektro-Auto verkaufen?“ Man möge sich bitte beim Bochumer Kollegen melden, sagt der örtliche BWM-Verkäufer prompt.
Die regionale Recherche offenbart zwei gewichtige Problemfelder. Kann es sein, dass die Massenhersteller Elektroautos vor allem im Programm haben, damit sie in der CO2-Bilanz ihrer Antriebs-Mixe günstiger dastehen – die echten Verkaufsbemühungen aber nicht so wichtig nehmen? Ihre Händler aus diversen Gründen auch eher zum Jagen getragen werden müssen? „Diese Einschätzung ist natürlich richtig“, sagt Hendrik Rüschkamp als Branchen-Insider. Der Opel-Mann mit weiteren Marken und insgesamt fünf Standorten im Großraum Dortmund ist einer der Wenigen, die sich bereits seit Jahren intensiv um die Elektromobilität kümmern: Car-Sharing, Sonderaktionen, Fahrschul-Unterstützung – „im Rhein-Ruhr-Raum kenne ich eigentlich keinen Händler, der da richtig mitmacht.“
Rüschkamp zählt aber auch die real existenten Hindernisse auf. „Bisher waren die Margen sehr überschaubar, so dass es für Händler sehr riskant ist, in Lagerware zu investieren, deren Abverkauf lange dauert.“ Zudem brauche man nicht nur den kostbaren Platz im Showroom, sondern auch Werkstatt-Kapazitäten für den Service und entsprechend ausgebildetes Personal. Noch etwas: „Den Corsa verkaufe ich in einer Stunde, für das E-Mobil muss ich mit zehn Stunden Aufwand rechnen.“ Dennoch bleibt Rüschkamp bei der Stange: „Elektroautos sind eine Möglichkeit, ökonomisch und ökologisch zur Ressourceneinsparung beizutragen. Vorerst noch für Menschen, die es sich leisten wollen, nicht auf den letzten Euro zu schauen.“ Einen Elektro-Kastenwagen von Peugeot hat er etwa an den Bischof in Münster geliefert.
Das Finanzargument ist gewichtig, stimmt aber so nicht mehr. Renault Witzel in Bochum lässt beispielsweise durchblicken, dass man den „Zoe“ nicht nur zur 48-Stunden-Probefahrt bereitstelle, und signalisiert auch im Preis erhebliche Bewegung. BMW offeriert nach IHK-Angaben ein 24-Monats-Leasing „zu sehr interessanten Behördenkonditionen“. Selbst den Tesla gab es in diesem Frühjahr als Leasingmodell für Geschäftsführer und Unternehmensvorstände, das „20 Prozent günstiger war als das von Sixt“. Zudem kommen allmählich Tageszulassungen und Vorführwagen auf den Markt: Das Mitsubishi „Electric Vehicle“ (früher: iMieV), vor einem Jahr bereits um 5.500 Euro auf knapp 24.000 Euro verbilligt, wurde in der Gelsenkirchener Einkaufszone mit 1500 gefahrenen Kilometern und 18.890 Euro angeboten. ELE fördert den Erwerb mit 500 Euro. Und Hendrik Rüschkamp überlegt, sinnvolle Pakete für Gewerbekunden zu schnüren, die neben dem Elektroauto auch Solaranlage und Ladestation enthalten.
Summasummarum: Elektromobilität zu beflügeln, bedeutet weiterhin das Bohren dicker Bleche. Aber Probefahrten mit dem i3 oder Zoe zu vereinbaren, war dann wiederum ganz simpel. Wenn man sich denn endlich durchnavigiert hatte …
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