Dass Lars Emrich, Künstlerischer Leiter des Kinder- und Jugendtheaters Wuppertal, jetzt den „Räuber Hotzenplotz“ von Matthias Brandebusemeyer inszenieren lässt, hat mehrere Gründe – und alle sind einfach: „Es war das erste Stück, das vor 40 Jahren am Kinder- und Jugendtheater auf die Bühne gebracht wurde. Also quasi das Stück, mit dem alles begann. Im Jubiläumsjahr würdigen wir das.“ Außerdem ist der „Hotzenplotz“, von Otfried Preußler übrigens nach einem Flüsschen und dem Städtchen Hotzenplotz im mährischen Schlesien benannt, eine „schöne Geschichte, die ich immer gemocht habe. Sie kommt so unschuldig daher, ist unkompliziert, aber trotzdem raffiniert.“
Kinder ab fünf Jahren hat Regisseur Brandebusemeyer bei seinem Tun im Visier, gradlinig und wie vom Autoren konzipiert erzählt er die Geschichte. „Da gibt es keine Schenkelklopfer oder moderne Comedy. Das Stück trägt sich selbst und braucht keinerlei Modernisierung“, erklärt er. Und so bleibt die Story wie in den 60er Jahren von Otfried Preußler ausgedacht: Kasperl und Seppel haben ihrer Großmutter zu deren Geburtstag nicht irgendetwas geschenkt. Als Präsent wählten sie eine Kaffeemühle aus, die bei der Arbeit quasi vor Freude pfeift und Omamas Lieblinsglied spielt. Das ist so schön, dass der ebenso ruchlose wie gesuchte Räuber Hotzenplotz das Kleinod stiehlt und die gewitzten Jungs beschließen, ihn persönlich zu fangen. Aber die beiden geraten in eine Falle, Kasperl wird an den Zauberer Petrosilius Zwackelmann verkauft, und so beginnt eine Reihe spektakulärer Ereignisse. Dabei entpuppt sich eine hässliche Unke als Fee Amaryllis, Feenkraut und Mondlicht spielen eine Rolle, und selbst der strunzdumme Polizist mit dem klingenden Namen Dimpelmoser kann den Lauf der Geschichte bis hin zum glücklichen Ende nicht aufhalten.
Spiel mir das Lied vom Hans
„Jede Figur“, so Matthias Brandebusemeyer, „hat ein klares Profil und steht für etwas“. Magier Zwackelmann ist immer ein bisschen aufgeregt, Polizist Dimpelmoser preußisch diszipliniert, aber, nomen est omen, eben auch eher simpel strukturiert. Kasperl ist natürlich und spontan und Seppel ein grundsätzlich gutmütiges Menschenkind, das aber mitnichten blöde ist. „Er lebt in einer Welt, die er nicht gemacht hat“, beschreibt der Regisseur diesen Charakter. Seppel und Kasper sind übrigens Cousins und die Großmutter ein Bilderbuchexemplar, wie man sich eine solche Omi eben vorstellt. Ihr Lieblingslied ist „Alles neu macht der Mai“ – zur mitsummtauglichen Melodie von „Hänschen klein“.
„Wir sind nicht die Erklärbären“, beantwortet Matthias Brandebusemeyer die Frage, ob Kinder der Generation Millennium und jünger überhaupt wissen, was eine Kaffeemühle ist. Bücher und Geschichten von früher haben eben auch die schöne Eigenschaft, in verschwundene Welten abzuschwirren, schwärmt Lars Emrich. „Den ganzen ‚Hotzenplotz’ hat der Preußler aus Spaß geschrieben. Weil er mit ‚Krabat’ nicht weiterkam.“ Und diese Lust am Erzählen merkt man. Gerade das sei ja das Bezaubernde am „Hotzenplotz“, dass so einfache Sachen so gut funktionieren: Die Jungs tauschen ihre Mützen und glauben, damit ihre Identität getauscht zu haben. Schöne Ideale wie Freundschaft, Gewissenhaftigkeit und Zuverlässigkeit werden unaufdringlich von diesen sympathischen Figuren mitvermittelt, und es gibt ebensoviel zu lachen wie zu staunen.
Bestes Kaperltheater
Die verschiedenen Schauplätze, an denen Seppel, Kasperl und Zwackelmann ihre diversen Abenteuer erleben, setzt, wie am Kinder- und Jugendtheater gewohnt, Laurentiu Tuturuga gekonnt und ansehnlich um. Haus, Wald, Höhle und Zauberschloss verwandeln sich in seiner Bühnenbildkonstruktion im Handumdrehen in eine neue Lokation. Und wie bei einem Kinderbilderbuch gibt es Pop-Ups, die sich als weitere Bühnenaccessoires entpuppen. Auch die Kostüme, mit denen die sieben Schauspieler sich in ihre Rollen verwandeln, sind klassischer Art. Kasperl trägt also krachlederne Hosen und eine rote Kappe, Seppel einen – natürlich – Seppelhut.
Und selbstverständlich dürfen die Zuschauer darauf gespannt sein, wie die vielen kulinarischen Details – im „Hotzenplotz“ gibt es Pflaumenkuchen mit Schlagsahne oder Bratwurst mit Sauerkraut – umgesetzt werden. Dass die Funken sprühen, allein schon wegen der Zauberei von Zwackelmann, der übrigens in seinem magischen Mantel bis zu einem Kollegen nach Buxtehude fliegen kann, steht auf jeden Fall fest.
„Der Räuber Hotzenplotz“ I Regie: Matthias Brandebusemeyer I Ausstattung: Laurentiu Tuturuga I Musik: Thomas Wansing I Premiere: Sa, 15.10., 16 Uhr I Aula Bundesallee 222 I weitere Vorstellungen: 19./20.10./6./8.-10.11. I www.kinder-jugendtheater.de
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