Zwei Dinge sind unendlich, die Dummheit und das All. Blixa Bargeld entfremdete einst für die Einstürzenden Neubauten ein Zitat von Albert Einstein, es könnte abgewandelt auch auf das Stück „Die Dummheit“ von Rafael Spregelburd passen: wenn man das All durch Geld ersetzt. Auch das scheint unendlich, ein Trugschluss, wie der argentinische Autor sicher aus seiner Heimat weiß. Der Wuppertaler Schauspiel-Chef Christian von Treskow hat Spregelburds Dreistunden-Farce in einen Raum gepresst, der eigentlich viele amerikanische Motelzimmer ist, dessen Interieur bleibt, während Name, Ort und Dekobild wechseln. Hier treffen sich 24 Personen, die alle auf der Jagd nach dem großen Geld sind, eine Dummheit, wie sich herausstellt. Am Ende wird nur einer gewinnen: Die Mafia.
Da geht es um den ganz großen Kunstbetrug in Millionenhöhe, da geht es um korrupte schwule Polizisten, um die Glücksritter am Roulettetisch, aber auch um die Wirren der Wissenschaft, das menschliche Versagen, die Liebe und das krankhafte Hasten nach dem Glück. Und alles findet eben statt in diesem Standard-Motelzimmer in Las Vegas. „All through the night” von Cindy Lauper intoniert das blonde Dummchen zu Beginn, die Zeile „and once we start the meter clicks and it goes running all through the night“, ist der Auftakt zu einem Szenenwirrwarr durch Bett und Toilette, bei dem höchste Aufmerksamkeit verlangt wird, Christian von Treskow arbeitet den monetären Wahnsinn an der Oberfläche aber sehr originell und so witzig heraus, dass die Zeit wie im Flug vergeht. Natürlich helfen auch die fünf überzeugenden Schauspieler, die vorn die zwei Dutzend Figuren spielen und dafür hinter der Bühne durch die wechselnden Garderoben hasten. Insbesondere Sophie Basse und Maresa Lühle brillieren hier besonders vor den projizierten amerikanischen Wüstenlandschaften.
Es sind Verzweifelte, die da in der Öde ums Überleben kämpfen, es sind Gemarterte der Gesellschaft, die im vierten Teil der Heptalogie des Hieronymus Bosch gepeinigt werden. Sieben Mal geht es bei Rafael Spregelburd um die Todsünden auf dem mittelalterlichen Rundtischbild des niederländischen Malers. Bei der Habgier in erster Linie um Bestechung. Irgendwie haben sich in „Die Dummheit“ alle 24 von irgendetwas bestechen lassen, fristen ihr Edward Hoppersches Dasein in den austauschbaren Motelzimmern. Sie gewinnen, sie verlieren, doch irgendwie reicht das nicht aus, die ausgetretenen Pfade zu verlassen. Hinter all diesem Slapstick, dem Witz und der Lächerlichkeit der Figuren liegen die wahren Tatbestände einer Gesellschaft, deren Strukturen haufenweise gescheiterte Existenzen produzieren, die sich zwar wie Dumme benehmen, aber beileibe nicht anders sind, als diejenigen, die ihnen zuschauen. Die Inszenierung ist jedenfalls so schlau, nicht nur auf die Komödie zu setzen, nicht nur dem vorprogrammierten Chaos nachzugeben, sondern unter der Oberfläche des Geldes auch etwas Raum für die seelische Not der Personen zu finden.
„Die Dummheit“ von Rafael Spregelburd I R: Christian von Treskow I Kleines Schauspielhaus Wuppertal I Fr 13.5. 20 Uhr I 0202 569 44 44
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