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Barbara Büchmann
Foto: Uwe Schinkel

„Im Stück steckt ganz viel Politik drin“

26. September 2024

Regisseurin Barbara Büchmann über „Der einzige Mann am Himmel bin ich“ in Wuppertal – Premiere 10/24

Mit „Der einzige Mann am Himmel bin ich“ bringt das Junge Theater Wuppertal eine freie Bearbeitung der Nibelungensage auf die Bühne des Theaters am Engelsgarten. Ein Gespräch mit Regisseurin Barbara Büchmann.

engels: Frau Büchmann, was früher die Krieger waren, sind heute die Sportler – an den gut bezahlten Helden hat sich eigentlich nichts geändert, oder?

Barbara Büchmann: Wir hatten viele Intentionen, das Stück zu machen. Wir haben aber genau diese patriarchalen Strukturen immer noch, bewegen uns immer noch in ihnen. Ob es Fußball war oder anderes, wir haben uns alles Mögliche vor Augen gehalten. 

Wie politisch wird das Stück? Beim Stück „Der einzige Mann am Himmel bin ich“ denke ich auch an Putins Selbstinszenierung.

Das ist spannend. Genau darüber haben wir auch geredet. Im Stück steckt ganz viel Politik drin, obwohl ich eigentlich dieses Mal nichts Politisches machen wollte. Da war aber noch nicht klar, dass wir die Nibelungen vorhaben. Aber sobald man sich damit ansatzweise beschäftigt, ist es eigentlich nur noch politisch. Es geht da um Machtstrukturen, und natürlich spielt Putin da mit den Selbstinszenierungen auch rein. Ich hatte mir vorher eine Inszenierung von Nicolas Stemann angeschaut und fand die Art und Weise witzig. Dann haben wir gesehen, dass Stemann in Zürich auch „Herr der Ringe“ bearbeitet und ein Riesenepos für die Bühne geschaffen hat. Er hat da aber auch kritische Momente aufgenommen und das ein bisschen verfremdet. Daran wollten wir uns orientieren und dachten, das machen wir mit den Nibelungen. 

Wie kommt das Junge Theater in Wuppertal denn dann auf Texte wie von Ferdinand Schmalz „Die Hilden-Saga“?

Ich habe mich in die Sprache von Ferdinand Schmalz verliebt. Es ging nicht darum, andere Texte zu finden, sondern wir haben gemerkt, dass die Motive unserer Figuren – Nibelungen ist ja kein durchgängiges Stück, sondern es ist, wie wir es lesen – viele Bezüge zu Schmalz haben. Nicht komplett, wir bewegen uns da in anderen Gewässern, aber gerade was die Frauenfiguren angeht, sind da ein paar Texte, die wir sprachlich wahnsinnig stark finden. Dann hat auch das Junge Theater gesagt, dieser Monolog passt so gut, wir würden das gerne machen, und wir haben ja zum Glück das Okay bekommen, dass wir genauso damit umgehen dürfen. 

Zeitgenössisch ist auch die Mischung der Geschlechter bei der Rollenverteilung.

Das ist für uns immer ein Punkt. Bei unserem letzten Stück „Fabian“, da war es für uns kein Problem zu sagen, Fabian spielt eine Frau. Das kriegen wir hin. Jetzt war das ein bisschen anders. Besetzungstechnisch kann man bei diesem Stück sehen, dass das nicht ganz willkürlich war. Es ist ja eine jüngere Generation, die das schaut und die da nochmal anders mit umgeht als ich zum Beispiel. Bei den Nibelungen war es anders. Da spielte auch ein Respekt vor den Rollen mit rein, was sonst nie der Fall gewesen ist. 

Wie lenkt Frau so eine Horde junger Darsteller?

Mit ganz viel Improvisation. Durch die Beschäftigung mit der Thematik. Wir sind vorgegangen und haben gefragt, was fallen uns denn so für Männerrollen ein. Leider hatten wir dann eine ganze Tafel voll, die steht auch immer noch auf der Probebühne. Da stehen mit Männerrollen aus der heutigen Zeit, wo wir Ähnlichkeiten sehen würden zu einem Siegfried, zu einem Hagen. Von Sportlern, das überholte Männerbild, wie Karl Ess oder diese Sport-Youtuber oder irgendwelche Diätcoaches, die den Frauen sagen, wie sie am besten eine super Figur bekommen. Dadurch war schnell eine Aktualität vorhanden, etwas, woran wir uns abarbeiten konnten. 

In der Ankündigung wird die Sankt Gallener Handschrift aus dem 13. Jahrhundert erwähnt. Braucht die Jugend heute nicht eine KI, um die zu lesen?

Doch. Also ich besitze ganz alte Bücher und hab bei mir zuhause ein hundert Jahre altes Buch über die Nibelungen gefunden. Allein die Schriftart zu entziffern ist nicht ohne. Aber das kann man sich heute auch übersetzen lassen, damit man es zumindest flüssig lesen kann. Das ist schon schwierig, und wir haben sehr lange darüber geredet, wie wir mit der alten Sprache umgehen. Wir haben auch mit der Hebbel-Fassung gearbeitet, weil schon das Bedürfnis da war, sogar mit der alten Sprache umzugehen. Man glaubt das manchmal ja gar nicht, dass das ein Wunsch der Jugendlichen ist und dass sie diese etwas altertümliche Sprache doch interessant finden. Aber wir haben das natürlich alles sehr modernisiert. 

Was wollen die Jugendlichen mit dem Stück vermitteln?

Das Spannende an den Nibelungen ist ja auch, dass sich jeder da so rausnehmen kann, was sie oder ihn umtreibt. Und was für mich noch wichtig ist: Wenn man jetzt von den Nibelungen hört, dann wird da meist auch eine ganz tolle Heldengeschichte vermittelt. Siegfried als cooler Typ eben, aber wenn man die Nibelungen auch wirklich mal liest, merkt man, dass das Heldenhafte in vielen Dingen gar nicht so heldenhaft ist. Auch das war uns wichtig herauszuarbeiten. Wir hatten das Gefühl, dass immer, um diese schöne Nibelungensage hochzuhalten, sehr problematische Aspekte beispielsweise um die Frauenrollen umschifft werden. Wenn Gunther und Siegfried aushandeln, wie sie Brunhild überwältigen und dass das am Ende in eine Vergewaltigung mündet, dann kommt das meist nicht so rüber, sondern wird mit sehr schönen Worten dargestellt. Das war auch den Jugendlichen wichtig, dass da was Kritisches drinsteckt. 

Wie kriegt man den Drachen in das kleine Theater im Engelsgarten?

Mit Fantasie. Ich glaube, dieser Drache wird im Kopf der Zuschauer entstehen. 

Der einzige Mann am Himmel bin ich | 3. (P), 4., 5., 12.10. | Theater am Engelsgarten, Wuppertal | 0202 563 76 00

Interview: Peter Ortmann

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