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Christine Mayr-Lumetzberger
Foto: privat

„Keine Rücksicht auf die Ewiggestrigen“

29. Mai 2019

Christine Mayr-Lumetzberger über katholische Priesterinnen

engels: Frau Mayr-Lumetzberger, Sie wollen erreichen, dass Frauen ebenso Priesterinnen werden können, wie Männer Priester. Was sagt Rom dazu?
Christine Mayr-Lumetzberger: Rom schweigt. Und das schon lange. Ich glaube, aufgrund der Probleme, die sie im Moment mit ihrer männlich dominierten Priesterschaft haben, wäre es sehr klug, nichts zu sagen und vor allem nichts gegen uns.

Woran orientiert sich das Programm, das Sie dazu geschrieben haben?
Das Programm ist angelehnt an die Sakramente und an das Kirchenjahr vor dem Hintergrund „Training on the Job“. Wir haben von den Frauen erwartet, dass sie ihre theologische Ausbildung und Praxis in allen pastoralen Bereichen bereits mitbringen. Die meisten waren nicht mehr sehr jung und daher sehr erfahren in kirchlicher Arbeit. Es hat ihnen nur gefehlt, in diese priesterlichen Schuhe hinein zu wachsen, so wie man auch die Priester-Seminar-Ausbildung versteht.

Was hat Ihnen in der Kirche bislang gefehlt?
Frauen waren und sind bis jetzt immer geduldet und gewünscht gewesen, um die niedrigen Arbeiten in der Kirche zu verrichten. Dinge wie die Kirche schmücken, zu putzen, Religionsunterricht zu erteilen, Alte und Kranke zu besuchen. Das führte dann dazu, dass sie die Kinder soweit auf die Erstkommunion vorbereiten konnten, doch die Feier musste final ein Mann machen. Sie durften zwar die Kranken begleiten, aber zur Krankensalbung musste ein Männerpriester eingeflogen werden. Nicht zu vergessen dabei: Die Frauen leisten die Vor- und Nacharbeit, doch die Anerkennung dafür erhalten sie nicht. Das ist nicht in Ordnung: Eine Geringschätzung der Frauen und damit auch der Gemeinden.

Warum ist Ihnen die Weihe so wichtig?
Die Weihe wird weiter gegeben in der sogenannten apostolischen Sukzession. Dabei handelt es sich um die gedachte Weitergabe der Ämter durch Handauflegung seit der Zeit der Apostel - eine sehr schöne Tradition. Derjenige, der die Weihe spendet, betet um den heiligen Geist. Wobei das der Ausdruck eines geistlichen Geschehens zwischen der Weihekandidatin und Gott ist. Der Weihespender macht dieses Geschehen sichtbar, das zwischen Gott und dem Menschen passiert. Das ist der Sinn jedes Sakramentes. Die Priesterweihe war das einzige Sakrament, das Frauen nicht empfangen konnten und damit auch eine ungerechte Situation. Auch insofern, weil es diese Ämter in der frühen Kirche auch alle für Frauen gegeben hat. Es hat für mich keinen Sinn ergeben, zu warten, bis sich vielleicht irgendetwas in Rom bewegt. Eine weitere Überlegung war: Ich bin verantwortlich dafür, was ich in meinem und aus meinem Leben mache und nicht dafür, was in Rom passiert. Dann haben wir uns vorbereitet, wir haben gebetet und sind diesen Weg gegangen. Wir haben uns gesagt: Wenn Gott Priesterinnen will, dann wird er welche kriegen. Die Bischöfe werden uns schon anrufen und sich dazu bereit erklären, uns zu weihen. Das ist dann auch genau so geschehen – eine sehr glaubwürdige Bestätigung unseres Weges.

Wie finanzieren Sie sich?
Meine Überlegung war immer, dass die Priesterinnen auch Bezug dazu haben müssen, wie mühsam das Leben der Gläubigen ist. Dazu gehört auch, dass sie im weltlichen Leben ihr tägliches Brot verdienen müssen. Ich selbst komme aus einer Arbeiter-Priester-Pfarrei. Für mich war diese Arbeiter-Priester-Bewegung das große Vorbild dafür, wie der priesterliche Dienst sein kann. Mit den Menschen unterwegs sein zu Gott, das heißt sein Geld in einem zivilen Beruf verdienen. Und den priesterlichen Dienst in einem Ausmaß ausüben, wie es möglich ist und wie man es auch im Ehrenamt als Gemeindemitglied täte.

Das hat auch eine Vorbildfunktion…
Absolut. Man steht in der Öffentlichkeit, auch, wenn man das so nicht will. Doch die Leute schauen darauf, was man tut. Und in seiner Rolle als Priesterin ist man ein Vorbild in der Gesellschaft.

Sind Sie nach Ihrer Exkommunikation weiterhin im Austausch mit dem Vatikan?
Es gibt einen sehr dünnen Konversationsfaden. Diese Exkommunikation ist ja kein Ausschluss aus der Kirche, sondern eine sogenannte Beugestrafe mit dem Ziel, dass ich behaupte, dass meine Weihe nicht gültig ist. Von uns aus betrachtet, ist diese Weihe aber eine sehr ernst zu nehmende Angelegenheit. Wenn ich also behaupte, meine Weihe sei nicht gültig, wäre das wiederum eine Sünde wider den heiligen Geist. Die Exkommunikation ist in unseren Augen keine adäquate Antwort auf das wirklich berechtigte Anliegen, dass Frauen Priesterinnen werden können. Letztendlich auch eine Frage der Gleichberechtigung.

Sie lassen den dünnen Faden nicht abreißen?
Auf keinen Fall. Ich glaube, dass im Vatikan Männer mit sehr hohen moralischen Ansprüchen sitzen, die Angst haben und nicht im Stande sind, weiter zu denken. Und vielleicht eine längere Vorlaufzeit brauchen. Es kommt uns gar nicht darauf an, dass sie alle sofort einlenken. Es geht darum, dass das, was in meiner Lebenszeit notwendig ist, auch geschieht. Auch und gerade, wenn sie einen langen Atem haben.

Judith Gigl, die Sie geweiht haben, sagte einmal in der taz: Die Weihe laufe an Frauen runter wie an einem Öltuch. Vorher könnte man einen Goldfisch oder einen Außerirdischen weihen. Ist das die kirchliche Haltung?
Judith zitierte da einen diskriminierenden Priester. Das kann man nicht ernst nehmen. Ich denke, man kann ja nicht jeden Blödsinn, den irgendein Priester sagt, für sich völlig übernehmen. Die Tatsache ist, dass Frauen berufen sind, und dass sie geweiht werden müssen, wenn sie das wünschen und fertig. Diese ewige Rücksichtnahme auf dieEwiggestrigenmach’ ich nicht mehr.

Was sind die Gründe, weshalb es Frauen schwer gemacht wird, äquivalente Positionen zu denen der Männer einzunehmen?
Zum Einen: Diese geschlossenen Männergesellschaften sind oft nicht im Stande mit Frauen zu kommunizieren, weil sie in ihrer Orientierung mehr an Männern interessiert sind als an Frauen. Daher wollen sie Frauen in ihren geschlossenen Systemen nicht gerne haben. Zum Anderen: Frauen müssen immer 200 Prozent leisten, während Männer 50 Prozent leisten. Daher haben diese Männer in keinster Weise ein Interesse daran, sich die Konkurrenz Frau auch noch heranzuzüchten. Dadurch wären sie gezwungen, sich aus der Komfortzone zu bewegen und eine bessere und saubere Leistung abzuliefern. Man kann dann eben nicht mehr unvorbereitet die Predigt halten. Besser zu werden würde der Kirche nicht schaden. Doch dazu sind sie noch nicht bereit.

Können Sie etwas zu dem Rücktritt der Redaktion des Frauenmagazins im Vatikan „Donne Chiesa Mondo“ sagen? Welche Motive haben dazu geführt? Hatte die Leiterin Lucetta Scaraffia berechtigte Zweifel?
Ich habe davon gelesen. Der Rücktritt von irgendwem ist für mich immer eine sehr traurige Angelegenheit, denn damit geben die Frauen etwas aus der Hand, was sie schon inne haben. Ich glaube, nur, wenn Frauen in den bereits besetzten Ämtern solange und so intensiv irgendwie möglich drin bleiben, kann Veränderung geschehen. Von außen kann man nichts machen und beleidigt zu gehen, wäre nicht mein Mittel der Wahl.In diesem Falle kenne ich die Frauen nicht, und auch nicht die Repressalien, denen sie ausgesetzt waren. Da denke ich schon sehr österreichisch: Man muss ja nicht alles tierisch ernst nehmen und wenn man eine Direktive bekommt, die einem überhaupt nicht passt, dann wird man doch kreativ genug sein, Wege zu finden, diese zu umschiffen. Die genauen Motive konnte ich nicht herausfinden, aber wenn sich Männer ewig einmischen und von Frauen irgendetwas verlangen, dann muss man es ja nicht immer tun.

Was empfehlen Sie?
Kreativität ist eine Gabe des Heiligen Geistes, und die muss man einsetzen. Ich war schon immer sehr kreativ im Finden von Auswegen. Denn, wenn ich warte bis mir etwas erlaubt wird, da bin ich gestorben.


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Interview: Nina Hensch

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