Im wahrsten Sinne des Wortes angeschissen ist der Maulwurf. Bekanntermaßen lebt dieses fehlsichtige Pelztier überwiegend unter der Erde. Und wer ihm da immer auf den Kopf macht, das möchte er eines Tages gerne herausfinden. In seiner Adaption des Kinderbuchhits „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ von Werner Holzwarth und Wolf Erlbruch geht das Tecklenburger Krokodil Theater dieser Frage mit hohem Unterhaltungswert nach. Regisseur und Komponist Dietmar Staskowiak sowie Spielerin Hendrikje Winter verwandeln die Buchvorlage zur Detektivgeschichte. Und das junge Publikum darf mitfiebern und miträtseln, ob es nun der Hoppelhase oder die Entertainment-willigen Touristen Schwein und Kuh sind, die ihre Notdurft auf des Maulwurfs Kopf verrichtet haben. Hendrikje Winter unterstreicht in der Produktion ihr Können als Figurenspielerin ebenso wie gesangliche und sprachliche Qualitäten. So berlinert manches Tier, wird tiriliert oder im tiefen Bass gemurmelt. Ein Professor analysiert die verschiedenen Kothaufen und erinnert damit an einen gewissen fernsehberühmten Literaturpapst. Bemerkenswert ist auch der trickreiche Figuren- und Kulissenbau des Krokodil Theaters.
Mirja Boes ist Serienheldin aus Sitcoms („Die Dreisten Drei“), mit verschiedenen Comedy-Preisen ausgezeichnet und bei ihren Fans ein Garant für Attacken auf die Lachmuskeln. Ihre Geschichten sind oft alltägliche Momentaufnahmen, und weil die bekennende „Hello Kitty“-Freundin offensichtlich einiges erlebt, hat sie viel zu erzählen. Ein echtes Pfund, mit dem sie dabei wuchert, ist ihre burschikose, große Klappe. Oder wie sie sich selbst mal beschrieb: „Ich bin ja eher deftig.“ Dass sie dabei kein Problem hat, über eigenes Versagen und Scheitern zu erzählen, bringt ihr zusätzliche Sympathiepunkte ein. In der aktuellen Show widmet sie sich mit gewohnter Säuselstimme, Unschuldsblick und Wortwitz bemerkenswerten Facetten des Lebens. Die Idee und der Titel „Ich doch nicht“ sind in der Phase ihrer Schwangerschaft und der Zeit danach entstanden. Da sah sie andere Mütter, wunderte sich über deren gluckenhaftes Betüddeln und babyhaftes Getue und dachte sich: „Ich doch nicht“. Und stellte nach der Geburt ihres Sohnes fest, dass sie genauso gaga ist wie die anderen.
„Wollen Sie sich heute Abend mal richtig schön langweilen, so drei Stunden lang?“, begrüßte Hagen Rether beim Gastspiel im vergangenen Herbst sein Publikum. Jetzt kommt er mit dem Programm „Liebe“ nach Solingen. „Wutbürger sind die, die gegen Fluglärm demonstrieren. Aber kaum erkennen sie einen Brückentag im Kalender, fliegen sie nach Mallorca.“ Mit Sprüchen wie diesen erntete der 1969 in Bukarest und inzwischen in Essen lebende Rether viele Lacher. Dass seiner Meinung nach „Wut die Schwester der Angst ist und Zorn eine Mischung aus Ohnmacht und Wut“, blieb dann applaus- und lachtechnisch unkommentiert. Beides zusammen war typisch für den mit wichtigen Szene-Preisen Ausgezeichneten: Er liefert nur vordergründig leicht Verdauliches. Hinter den als Schenkelklopfern getarnten Sprüchen („Männer saufen 30 Jahre Bier und wundern sich, wenn sie mit 50 einen Busen haben.“), lauert fast immer bloß das Ziel, seine Zuhörer wach zu machen. Scharfsinnig und scharfzüngig verlangt Rether seinem Publikum viel in Sachen Konzentration ab. Er wendet seinen Blick auf Krisen in Syrien oder Griechenland „und wir hier stellen uns die bange Frage, ob ‚Wetten, dass ...’ noch zu retten ist.“ Lapidar, fast nebensächlich scheint er so vor sich hin zu erzählen, dabei hat alles ein Ziel: die Gesellschaft, in der wir Leben, mit den Mitteln der Satire genau zu hinterfragen.
Krokodil Theater: „Vom kleinen Maulwurf...“ | So 1.6. 15 Uhr | Haus der Jugend Barmen
Mirja Boes: „Ich doch nicht“ | Sa, 14.6. 20 Uhr | Kattwinkelsche Fabrik
Hagen Rether: „Liebe“ | Mi 25.6. 20 Uhr | Theater Solingen
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