Seit über dreißig Jahren leistet die Alte Feuerwache soziale Arbeit in Wuppertals Nordstadt, in einem Umfeld, das der Sozialdatenatlas der Stadt als „Quartier mit hohem Handlungsbedarf“ einordnet. In Kooperation mit dem Lions Club wurde hier im Jahr 2011 das Projekt der „8samkeitsgruppen“ begonnen, das von Armut betroffene Kinder fördert. Der im November 2022 gegründete Verein Chance 8 koordiniert nun das Projekt.
Jedes dritte Kind
Vincent Utech, Sozialpädagoge in der Alten Feuerwache, beschreibt im Namen des Teams, wie herausfordernd die Arbeit ist: „Das unmittelbare Einzugsgebiet ist eher strukturschwach, randständig und multikulturell geprägt. Eine im bundesweiten und stadtspezifischen Vergleich überdurchschnittliche Zahl an Kindern ist von Armutslagen betroffen. Mindestens jedes dritte Kind!“ Das gefährde die emotionale und schulische Entwicklung und untergrabe Chancengleichheit. „Kinder haben unverschuldet schwierige Startbedingungen auf ihrem Bildungs- und Lebensweg. Präventive Konzepte können früh die Bildungsbiographie und Lebenssituationen von Kindern positiv und nachhaltig beeinflussen, sodass zumindest Chancengerechtigkeit bestehen kann.“
Das Leben meistern
„Der pädagogische Leitgedanke basiert darauf, dass nur stabile, konfliktsichere Beziehungen des Kindes zu einer erwachsenen Bezugsperson die Entwicklungschancen nachhaltig positiv beeinflussen können“, erklärt Utech, „die These wurde von unterschiedlichen Forschungszweigen beeindruckend nachgewiesen“. Die „8samkeitsgruppen“ mit bis zu acht Kindern werden daher von zwei Bezugspersonen betreut, um eine optimale Struktur für belastete Kinder zu bieten, wichtig sind zudem routinierte Abläufe. „Die Resilienzforschung der letzten fünfzig Jahre hat hervorgebracht, dass Kinder trotz widrigster Umstände in der Lage sind, ihr Leben zu meistern, wenn sie auf wenigstens eine liebevolle und berechenbare Bezugsperson zurückgreifen können“, fährt Utech fort, „dieser Grundannahme entsprechend arbeiten die Gruppen mit einer verlässlichen Rahmenstruktur“.
Schule, Ausbildung, Studium
Ein Evaluationsrat wurde eingerichtet, um die Wirkung der Achtsamkeitsgruppen auf die Kindesentwicklung kritisch zu begleiten. Zusammen mit dem Fachbereich Erziehungswissenschaften der Uni Wuppertal konnten deutliche Verbesserungen in Bildung und Sozialverhalten bestätigt werden. Geprüft wurden unter anderem Stressbelastung, Depressionswerte, körperliche Symptome sowie die Fähigkeit, Probleme zu lösen. Mitglieder der ersten Achtsamkeitsgruppe sind mittlerweile erwachsen und haben den Kontakt zu ihren Bezugspersonen aufrechterhalten. „Alle Kinder haben einen Schulabschluss erreicht und befinden sich auf dem Weg in die Ausbildung oder ein Studium“, so Utech. „Es hat sich gezeigt, dass wir weiterhin von Bedeutung sind, indem sich die jungen Erwachsenen hier Unterstützung und Rat holen. Das freut und bestärkt uns sehr.“
Politik tut zu wenig
Das Projekt soll ausgeweitet werden: „Wir möchten die Arbeit in der Alten Feuerwache sichern, aber auch darüber nachdenken, Achtsamkeitsgruppen in anderen Stadtteilen oder Städten zu verbreiten.“ Darüber hinaus erwartet Chance 8 von der Politik mehr Engagement gegen Armut und für Chancengleichheit: „Die derzeitige Praxis sieht so aus, dass beispielsweise durch die Ökonomisierung der sozialen Arbeit und die schlechte Finanzlage der Stadt Pflichtaufgaben so sparsam wie möglich erfüllt werden müssen. Wir meinen: Das ist insgesamt teurer und weniger wirksam. Soll denn beispielsweise Armutsprävention ein Thema bleiben, das durch bürgerschaftliches Engagement und Wohltätigkeit getragen wird?“
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