Erst allmählich kommt man einer besonderen Qualität dieser Ausstellung auf die Schliche. Indem die Kunstwerke menschenleere Räume zeigen, thematisieren sie, wie Interieurs ihre eigenen Temperierungen besitzen und poetisch, seltsam oder beunruhigend sein können. Und sie repräsentieren Wesenszüge und gehen eine Identität mit ihren Bewohnern ein. Die Ausstellung „Aufschlussreiche Räume“ im Museum Schloss Morsbroich in Leverkusen untersucht mit sechzehn Positionen, inwieweit (Wohn-) Räume ein Spiegelbild der Psyche sein können. Wie ihre Einrichtung in heutiger Zeit mit uns selbst zu tun hat und wie Räume ihrerseits auf das menschliche Verhalten einwirken können.
Eine wichtige Referenz der Ausstellung ist das ehemals zum Wohnen genutzte Schloss Morsbroich mit seinem Blick auf die Natur. In der Ausstellung passieren so überraschende Dinge, dass durch die geöffnete Tür zum Spiegelsaal Klavierspiel zu hören ist. Tatsächlich entstammt es dem Videofilm von Ene-Liis Semper: In diesem träumt eine junge Frau von der perfekten Wohnung, wobei ihr die Ordnung der Einrichtung entgleitet. Direkt auf „seinen“ Ausstellungsraum reagiert der Kölner Maler Robert Haiss. Ausgehend von einer Ecke mit Tapetentür und dem Blick aus dem Fenster, hat Haiss den Raum systematisch abgetastet. In seinen Bildern kommen einzelne Motive wiederholt vor – ein Spiegel, ein Unterhemd – und deuten so Erzählungen an, die sich auf das Schloss zu beziehen scheinen. Claus Richter hat seinen Raum auratisch als verspieltes Domizil eines Tänzers im Art-déco-Stil eingerichtet. Und am gegenüberliegenden Ende der Etage verwandelt die US-Amerikanerin Andrea Zittel die Verpackungen der Internetbestellungen in Regale. Auch hat sie in einem riesigen Kalender die Zeiten, die sie mit den neuen Kommunikationsmedien verbracht hat, schwarz in Kastenformen gefasst, so dass daraus Räume der Abwesenheit im Hier und Jetzt werden.
Neben „klassischer“ Malerei und Zeichnung umfasst die Ausstellung auch Hybride mit der Objektkunst wie bei Richard Artschwager. Dieser hat auf einer Kommode die Holzmaserung malerisch imitiert und noch ein Porträt darauf gestellt: ein Gemälde auf billigem Dämmmaterial, das an den Schlafzimmerspiegel erinnert. Natürlich sehen wir in Leverkusen auch reine Dokumentationen unserer Gesellschaft, ausgeführt mit dem objektiven Medium der Fotografie. Miriam Bäckström hat die Zimmer im IKEA-Museum in Älmhult/Schweden aufgenommen. Und Simone Demandt zeigt alltägliche Garagen ohne die Fahrzeuge. Stattdessen sind hier Waren und Gerätschaften einmal liebevoll, dann wieder pedantisch, dann pragmatisch untergebracht. Die Szenarien hinter den eigentlichen Schauplätzen gewinnen die Oberhand: „Freude am Leben“ – welch ein schöner Titel für ein solches Langzeitprojekt zu den heimischen Un-Orten.
„Aufschlussreiche Räume – Interieur als Porträt“ | bis 24.4. | Museum Morsbroich in Leverkusen | 0214 85 55 60
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