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Kein Chinese, Franzose! Frédéric Chau in „Made in China“.
Foto: Presse

„Die Figur trägt 80% von mir in sich“

26. Juni 2019

Frédéric Chau über „Made in China“ – Roter Teppich 07/19

Mit seiner Rolle als chinesischer Schwiegersohn Chao Ling in „Monsieur Claude und seine Töchter“ wurde der 1977 im vietnamesischen Saigon geborene Frédéric Chau im Jahr 2014 über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt. Die freche Komödie über rassistische Ressentiments und kulturelle Unterschiede zog unlängst die ähnlich erfolgreiche Fortsetzung „Monsieur Claude 2“ nach sich, in der Chau ebenfalls wieder mit von der Partie war. Nun hat er die Hauptrolle in „Made in China“ übernommen, für den er auch selbst das Drehbuch geschrieben hat. Die Culture-Clash-Komödie aus dem Milieu asiatischer Einwanderer in Paris startet am 18. Juli in den Kinos.

engels: Monsieur Chau, die Geschichte von „Made in China“ scheint zumindest zum Teil auf Ihren eigenen Erlebnissen zu basieren. François sagt im Film einmal „Ich bin Franzose, kein Chinese“. Haben Sie sich so auch schon einmal verteidigt?

Frédéric Chau: Man kann sagen, dass die Figur François im Film ungefähr 80% von mir in sich trägt. Diesen Satz habe ich auch selbst schon einmal im privaten Rahmen gesagt, zum einen Freunden, aber auch schon meiner eigenen Ehefrau gegenüber, um auf gewisse Sachen zu reagieren.

Ihre Anfänge liegen in der französischen Comedy-Szene. Haben Sie dort gelernt, gewissen Demütigungen mit Humor zu begegnen?

Ja, sicher. Aber das geht noch weiter zurück. Als ich noch ein kleiner Junge war und man mich beleidigt hat, gab es eigentlich nur zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Entweder, ich habe diese Person wirklich physisch geschlagen, oder ich habe versucht, mich mit Worten zu wehren. Natürlich ist Gewalt nie eine Lösung, weswegen ich schnell gemerkt habe, dass der Humor mir durchaus einen alternativen Lösungsansatz geboten hat.

Teile des Films spielen im 13. Pariser Bezirk, dem sogenannten Chinatown. Haben Sie selbst auch dort gelebt?

Nein, ich bin selbst nicht in diesem 13. Pariser Bezirk aufgewachsen, aber meine Eltern sind mit mir an jedem Sonntag ins 13. gegangen, um dort einzukaufen. Denn dort gab es den riesigen Supermarkt „Tang Frères“, der auch im Film vorkommt, und das war damals wirklich der einzige Ort in Frankreich, an dem man wirklich alles bekommen hat, was in irgendeiner Form mit asiatischer Ess- und Lebenskultur zu tun hat. Und danach sind wir dort in der Nähe auch jeden Sonntag in asiatische Restaurants zum Essen gegangen.

François hat Probleme damit, die Erwartungen seiner Eltern zu erfüllen. Ist es Ihnen auch so gegangen oder wurden Sie von Ihren Eltern in Ihrer Lebensplanung unterstützt?

Zunächst waren meine Eltern schon enttäuscht, als sie gesehen haben, dass ich nicht Ingenieur werde, dass ich kein Computerfachmann werde und dass ich auch nicht studieren möchte. Als sie nach Frankreich gekommen waren, hatten sie viele Mühen auf sich genommen und wollten immer, dass ihre Kinder eine bessere Zukunft haben als sie selbst. Sie haben für uns auf eine bessere Bildung gesetzt, was dann erstmal in Rauch aufging. Mit der Zeit haben sie aber verstanden, dass ich mich in diesem Land auch einer anderen Kultur angeschlossen habe und dass ich deswegen einen anderen Beruf gewählt habe. Aber ich bin ihr Sohn, ihr Kind, und mittlerweile haben sie das auch vollkommen akzeptiert.

Bing Yin, der im Film ihren Vater spielt, ist seit vielen Jahren als Schauspieler aus französischen Filmen bekannt. Hatten Sie Mitspracherecht bei seiner Besetzung?

Also dazu muss man sagen, dass es in Frankreich insgesamt nur sehr wenige professionelle asiatische Schauspieler gibt. Als es um die Besetzung der Vaterfigur ging, hatten wir tatsächlich nur die Wahl zwischen drei verschiedenen Schauspielern, die dafür überhaupt in Frage gekommen sind. Zwischen diesen dreien haben wir dann ein Casting veranstaltet. Es hat mir große Freude bereitet, dann am Ende mit Bing Yin zusammenzuspielen, denn seine private Geschichte ist wirklich sehr berührend. Er hat das Konservatorium in Shanghai abgeschlossen, kam dann nach Frankreich, fand aber einfach keine adäquaten Rollen. Man bat ihm meist nur stereotype Rollen an, und er war aus finanziellen Gründen gezwungen, einen ganz anderen Beruf auszuüben. Hier konnte er nun endlich einmal eine große und wichtige Rolle spielen. Dafür hat er sich bei mir mit Tränen in den Augen bedankt, was mich sehr gerührt hat.

In der Rolle des Chao Ling in „Monsieur Claude und seine Töchter“ sind Sie über die Grenzen Frankreichs hinaus international bekannt geworden. Was bedeutet Ihnen dieser Film?

Ich muss schon sagen, dass bereits der erste „Monsieur Claude“-Film für mich ein richtiges Wunder war! 12,6 Millionen Franzosen haben den Film gesehen, weltweit waren es 21 Millionen, auch der zweite Teil war ein großer Erfolg, den in Frankreich sieben Millionen Menschen gesehen haben. Das sind Wahnsinnszahlen! Natürlich hat es mir geholfen, dass man mich besser kennt und dass mir andere Rollen angeboten werden. Ich bekomme nun weniger Rollenangebote für klischeehafte Asiaten, aber schon vor dem ersten „Monsieur Claude“-Film hatte ich beschlossen, diese Rollen nicht länger anzunehmen, weil man auch einmal Nein sagen können muss, um in seiner Karriere weiterzukommen. Beide Filme sind sehr tief in meinem Herzen verankert.

Ich könnte mir vorstellen, dass dabei auch Freundschaften entstanden sind, denn Medi Sadoun ist ja nun auch in „Made in China“ wieder als Co-Star mit dabei...

Ja, es stimmt, ich habe Medi Sadoun beim ersten „Monsieur Claude“-Film kennengelernt, und wir sind sofort Freunde geworden. Wir machen sehr viel auch privat zusammen, beispielsweise Sport, und sehen uns auch so sehr oft. Wir wohnen nicht weit voneinander entfernt und gehen auch öfter zusammen essen. Hinzu kommt, dass Medi im 13. Bezirk, also in Chinatown, aufgewachsen ist und dort seit 35 Jahren lebt, auch heute noch. Er kennt diesen Bezirk noch besser als ich, deswegen war es ganz natürlich, dass ich ihm diese Rolle angeboten habe. Für ihn war der Film auch eine Möglichkeit, sich bei der asiatischen Community zu bedanken, unter der er aufgewachsen ist.

War es für Sie jemals eine Option, „Made in China“ auch selbst zu inszenieren – sie haben ja auch schon Filme als Regisseur gedreht?

Das ist wirklich eine sehr gute Frage, aber das Projekt hat ja bereits vor acht Jahren begonnen. Als mich damals die Produzenten fragten, ob ich mir vorstellen könne, auch Regie zu führen, habe ich sofort Nein gesagt, weil ich noch nicht genügend Erfahrungen gesammelt hatte in dieser Branche. Ich wollte mich wirklich auf die Schauspielerei konzentrieren. Natürlich habe ich mir beim Dreh selbst dann doch immer wieder diese Frage gestellt, weil ich mittlerweile doch schon Einiges an Erfahrungen gemacht hatte, aber ich habe mich trotzdem dagegen entschieden, weil ich wollte, dass Julien Abraham Regie führt und ich mich auf das Schauspiel konzentrieren kann. Ich wollte nicht vor und hinter der Kamera stehen, weil ich der Meinung war, dass ich dadurch viel zu viel Zeit verloren hätte. Aber ich bin gerade dabei, mein zweites Drehbuch zu schreiben, und bei dessen Verfilmung werde ich dann auch Regie führen.

Interview: Frank Brenner

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