Der Pop-Hysteriker John Maus hat lange geschwiegen. Mit „Screen Memories“ veröffentlicht er erneut eine 80er-Jahre-Fantasie voll melancholischem Pathos und sediertem Schönklang, der ganz im Gegensatz zu seinen legendären Playback-Ausratern auf der Konzertbühne steht. Eine fette Box seines Gesamtwerks ist in Planung (Domino). „The Ooz“ ist das zweite Album des Wunderkindes King Krule, der 2013 mit 19 Jahren sein erstes Album veröffentlichte. Sein neues Werk hat sich vom Post-Dubstep entfernt und klingt düsterer, eiert somnambul durch mysteriöse Klanglandschaften und entfaltet versehentlich dann doch den ein oder anderen Ohrwurm – faszinierend (XL Recordings). Avishai Cohen wurde gerade noch bei seinem Konzert in der Kölner Philharmonie mit einem Instrumental-Set seines Trios gefeiert, jetzt erscheint die lange erhoffte Vocal-CD des israelischen Bassisten. „1970“ löst nicht ganz die Hoffnungen nach „Aurora“ von 2009 ein, eine Platte, die zahlreiche Stücke mit seiner schönen, melancholischen Stimme enthielt. Auf „1970“ finden sich auch wieder hebräische oder lateinamerikanische Songs, die man zum Teil schon kennt. Daneben sind hier aber auch ein paar sehr gefällige Pop-Tunes (Razdaz).
Eine Menge Reissues schlagen im Herbst auf: 1983 haben sich im Studio des belgischen Labels Crammed Disc der kongolesische Musiker Bony Bikaye, der französische Komponist Hector Zazou und die beiden experimentellen Elektroniker Guillaume Loizillon und Claude Micheli alias CY1 zusammengefunden und eine bis dato ungehörte Verbindung von minimalistischer, elektronischer Tanzmusik und afrikanischem Gesang hergestellt. Fred Frith steuerte mit Gitarre noch No Wave-Dissonanzen bei und Labelchef Marc Hollander (The Honeymoon Killers, Aksak Maboul) hat live abgemischt. „Noir et Blanc“ ist ein einzigartiger Solitär, der aktuelle Verschmelzungen von Elektronik und Afro-Beat um 30 Jahre vorweggenommen hat. Das britische Label Mute, gegründet 1978 zur Frühzeit des Postpunk und Heimat von u.a. Nick Cave, Einstürzende Neubauten oder Depeche Mode, macht sein Frühwerk wieder zugänglich: Das erste Kassettenalbum „The Graveyard and the Ballroom“ von 1979 und das erste Vinylalbum „To Each“ von 1981 von A Certain Ratio ist spröder, scharfer Funk im Geiste der New Wave und klingt immer noch frisch. Die Noise-Band Throbbing Gristle hat seit 1976 auf ihrem eigenen Label Industrial Records ihre genredefinierenden physischen und psychischen Attacken gefahren, die später von Mute rereleased wurden. Jetzt werden das Debüt „Second Annual Report“ von 1977 und ihre „Disco“-Platte „20 Jazz Funk Greats“ wieder mit jeweils einer Bonus-CD mit raren Live- und Studioaufnahmen zugänglich gemacht: wegweisend und extrem in jeder Hinsicht.
Der Originaltitel von James McBrides „Black and Proud – Auf der Suche nach James Brown und der Seele Amerikas“ ist ungleich drastischer: „Kill‘Em and Leave“ heißt die James-Brown-Biografie des renommierten Autors, Musikers und Journalisten McBride („Die Farbe von Wasser“). McBride umkreist die Figur des kaum fassbaren Godfather of Soul, begibt sich in die Tiefen seines Lebens und stößt dabei ganz automatisch auf die Geschichte der Afroamerikaner und ihrem Verhältnis zur amerikanischen Geschichte. McBride, der sich als Autor immer wieder selbst einbringt, findet für seine Spurensuche in der Seele der Black Community fantastische Bilder, die ihn in die Nähe eines James Baldwin rücken (btb).
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