Auch heute werden Menschen mit Behinderung noch diskriminiert. Der Satz „Ob du behindert bist, hab‘ ich gefragt“ wird im Netz durch die sogenannten „sozialen“ Medien getrieben. Herabwürdigend gemeinte Wörter wie „Spasti“ oder „Mongo“ gehören nach wie vor zur Jugendsprache. Diskriminierung – das wollen die etablierten Parteien im Bundestag alle nicht. Und alle fordern eine verbesserte Barrierefreiheit. Leichter gesagt als getan? Wir haben uns die Programme angesehen.
Die CDU/CSU hat in ihrem Regierungsprogramm 2013-17 festgelegt, dass sie es vereinfachen will, wie Menschen in Pflege erfasst werden. Für Menschen mit Behinderungen gebe es – wie für Senioren – zu wenig barrierefreie Wohnungen. Eine inklusive Gesellschaft sei das Ziel. Bis 2022 soll der öffentliche Nahverkehr barrierefrei sein. Jeder Schüler müsse bestmöglich gefördert werden – auch in zu erhaltenden Förderschulen.
Auch die SPD hatte ein Regierungsprogramm vorgelegt. Sie prangert an, dass unter Schwarz-Gelb das Armutsrisiko für viele Menschen gestiegen sei, die in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt seien. Es sollten Möglichkeiten zum Austausch aufgebaut werden. „Wir brauchen Orte und Gelegenheit für Begegnungen, für gemeinsames Arbeiten, Lernen und vieles mehr – so genannte „inklusive Sozialräume”. Auch in Sachen Jobs wollte die SPD aktiv werden. Dazu sollten Tarifpartner, Job-Center und Arbeitsagenturen stärker in die Pflicht genommen werden.
In den letzten vier Jahren hatten CDU/CSU und SPD Zeit, um ihre Vorhaben umzusetzen. Haben Sie es auch geschafft? Ergebnis der Bemühungen der Großen Koalition ist das Bundesteilhabegesetz. Ende Dezember 2016 ist die erste Stufe in Kraft getreten, bis 2023 folgen drei weitere.Das Teilhabegesetz ist angelehnt an die UN-Behindertenrechtskonvention.Das Ziel: Die Eingliederung von Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft effizienter zu machen. Außerdem wurde ein Rechtsanspruch auf eine individuelle Unterstützung verankert. Diese finanzielle Unterstützung soll den Menschen zur Verfügung gestellt werden, sie sollen selbstständig darüber bestimmen können. Zuvor war das Sache der Länder und Kommunen, jetzt ist auch der Bund involviert. Die Kommunen konnten einzelne Leistungen ablehnen – zum Beispiel, wenn es günstiger war, jemanden in einem Heim unterzubringen.
CDU/CSU und SPD feierten das Gesetz als „Systemwechsel“. Es gibt aber auch Kritik. „Ein erster Gesetzesentwurf löste eine große Protestwelle bei Menschen mit Behinderung und auch bei Sozialverbänden aus. Kampagnen wie #nichtmeingesetz und #TeilhabeStattAusgrenzung mobilisierten viel Widerstand“, erinnert die Aktion Mensch auf ihrer Webseite, die aber auch festhält: „Tatsächlich wurde in letzter Minute noch deutlich nachgebessert“. Das Gesetz gehe Kritikern nicht weit genug, heißt es. Die Freibeträge an Vermögen, das ein Mensch mit Behinderung haben kann, um Unterstützung zu bekommen, wurden zwar von2600 auf 27600 Euro und ab 2020 auf 50000 Euro erhöht, sowie das monatliche Einkommen auf bis zu 260 Euro. Zur Eingliederung in die Pflegeleistungen wird das Geld aber weiterhin herangezogen. Ein weiterer kritischer Punkt sei, dass die Menschen genötigt werden könnten, sich eine Assistenz zu teilen und dadurch quasi gezwungen sein könnten, zusammen zu wohnen.
Der Ausblick auf die nächste Wahl zeigt, was die anderen Parteien vorhaben. Auf der Webseite von Bündnis 90/Die Grünen findet sich eine umfassende Agenda. Auch hier soll die Selbstbestimmtheit im Mittelpunkt stehen – und die Barrierefreiheit. Konkret nennen die Grünen das Thema Kommunikation in Gebärdensprache, die häufiger zur Verfügung stehen solle. Die Grünen wollen auch das Bewusstsein der Bevölkerung für mehr Empathie steigern. Die Linken haben ihren ersten Entwurf des Wahlprogramms 2017 fertig. „Inklusion ist für uns eine gesamtgesellschaftliche Verpflichtung“, heißt es dort. Ein Investitionsprogramm von Bund, Ländern und Kommunen soll helfen, Bildungseinrichtungen umfassend barrierefrei zu gestalten. Wenn es nach den Linken geht, besteht auf inklusive Bildung ein Rechtsanspruch.
Für die FDP beginnt gelungene Inklusion im Programm für 2013 schon im Kindesalter. „Durch ein Höchstmaß an organisatorischer, pädagogischer und finanzieller Freiheit wollen wir Schulen und Schulverbünden ermöglichen, sich an die Förderbedürfnisse der ihnen anvertrauten Schüler anzupassen“, so die Liberalen. Die rechtspopulistische AfD spricht 2016 davon, „Inklusion um jeden Preis“ verhindern zu wollen. Die AfD will Förderschulen erhalten: „Die ideologisch motivierte Inklusion verursacht erhebliche Kosten und behindert Schüler in ihrem Lernerfolg“. Das liefe in einzelnen Fällen wohl auf Exklusion hinaus.
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Aktiv im Thema
www.bsk-ev.org | Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) ist mit über 25.000 Mitgliedern und Förderern deutschlandweit organisiert.
www.bvkm.de | Bundesverband für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen
www.behindertnaund.de | Wuppertaler Verein „Behindert, na und?“
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