Stefanie Lohaus (36) ist Journalistin, Mitgründerin und -herausgeberin des „Missy Magazine“ sowie Buchautorin.
Die Buchautorin sowie Mitbegründerin und Herausgeberin des feministischen „Missy Magazine“ spricht mit uns über weiblichen Perfektionismus, eine mögliche Männerquote und die Herausforderung, in einer Beziehung Haushalt und Kindererziehung genau 50:50 aufzuteilen.
engels: Frau Lohaus, was eine Frau alles sein muss – Mutter, Ehefrau, Geliebte, Karrierefrau. Ist das manchmal zu viel?
Stefanie Lohaus: Ich denke, Frauen werden dazu erzogen, überall perfekt zu sein. Deshalb machen sie sich den Druck oft selbst. Das ist eine ungute Mischung. Ich selber spüre so einen Druck nicht. Das liegt wohl daran, dass mir viele Dinge schon recht früh klar waren und dass mir die Meinung anderer Leute oft schlichtweg egal ist.
Können Frauenquoten helfen, diesen Druck zumindest in der Arbeitswelt zu nehmen?
Stefanie Lohaus (36) ist Journalistin, Mitgründerin und -herausgeberin des „Missy Magazine“ sowie Buchautorin.
Die Quotendebatte wirkt auf mich wie eine Art Glaubensbekenntnis: Glaube ich an die Frauenquote und wird sie all unsere Probleme lösen? Oder ist sie ungerecht und benachteiligt die Männer? Ich möchte lieber ein Beispiel nennen: Als ich vor Jahren für eine Firma für Veranstaltungstechnik gearbeitet habe, waren dort fast nur Männer. Als Büroleitung habe ich eine interne Frauenquote bei den Azubis eingeführt. Meine Chefs fanden das gut. In der Stellenausschreibung habe ich dann geschrieben, dass wir uns über Bewerbungen von Frauen freuen. Sie haben uns den Laden eingerannt. Zwar haben die Mädchen oft keine Vorqualifikation gehabt, aber nach einem halben Jahr die Jungs an Motivation und Wissen überflügelt. Ich denke dann immer: Worum geht es bei dieser Quote? Eigentlich darum, dass Frauen das Gefühl loswerden müssen, dass es in Unternehmen für sie schwieriger ist.
Was löst dieses Gefühl aus?
Manchmal geht es um den Umgang, bei dem ich mich als Frau ausgeschlossen fühle. Kleine Gesten. Ich stehe in einer Runde mit fünf Typen im Anzug, alle 1,90 Meter groß, die sich angeregt über meinen Kopf hinweg unterhalten. Da muss ich mich als Frau erst einmal bemerkbar machen, damit ich überhaupt ernstgenommen werde. Das hat auch mich abgeschreckt, in einem großen Unternehmen zu arbeiten. Mich nervt es, beweisen zu müssen, dass ich so gut bin wie ein Mann. Vielleicht schafft man es tatsächlich, durch Quoten dieses Verhalten zu ändern.
Sind Sie auch schon beruflich benachteiligt worden?
Ja. Ich habe einmal herausgefunden, dass mir in Sachen Gehalt ein anderes Angebot gemacht wurde, als es ein Mann bekommen hat. So etwas macht mich wütend. Es ist mir aber nur selten passiert.
Was ist mit einer Männerquote, zum Beispiel im Bereich der Erzieher, in dem nur wenige Männer arbeiten?
Das ist dasselbe Problem, einfach umgekehrt. Ich habe mich auch schon mal in einem Zeitungsartikel für die Männerquote in dem Bereich starkgemacht. Und: Gerade die Erzieher- oder Pflegebereiche sind unheimlich schlecht bezahlt. Vielleicht ändert sich das, wenn dort mehr Männer arbeiten.
Sie arbeiten als Selbstständige. Denken Sie, dass das ein Modell für Frauen sein kann, um Benachteiligungen zu entgehen?
Die Tendenz geht sowieso dahin, dass immer mehr Menschen in einer Ich-AG arbeiten. Gerade Frauen machen sich häufig selbstständig, um Kind und Beruf vereinbaren zu können. Es gibt aber weniger Sicherheit und mehr selbstgemachten Druck. Deshalb kann ich das nicht jedem empfehlen.
Wäre es nicht auch wie eine Flucht – lieber allein zu arbeiten als in einem von Männern dominierten Unternehmen?
Ich kenne einige, die das gemacht haben, weil es ihnen besser passte. Es ist aber auch eine Sache der Persönlichkeit.
Mit Ihrem Partner versuchen Sie aktuell, Job, Haushalt und Kindererziehung genau 50:50 aufzuteilen – dazu haben Sie gemeinsam das Buch „Papa kann auch stillen“ herausgebracht. Wie funktioniert die Aufteilung im Beruf?
Zunächst einmal geht es darum, dass beide Partner das Gefühl haben sollen, dass es gerecht zugeht. Wir arbeiten beide 30 bis 35 Stunden in der Woche. Das Kind ist bei einer Tagesmutter. Wir holen es täglich abwechselnd ab.
Mussten Sie die Arbeit einschränken?
Ja. Vorher habe ich ungefähr 50 Stunden pro Woche gearbeitet. Ich habe drei Monate nach der Geburt mit 16 Stunden angefangen und danach wieder hochgeschraubt. Dann habe ich trotzdem den Denkfehler gemacht, dass ich dachte, ich könnte genauso viel arbeiten wie vorher. Das rächt sich gerade immer noch. Man muss Prioritäten setzen und Dinge absagen können.
Braucht die Arbeitswelt mehr Flexibilität?
Ich glaube nicht, dass es Flexibilität seitens der Arbeitnehmer braucht. Ich glaube, das Problem ist das fehlende Verständnis für verschiedene Teilzeitmodelle, die allerdings klar geregelt sein sollten. In den Niederlanden ist Teilzeitarbeit viel weiter verbreitet, zum Beispiel als Vier-Tage-Woche. Bei Freunden von mir arbeitet Sie montags bis donnerstags und Er dienstags bis freitags. Branchenübergreifend. Das Kind ist nur dienstags bis donnerstags in der Kita. Die Gesellschaft hat sich darauf eingestellt. Das brauchen wir auch: Dass mehr auf die Bedürfnisse von Eltern eingegangen wird, dass ein Kind nicht als Problem gilt, und, dass Arbeitnehmer nicht rund um die Uhr zur Verfügung stehen müssen. Das gilt auch für das Home Office – Kinder kann man nicht einfach in die Abstellkammer stellen, wenn etwas erledigt werden muss.
Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter: trailer-ruhr.de/thema und choices.de/thema
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