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Am Anfang war der Klang

26. Oktober 2011

Johannes Weigand, Chef des Wuppertaler Opernhauses, inszeniert Giuseppe Verdis „Falstaff“ – Bühne 11/11

Mit Giuseppe Verdis letzter Oper, von Johannes Weigand neu inszeniert, von Hilary Griffiths dirigiert, von Judith Fischer und Moritz Nitsche ausgestattet, gehen die Wuppertaler Bühnen gegen den Herbstblues an. Den pompösen Titelhelden gibt Kiril Manolov Todorov, jedes Pfund ein pfiffiger und selbstbewusster Genießer, dem der Körper dann und wann mit dem Geist durchgeht. „Sir John“, so beschreibt Regisseur und Opernhaus-Chef Johannes Weigand, „ist ein verarmter Adliger, hoch gebildet und fantasiebegabt, ein Connaisseur des Lebens und natürlich der eigentliche Gewinner – jedenfalls moralisch. Geld braucht man zum Leben, Punkt. Falstaff ist gewissermaßen der helle Bruder seines direkten Vorgängers, nämlich dem „Jago“ aus dem „Otello“. Schon in seinem Monolog über die Ehre im ersten Akt zeigt er sich sehr lebensklug, er weiß ganz genau, dass die Moral beim Fressen aufhört.“

Das Stück mit seinen augenzwinkernden Pointen, 1893 uraufgeführt, passt bestens in den Spielplan. Unter anderem deshalb, weil es ein „ganz wunderbares Ensemblestück ist. Die zehn Solisten und der Chor haben ganz fantastisch getimte, großartige Ensembleszenen. Jede Partie, jede Rolle ist reich und wichtig.“

Raffinierte Konstellationen
Wie bei allen wirklichen Komödien bewegt sich beim „Falstaff“ die Handlung haarscharf am tragischen Abgrund. Als Zuhörer amüsiert man sich bestens über das Elend der Figuren. Immerhin wird Falstaff beinahe erstickt, fast ersäuft und schließlich ordentlich verprügelt. Aber nicht nur der Titelheld muss kräftig einstecken, auch die anderen Figuren haben Nehmerqualitäten. „Eigentlich jeder bekommt sein Fett weg in dem Stück. In der berühmten Schlussfuge halten alle Figuren musikalisch für einen Moment inne, die Musik wird für einen Augenblick sehr nachdenklich, geradezu innerlich. Sie singen „tutti gabbati“ – „wir sind alle Geprellte“. Sie haben also eine wichtige Lebenslektion begriffen“, erläutert Johannes Weigand. Die Damen Ford (Banu Böke) und Page (Joslyn Rechter) beschreibt Johannes Weigand als selbstbewusste Frauen, auch wenn „Emanzipation“ im heutigen Sinne gar nicht thematisiert wird. „Wie viele Geschichten aus den Stücken Shakespeares ist auch diese undenkbar ohne die italienischen Novellen der Frührenaissance. Und in denen gibt es zum ersten Mal jenen realistisch betrachteten selbstbewussten Menschen, der sich vor allem um seine eigenen Bedürfnisse kümmert.“

Amüsante Einsichten
Der „Falstaff“ ist einmal Verdis Opus Summum, das er wie eine einzige große Schlusskadenz unter sein Lebenswerk gesetzt hat. Gleichzeitig ist er aber eine der ganz wenigen großen Komödien der italienischen Operngeschichte zwischen Rossini und Donizetti und dem ebenfalls singulären „Gianni Schicchi“ von Puccini, ordnet der Opernintendant das Werk ein. In der Zeit des Fin de Siècle wurden zwischen Musikdrama und Verismo nicht viele Komische Opern komponiert, schon gar nicht nach Shakespeares Komödien. Es gibt kein Werk, das bei aller Kunst und Meisterschaft mit einem so unglaublichen Understatement daherkommt wie der „Falstaff“. „Verdi gönnt uns ja kaum ein Verweilen im Moment, alles dient der Darstellung dieses perfekten Spiels.“ Und erst mit der finalen Fuge lösen sich manche Rätsel und Fragen.

Das Bühnenbild ist logisch und durchaus anregend: „Wir haben versucht, eine kleine Welt auf die Bühne zu stellen, die Heimat all der unterschiedlichen Figuren und Situationen sein kann. Verdis Falstaff ist – bei aller Kunstfertigkeit – ein realistisches Stück und braucht eine gewisse Realität auf der Bühne. Deshalb „siedeln wir die Handlung an“: in einer Zeit, die fern genug von unserer ist, aber doch so nah, dass wir Kostüme und Requisiten verstehen und einordnen können. Und an einem Ort, der genau das ist, was Verdi komponiert hat, nämlich Inghilterra. Das England, wie es die Italiener – ebenso wie wir Deutschen – lieben.“
„Falstaff“ ist auch ein Synonym für Genuss. Ob das auch in Johannes Weigands Inszenierung so ist? „Wissen Sie, mit dem Singen und dem Genuss ist es so eine Sache: Wer gute Musik macht, kann oft auch sehr gut kochen und genießen. Die Oper ist in der Hinsicht wirklich ein perfektes Dinner, aber keinesfalls nur leichte Kost.“

„Falstaff“ I Mi, 2.11. Premiere im Teo Otto Theater Remscheid

„Falstaff“ I So, 27.11. Premiere der Oper in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln an der Wuppertaler Oper I www.wuppertaler-buehnen.de

VALESKA VON DOLEGA

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