Die Lokalmatadoren Locas in Love hatten nie den richtig großen Erfolg, haben aber eine treue und wachsende Fangemeinde und sind damit nun bei Warner gelandet. Mit ihrem Doppelalbum „Use Your Illusion 3 & 4“ spielen sie nicht nur auf den Größenwahn der Guns 'n' Roses an, sie scheinen ihm selber erlegen zu sein: Eine CD ist vollgepackt mit ihrem süßen, aber nie süßlichen Pop. Potentielle Hits wie „Wer weiß“ haben immer einen Indie-Schrammel-Grundton und strahlen trotzdem elegant-verführerische Gelassenheit aus. Auf der zweiten CD gibt es noch mal elf Instrumentals mit Krautrock-Anleihen, die nach Kölner Straßenbahn-Haltestellen benannt sind und für Entspanntheit beim Bahnfahren sorgen. Ach ja: Und das Ganze ist natürlich nicht nur 1000 Mal sympathischer als die Guns 'n' Roses, sondern auch musikalisch viel besser (Warner).
Wo das aktuelle, viel gefeierte neue Von Spar-Album „Street Life“ mit größter Perfektion Vorbilder wie Steely Dan mit Krautrock und Elektronik kombinieren und dadurch immer haarscharf am abgezockten Muckertum vorbeischrabbeln, steuern die aus Essen stammenden, nun aber ebenfalls in Köln ansässigen Neulinge Golf mit ihrer EP „Ping Pong“ skrupellos auf 80er-Jahre-Dandy-Pop zu. Den Haken, der wie bei John Maus oder Ariel Pink daraus mehr macht als glatte Oberfläche, muss man erst mal finden. Vielleicht im Sounddesign oder der Lyrik ... Als nächstes kommt wohl die Kölner Supergroup Miami – noch so ein fieser Name – mit einer artverwandten Platte um die Ecke, die französischen Dandy-Pop à la Phoenix und Air experimentell erscheinen lässt. Wird das der neue Sound of Cologne … (Chateu Lala). Ein paar Generationen vorher: Vielleicht die einzige Kölner Band von Weltruf war in den 60er und 70er Jahren Can. Deren Bassist Holger Czukay hat nun eine Wiederveröffentlichungwelle seiner Solowerke losgetreten: Mit „On the Way to the Peak of Normal“ erscheint sein zweites, zum Teil mit der NDW-Band S.Y.P.H. eingespieltes Soloalbum auf CD. Und zum Record Store Day am 18.4. erscheinen zwei Doppel-10-Inches: „11 Years Innerspace“ versammelt sechs seiner Stücke aus den 80er Jahren, „Flop“ enthält fünf Stücke, darunter zwei „Hits“ der mittleren 80er als Original- und Instrumental-Version. Letzteres ist sicher vor allem ein Sammlerstück (Grönland).
Tenors of Kalma ist ein Trio, das aus dem Jazz-Funk-Elektronik-Wizard Jimi Tenor, dem Jazzgitarristen Kalle Kalima und dem Schlagzeuger Joonas Riippa besteht. „Electric Willow“ vereint Acid-House-Geblubber mit Free-Jazz-Ausbrüchen und Jazz-Rock, aber auch psychedelischen Arabesken. Irgendwie klingt das alles historistisch und eklektizistisch, aber dann merkt man wieder, dass man das in dieser aberwitzigen Form wohl doch noch nicht gehört hat (enja). Nachdem sich Adrian Sherwood in den 70er Jahren bereits einen Namen mit der Produktion von Dub gemacht hatte, war er Anfang der 80er Jahre eine entscheidende Schnittstelle zwischen Dub-Reggae und Post-Punk. „At the Controls Volume 1: 1979-1984“ zeichnet diese Zeit des Sound-Tüftlers mit High-Tech Produktionen und Remixen von und für den Post-Punk von Medium Medium, Mark Stewart, The Fall, The Slits, Shriekback und den Reggae von Prince Far I, Singers & Players oder African Head Charge nach (On U Sound). Bassekou Kouyaté kommt aus Mali und macht diese hypermelodische Musik, die man aus dem Süden des Landes kennt. Zusammen mit seiner Band Ngoni Ba setzt er sich mit dem neuen Album „Ba Power“ ein wenig zwischen den weicheren Klängen des Südens und dem Wüstenrock des Nordens. Das Album ist mit seinem schnellen Afro-Rock deutlich nervöser als die Vorgänger. Ekstatische, aber sehr melodiöse Tanzmusik mit tollen, aufreibenden Gesangslinien (Glitterbeat).
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