Nachhaltigkeit ist modern. Der Eindruck entsteht schnell beim inzwischen häufigen Gebrauch des Wortes, das auf den verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen abzielt. Konkret auf den Spuren des Trends wandeln ließ sich jetzt zum Jubiläum des Wuppertal Instituts: Die führende Forschungseinrichtung für nachhaltige Entwicklungen wurde 25 Jahre alt und lud Fachpublikum wie Bürger nicht nur zum Festakt in der Stadthalle. Nach Grußworten und Fachvorträgen ging man vielmehr zur Praxis über – herüber nämlich zum Arrenberg, kaum fünfzehn Fußminuten entfernt und offizielles „Klimaquartier“, das bis 2030 CO2-neutral werden will. Eine Entdeckungsreise rund um ein schillerndes Konzept – und nebenbei eine gute Gelegenheit, um der Ambivalenz moderner Schlagworte nachzuspüren.
Bloß eine Mode zu bedienen, ist dabei sicher kein Schuh, den das Wuppertal Institut sich selbst anziehen müsste. Im Gegenteil ist transformative Wissenschaft zentral für sein Selbstverständnis, der Anspruch also, Forschung mit Akteuren zusammenzubringen und so nutzbar zu machen. So untersuchte ein Projekt der letzten Jahre Einsparpotenziale beim Kunststoffeinsatz in Deutschland, ein anderes widmete sich Wegen zu nachhaltiger Mobilität in Asien oder Lateinamerika. Offensiv ermuntern die Experten Politik wie Unternehmen, das Know-how des Hauses anzunehmen und umzusetzen. Mit gesundem Selbstbewusstsein beansprucht das am Döppersberg ansässige Institut sein Gewicht im öffentlichen Diskurs – und, wie es sein Präsident in der Stadthalle sagte, der Ökonom Prof. Dr. Uwe Schneidewind: „mit die Frechsten im System zu sein.“
Wer sich nun einer der drei Exkursionen zu Arrenberger Adressen anschloss, mochte indes ins Staunen geraten, was alles unter dem Label Nachhaltigkeit fungiert. Der Zusammenhang Müll – Wärme – Mobilität war Thema im alten Heizkraftwerk an der Friedrich-Ebert-Straße, das 2019 stillgelegt wird. Die Stadtwerke machen offenbar ernst mit thermischer Verwertung der Energie aus Müllverbrennung, und ihr Referent erklärt: „Die Energieversorgung der Zukunft ist viel stärker dezentral.“ An der Steinbecker Meile steht auf dem Parkplatz seit Kurzem ein Infocontainer mit Vorführfunktion: Im Bassin paddeln Fische, deren Ausscheidungen die Tomaten auf dem Dach düngen. Keiner hat gesagt, dass Nachhaltigkeit nicht befremden darf. Durchaus vielversprechend: Schon in Planung ist das Gleiche im größeren Stil, das ernstlich einen Beitrag zur Ernährung des Viertels leisten will.
Kreative Umnutzung hingegen macht die frühere Trinitatiskirche zur Tourstation, heute eine Orgelhandlung; Ähnliches gilt, zugegeben ein wilder Vergleich, für den „U-Club“. Denn die weitbekannte Kellerdisco war früher Teil der Küpper-Brauerei und ist „extrem gut isoliert“, erzählt in den Katakomben der Mitarbeiter: „Die Wandstärke ist unfassbar.“ Ein Designbüro bietet dann eine Mitmachaktion für Wuppertal als Urlaubsort, als Beispiel für seine neuartigen Methoden; nebenan gibt es Virtual Reality und einen redseligen Roboter. Das alles ist spannend und ohne Zweifel innovativ – aber Ertrag nachhaltigen Denkens? Der Begriff wirkt zuweilen arg strapaziert. Und mag man die ebenfalls besuchte T-Shirt-Produktion aus Holzfasern auch für die Idee loben: Die jungen Macher promoten sich so trendgerecht, dass die Kunden ihnen vermutlich auch Smoothies mit Holzgeschmack abkaufen würden.
Macht nichts, unterm Strich: Das Wuppertal Institut wirkt zum Ehrentag unverändert frisch wie auch verwurzelt – ohne freilich sakrosankt zu sein. Denn auch wenn das Festbuffet dauernd köstlich mit Nachhaltigem aufgefüllt wurde, konnte der Nachbar am Stehtisch, Umweltdezernent aus Ingolstadt, sich etwas Sticheln nicht verkneifen – Stichwort Verschwendung: „Buffets sind eigentlich nur noch mit mobiler Zubereitung nach Bedarf akzeptabel.“ Ein Institut mit einem so wachen Netzwerk dürfte wirklich nicht so bald zur bloßen Institution verkommen.
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