Der „Fänger im Roggen“ ist Kult. In J.D. SalingersRoman von 1951 ist Holden Caulfield, rebellische 17 Jahre alt, aus der Provinz nach New York ausgerissen, wo er gegen gesellschaftliche Konventionen aufbegehrt. Irgendwie scheint Caulfield ein altersloser Held zu sein, bis heute geht von ihm ein unvergleichlicher Zauber aus. Die Welt der Teenager, diese Renitenz gegen die Verlogenheit und Bigotterie Erwachsener, der Weltschmerz – all das wird nun in der Bandfabrik am Rande der Stadt neu aufgerollt. Und zwar nicht irgendwie, sondern speziell. Ralf Grobel, manchem aus seiner Zeit als Ensemble-Mitglied der Wuppertaler Bühnen bekannt und in Erinnerung, hat eine neue Vortragsreihe entwickelt. Sie heißt „Grenzgänger“ und präsentiert Texte,die vom Verlassen gewohnter Räume und sicherer Wege erzählen, vom Erkunden der Randbezirke und von Schritten ins Unbekannte – und ins Ungeheure, wie es in der Vorankündigung heißt. Während also „Der Fänger...“ mit geübter Stimme vorgetragen wird, kommentiert Maryanne Piper mit Klarinette und Saxophon. Hoffentlich wird dieser Auftakt am 2. Februar der Beginn einer langen, schönen Serie.
Ein weiteres Buch steht im Februar im Mittelpunkt. Am Opernhaus inszeniert Regisseur Marcus Lobbes den mit dem ranghöchsten Literaturpreis Amerikas, demNational Book Award,ausgezeichneten Romanerfolg „JR“. Es ist die Geschichte eines Kindes, das ein gigantisches Wirtschaftsunternehmen aufbaut. Er ist gierig, lernt schnell und nimmt mit angeblicher Unschuld alle Möglichkeiten wahr, die das kapitalistische System bereithält. Nach dem Prinzip „Kauf auf Pump, verkauf cash, denn nur Bares ist Wahres“ kauft und beleiht er, was immer er bekommt. Und nachdem er mit Pensionsfonds wie Schweinebäuchen, Prothesen und Tabakkonzernen jongliert hat, entwickelt er Fusionskonzepte für Dinge, die seiner Meinung nach thematisch gut zueinander passen. Altenheim, Pflegeheim, Beerdigungsinstitut und Friedhofsverwaltung kommen folgerichtig schon bald aus einem Haus. Das Buch gilt als gelungene Satire auf unsere Gesellschaft, das Stück feiert nicht bloß Wuppertal-Premiere, es handelt sich um die Uraufführung.
Ganz ohne Buch, meist sogar ohne Textvorlage, kommt das Improvisationstheater aus. Bei den Springmäusen ist es viel mehr so, dass das Publikum involviert ist. Das heißt nicht, sich unbedingt und unfreiwillig auf der Bühne zum Affen zu machen. Meistens bedeutet es vielmehr, Stichworte liefern zu dürfen, aus denen die Springmäuse dann wieselflink etwas kreieren.
Bei dem Gastspiel in der Klosterkirche geht es einen Schritt weiter. Kalendarisch bedingt ist Karneval, anderswo Fasching genannt, für manche als Fünfte Jahreszeit überhaupt der beste Teil des Jahres. Auch hier will das Ensemble den Spagat schaffen, einerseits die bekennenden Narren, andererseits die Karnevals-Hasser mit seinen Späßen und Einlassungen zu unterhalten.„Springmaus Alaaf“, die Impro-Karnevals-Karaoke-Party-Sitzung ist beides: eine lustige Zeit für Karnevals-Fans und das willkommenes Asyl für Anti-Karnevalisten. Neben Improvisationen und Sketchen, so heißt es, steht vor allem eines auf dem Programm: Musik. Gemeinsam mit der Springmaus-Karnevalskapelle werden nach Gusto Mottolieder kreiert, aber auch bekannte Gassenhauer („ich hab’ drei Haare auf der Brust“) in der Reggae-, Heavy Metal-, oder Rap-Version. Selbst vor klassischen Komponisten wird nicht Halt gemacht, selbst Mozart und Bach werden schunkelkompatibel, und Free Jazz gleich mit. Das muss man wollen, das muss man mögen – und kann sich prächtig amüsieren.
„Der Fänger im Roggen“ | So 2.2 19 Uhr | Bandfabrik
„JR“ | Fr 21.2 19.30 Uhr | Opernhaus
„Springmaus Alaaf“ | 23.2. 17 Uhr | Klosterkirche, Remscheid-Lennep
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