Kennengelernt haben sich Julia Bisterfeld (32) und Julia Pietrasch (30) im Sommer 2008 im Internet. Ausführliche Mailwechsel und Dates folgten, schnell war beiden klar: Das könnte die Richtige sein, sie wurden ein Paar. Weniger sicher waren sie sich lange wegen einer möglichen Heirat. „Ich unterscheide da zwischen meiner emotionalen Zugehörigkeit und meiner politischen Überzeugung. Emotional wollte ich mich bekennen. Aber die Institution der ‚Homo-Ehe’ lehnen wir eigentlich beide ab“, beschreibt Julia Pietrasch ihren Zwiespalt. Von Schwulen und Lesben wird gemeinhin erwartet, dass sie politisch sind. Pietrasch, seit kurzem stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oberhausen, ist dies auch von Berufs wegen. „Die Homo-Ehe gaukelt Gleichstellung vor und diskriminiert dadurch bewusst“, so Pietrasch. Tatsächlich gibt es neben sprachlichen auch weiterhin rechtliche Unterschiede.
Wie ein lila-grün gepunktetes-Schaf
Aus diesem Grund haben auch Julia und Julia lange überlegt, ob sie eine solche Institution überhaupt stützen wollen. „Nutzt man eine solche Möglichkeit, wirkt es, als sei man mit den Rahmenbedingungen einverstanden. Verweigert man sich der ‚Homo-Ehe’ der bestehenden Diskriminierungen wegen, scheint es aber, als ob Homosexuelle ohnehin kein Interesse an der ehelichen Form hätten“, argumentiert Julia Pietrasch. Irgendwann überwogen dann aber das Gefühl und der Wunsch, sich symbolisch zum anderen zu bekennen. Krankenschwester Julia Bisterfeld besuchte eine katholische Klosterschule und empfand sich schon früh als im guten Sinne konservativ, außer der Tatsache, dass sie Frauen liebt. „Werte wie Stabilität, Solidarität und die Familie waren für mich früh wichtig und ich wollte eine Partnerin, die zu mir steht.“ Das Outing verlief bei beiden erstaunlich unkompliziert, schlechte Erfahrungen haben sie keine gemacht. „Mein Vater sagte nur: ‚Dann bekomme ich halt eine Schwiegertochter’“, so Julia Bisterfeld. Auch beruflich stellte die Liebe zum gleichen Geschlecht keine Probleme dar, beide gingen mit ihrer Homosexualität offen, aber nie offensiv um. „Ich will mich niemandem aufzwingen, gebe aber gerne Antworten.“ Beide sind sich einig, die Thematik müsse in der Öffentlichkeit präsent bleiben, damit Vorurteile abgebaut werden. „Das ist wie mit einem lila-grün-gepunkteten Schaf. Ist da nur eines, sind alle überrascht. Wenn immer mehr davon auftauchen, wird es zur Normalität.“ Die Erfahrungen der beiden lassen hoffen, dass zumindest in Deutschland die gesellschaftliche Akzeptanz in den letzten Jahren zugenommen hat. Jetzt muss nur noch die Politik nachziehen. Abgesehen von politischen Zukunftswünschen gibt es auch noch die privaten Pläne. Julia und Julia bereuen die Heirat nicht, wollen ihr gemeinsames Leben genießen, eine Familie gründen. Spießig oder nicht, sie wirken dabei glücklicher als viele heterosexuelle Paare. Ob dies auch so bleibt, dürfte mit der sexuellen Orientierung letztlich herzlich wenig zu tun haben.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Traust du dich?
Die Krise der Institution Ehe ist offensichtlich – für fast alle – THEMA 01/13 EHE-LOS
„Braucht die Institution Ehe eine steuerliche Begünstigung?“
Andreas Bialas über Familienpolitik aus sozialdemokratischer Sicht – Thema 01/13 Ehe-Los
„Für eine ideologiefreie Familienpolitik“
Marcel Hafke über das Verhältnis der FDP zu Ehe und Familie – Thema 01/13 Ehe-Los
Doppelt hält besser
Szenen einer türkisch-deutschen Ehe – Thema 01/13 Ehe-Los
Ran an die Regeln
Intro – Verspielt
Das Spiel mit der Metapher
Teil 1: Leitartikel – Was uns Brettspiele übers Leben verraten
„Ich muss keine Konsequenzen fürchten“
Teil 1: Interview – Spieleautor und Kulturpädagoge Marco Teubner über den Wert des Spielens
Zusammen und gegeneinander
Teil 1: Lokale Initiativen – Spieletreffs in Wuppertal
Es sind bloß Spiele
Teil 2: Leitartikel – Videospiele können überwältigen. Wir sind ihnen aber nicht ausgeliefert.
„Viele Spiele haben noch einen sehr infantilen Touch“
Teil 2: Interview – Medienpädagoge Martin Geisler über Wandel in der Videospiel-Kultur
Jenseits der Frauenrolle
Teil 2: Lokale Initiativen – Die Spieldesignerin und Label-Gründerin Mel Taylor aus Köln
Werben fürs Sterben
Teil 3: Leitartikel – Zum Deal zwischen Borussia Dortmund und Rheinmetall
„Genießen der Ungewissheit“
Teil 3: Interview – Sportpädagoge Christian Gaum über das emotionale Erleben von Sportevents
Immer in Bewegung
Teil 3: Lokale Initiativen – Sportangebote für Jugendliche im Open Space in Bochum
Spielglück ohne Glücksspiel
Gegen teure Belohnungen in Videospielen – Europa-Vorbild: Belgien
Spielend ins Verderben
Wie Personalmanagement das Leben neu definierte – Glosse
Wie gewohnt
Intro – Europa
Paradigmenwechsel oder Papiertiger?
Teil 1: Leitartikel – Das EU-Lieferkettengesetz macht vieles gut. Zweifel bleiben.
„Der Verkauf des Kaffees nach Europa ist gestoppt“
Teil 1: Interview – Sebastian Brandis, Sprecher der Stiftung Menschen für Menschen, über das EU-Lieferkettengesetz
Verbunden über Grenzen
Teil 1: Lokale Initiativen – Wuppertal und seine europäischen Partnerstädte
Demokratischer Bettvorleger
Teil 2: Leitartikel – Warum das EU-Parlament kaum etwas zu sagen hat
„Die Bürger vor globalen Bedrohungen schützen“
Teil 2: Interview – Politikwissenschaftler Oliver Treib über Aufgaben und Zukunft der Europäischen Union
Zu Gast in Europas Hauptstadt
Teil 2: Lokale Initiativen – Die europäische Idee in Studium und Forschung an der Kölner Universität
Europäische Verheißung
Teil 3: Leitartikel – Auf der Suche nach Europa in Georgien
„Mosaik der Perspektiven“
Teil 3: Interview – Miriam Bruns, Leiterin des Goethe-Instituts Budapest, über europäische Kultur