Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Foto: Hartmut Sassenhausen

Deutscher Michel und Dreikaiserjahr

30. Januar 2024

Das Junge Orchester NRW spielt Anton Bruckners 8. Sinfonie in Wuppertal – Musik 02/24

Die neun Sinfonien Anton Bruckners sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Zwar lesen sich ihre Partituren vordergründig fließend. Doch sprichwörtlich liegt der Teufel oft im Detail. Ein Paradebeispiel für eine lange, intensive Beschäftigung mit ihnen, um selbst kleinste Strukturen deutlich zu machen, gab der legendäre Dirigent Günter Wand. Deswegen verlangte oft mehr als die üblichen Proben. So feilte er auch akribisch an der Achten. Die behandelt nicht nur den deutschen Michel, sondern auch das Dreikaisertreffen im September 1884 in Skierniewice. Nachdem er sie selbstbewusst am 3. Juli 1887 vollendet hatte und dachte, damit an den großen Erfolg der Siebten anknüpfen zu können, verfiel er wenig später in tiefe Depressionen. Denn gerade der Dirigent Hermann Levi, der sie uraufführen sollte, war entsetzt, fällte vernichtende Worte darüber. Bruckner ließ sich auch von anderen Personen in sein Opus hineinreden. Drei Jahre benötigte er für die Erstellung einer zweiten Fassung.

Mit diesem Kolossalwerk kommt das Junge Orchester NRW in die Historische Stadthalle Wuppertal. Seit 49 Jahren führt es regelmäßig große Orchesterwerke der Romantik und Spätromantik auf, wie auch solche von Dmitri Schostakowitsch. Bis zur Coronakrise erfreuten die sich aus Schülern, Studenten und jungen Berufstätigen zusammensetzenden Sinfoniker viele Musikfreunde mit ihrem Spiel. Dieser Abend wird zwar auch mit lang anhaltendem Beifall honoriert, doch nur von einem Teil des Publikums frenetisch gefeiert. Unter dem engagierten und motivierenden Dirigat von Ingo Ernst Reihl, Gründer des Orchesters und nach wie vor sein Musikalischer Leiter, legen sich die jungen Musiker mächtig ins Zeug und geben ihr Bestes. Doch gelingt ihnen nicht alles zur Zufriedenheit. Denn ihr Spiel ist mit ungewohnt vielen Mängeln gespickt. Die Hörner klingen ab dem ersten Takt bis zum Schluss über viele Strecken nicht rein. Die Einsätze der ersten Geigen sind nicht immer genau. Auch sind in der hohen Lage etliche Töne und Tonrepetitionen bei ihren Konzerten vor der Coronakrise präziser zu Ohren gekommen. Die Trompeten hören sich im Fortissimo ein wenig zu scharf an. Laut Reihl haben sie sich in einer Probenphase von sechs Tagen das rund 80-minütige Werk erarbeitet. Vielleicht war die Zeit etwas zu knapp bemessen. Trotzdem, obwohl manche Crescendi nicht selbstsicher genug wirken, gelingt den Instrumentalisten eine ansprechende emotionale Deutung. Gerade große Spannungsbögen explizit im Adagio, ein schönes Nachzeichnen selbst langer musikalischer Linien oder ein recht ausgewogenes Orchesterklangbild sind hervorzuheben.

Als Zugabe wird ein Stück gespielt, das ein Beispiel für Bruckners tiefen Glauben ist: seine geistliche Motette „Pange lingua“. Sie ist eine Vertonung der gleichnamigen Hymne, die Thomas von Aquin zugeschriebenen wird. Sie passt zwar nicht zur der jetzigen Jahreszeit, da sie zur Feier von Fronleichnam gedacht ist. Trotzdem gefallen die ergreifenden Gesänge der Sinfoniker, die das A cappella-Chorwerk stehend vortragen.

Hartmut Sassenhausen

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Sinfonische Vollender
Gil Shaham in der Kölner Philharmonie – Klassik am Rhein 11/24

Aus Alt mach Alt
Tage Alter Musik in Herne 2024 – Klassik an der Ruhr 11/24

Weiblicher Beethoven
Emilie Mayers 5. Sinfonie im Konzerthaus Dortmund – Klassik an der Ruhr 10/24

Ein Himmel voller Orgeln
Zwei Orgelfestivals in Köln und Düsseldorf – Klassik am Rhein 10/24

Mit virtuoser Blockflötistin
33. Festival Alte Musik Knechtsteden in Dormagen und Köln – Klassik an der Ruhr 09/24

Nach François-Xavier Roth
Der Abgang des Kölner GMDs sorgt für Umbesetzungen – Klassik am Rhein 09/24

Barock und Filmmusik
Open-Air-Konzerte „Viva Italia!“ im Ruhrgebiet – Klassik an der Ruhr 08/24

Exotische Musik
„Sounds of Nature“ und „Diálogos de amor“ beim Niederrhein Musikfestival 2024 – Klassik am Rhein 08/24

Sieben Komponistinnen
Liederabend in der Kirche am Kolk – Musik 07/24

Erfolgreiche Nachwuchsarbeit
Jubiläumskonzert der Wuppertaler Kurrende – Musik 07/24

Akademische Bürgernähe
Michael Ostrzyga dirigiert „Elias“ in Bergheim und Köln – Klassik am Rhein 07/24

Pop-Hit trifft düstere Rarität
Semesterkonzert an der RUB – Klassik an der Ruhr 07/24

Musik.

Hier erscheint die Aufforderung!