Es gibt Opern, die wirken nur mit opulenter Ausstattung. Und andere, die sind in ihrer Handlung so antiquiert, dass sie dringend eines geschickten Regie-Kniffs bedürfen, damit wir sie überhaupt noch verstehen können. Und schließlich gibt es noch solche, die sich so unmittelbar von selbst erklären, dass man sie ohne viel Tamtam auf einem Marktplatz aufführen könnte. Mozarts „Hochzeit des Figaro“ gehört ganz eindeutig zu letzteren. Warum Verrenkungen machen, wenn die Essenz doch im Spiel und seinen Feinheiten liegt, mag sich der britische Regisseur Joe Hill-Gibbins gedacht haben und baute seine Inszenierung der beliebten Mozart-Oper auf einem kleinen, bühnenbreiten Guckkasten mit vier Türen auf (Bühne: Johannes Schütz), in dem das Verwirrspiel über drei der vier Akte seinen Lauf nimmt. Das funktioniert in der Tat sehr gut, denn Hill-Gibbins, der vom Schauspiel kommt und in Wuppertal erst seine dritte Oper inszeniert, beherrscht die Personenregie exzellent. Und er kann auf ein spielfreudiges und dazu noch stimmlich formidables Ensemble bauen, das die Geschichte mit Charme und Tempo über die Rampe bringt. Nach Verdis „Luisa Miller“ ist es die zweite Koproduktion mit der English National Opera.
Das Tempo kommt maßgeblich aus dem Orchestergraben, in dem Julia Jones den Taktstock schwingt und bereits nach der Ouvertüre den ersten kräftigen Beifallssturm erntet. Es wird noch oft Zwischenapplaus geben, und das durchweg zu Recht. Denn musikalisch macht der Abend vom ersten Takt an Spaß. Sebastian Campione gibt mit seinem warmen, vollen Bariton den mal gerissenen, mal leicht zu übertölpelnden Figaro, Ralitsa Ralinova eine überaus gewitzte und kokette Susanna mit jugendlich frischem Sopran, die sich nicht in die Opferrolle durch den Grafen drängen lässt. Der wird gesungen vom jungen Bariton Simon Stricker, einem absoluten Publikumsliebling mit Ausstrahlung und angenehmen Timbre. Die gemeinsame Liebesszene der beiden ist toll gespielt, durchaus erotisch aufgeladen und doch keine echte Provokation.
Insgesamt könnte man behaupten, die Inszenierung ist konventionell – das allerdings im besten Sinne eines soliden Handwerks und einer großen Nähe zur Vorlage. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden. Zumal die musikalische Seite so wenig zu wünschen übrig lässt. Das Orchester legt nicht nur ein ordentliches Tempo vor, es wirkt auch herrlich beschwingt und schlank im Klangbild, die Solisten werden davon sicher getragen und mitgenommen. Mit Anna Princeva steht eine Gastsolistin als Gräfin auf der Bühne, die mit großen dramatischen Reserven und viel Gespür für die Schwermut ihrer Arien aufhorchen lässt – und dafür am Ende gefeiert wird. Eine durch und durch überzeugende Vorstellung gibt auch die junge Iris Marie Sojer als frecher Prügelknabe Cherubino, der mal die Frauen um den Finger wickelt und dann wieder – wie zur Hochzeit als wandelnder Blumenstrauß – grob veralbert wird.
Einen warmen Empfang beim Publikum erfährt ebenfalls die Mezzosopranistin Joslyn Rechter als Marcellina. Sie gehörte schon einmal zum Wuppertaler Ensemble bis zu dessen Auflösung 2014. Nicolai Karnolsky gibt an ihrer Seite den Doktor Bartolo mit viel Humor und dunklem Bass.
Der kleine, weiße Guckkasten mit seinen vier Türen stößt im vierten Akt – in der Gartenszene – an seine Grenzen. Also wird er in den Hintergrund gezogen und der Rest der Handlung vollzieht sich auf leerer Bühne – eine enorme Herausforderung, die das spielfreudige Ensemble allerdings gut hinbekommt. Einzig an den Kostümen von Astrid Klein lässt sich aussetzen, dass sie zum Teil arg unspektakulär aussehen. So wirken die Herren in ihren Anzug-mit-Krawatte-Garderoben rein optisch so, als habe man sie spontan aus dem Publikum auf die Bühne geholt. Aber an solchen Äußerlichkeiten sollte man die Produktion nicht messen. Der Spaß bleibt davon ungetrübt.
„Die Hochzeit des Figaro“ | R: Joe Hill-Gibbins | 30.5. 18 Uhr, 20.6. 16 Uhr, 27.6. 19 Uhr, 3.7. 19 Uhr, 14.7. 16 Uhr | Oper Wuppertal | www.oper-wuppertal.de
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