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Liebe in Zeiten des Krieges: Valerie Pachner mit August Diehl in „Ein verborgenes Leben“.
Presse

„Bei Terrence Malick hat man viel mehr Zeit“

29. Januar 2020

Valerie Pachner über „Ein verborgenes Leben“ – Roter Teppich 02/20

Valerie Pachner wurde 1987 im oberösterreichischen Wels geboren. Sie absolvierte eine klassische Schauspielausbildung am Max-Reinhardt-Seminar in Wien und wurde 2013 Ensemblemitglied am Residenztheater in München. Im selben Jahr stand sie auch das erste Mal vor der Kamera. Nach Auftritten in „Jack“, „Vor der Morgenröte“, „Egon Schiele – Tod und Mädchen“ sowie „All My Loving“ feierte sie internationale Erfolge mit ihrer Hauptrolle in „Der Boden unter den Füßen“. Nun ist sie neben August Diehl als Hauptdarstellerin in Terrence Malicks neuem Film „Ein verborgenes Leben“ zu sehen, der am 30. Januar in den Kinos anläuft.

engels: Frau Pachner, es kommt nicht oft vor, dass man von einer Regielegende für die Hauptrolle in einem internationalen Film besetzt wird. Wissen Sie, wie Terrence Malick auf Sie aufmerksam geworden ist?

Valerie Pachner: Das lief über die Casterin Anja Dihrberg, die Malick mit dem Casting für den Film betraut hatte. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch kaum Filme gedreht, arbeitete am Residenztheater in München. Dihrberg hatte mich wohl in einem Kurzfilm gesehen und mich daraufhin zum Casting eingeladen. Terry hat mir dann schon nach dem ersten Tape das Angebot für die Rolle gemacht. Das ging irgendwie sehr schnell (lacht).

Die Geschichte basiert auf tatsächlichen Ereignissen. Vermutlich hatten aber auch Sie im Vorfeld noch kaum etwas von Franz Jägerstätter gehört, richtig?

Ich komme ja aus Oberösterreich und stamme aus der Gegend, in der das alles passiert ist, deswegen waren mir der Name und der Fall schon ein Begriff. Aber alle Details darüber waren auch mir nicht bekannt, das habe ich dann erst im Zuge der Vorbereitung auf die Rolle alles erfahren. Ich bin auch nach wie vor erstaunt, dass – anders wie die Geschichte der Geschwister Scholl – selbst in Österreich nicht jeder etwas über Jägerstätter weiß. Bis in die 1980er Jahre hinein war das eher Dorfgespräch, erst als Gordon Zahn ein Buch über ihn schrieb, wurde das Ganze bekannter.

Wissen Sie etwas über Malicks Intentionen, ausgerechnet einen Kriegsfilm über einen „guten Deutschen“ respektive Österreicher zu machen?

Nein, er redet ja äußerst ungern über seine ganz persönlichen Zugänge zu einer Geschichte. Aber ich weiß, dass er die Idee dazu schon in den 90er Jahren hatte. Bei den Amerikanern ist die Geschichte durch Gordon Zahns Buch schon einigermaßen bekannt, es gibt dort auch die „Friends of Franz“-Gruppe. Der Fall an sich ist ja sehr interessant, aber Malicks ganz persönlichen Zugang dazu kenne ich nicht. Es gibt hierzulande ja eine Verfilmung durch Axel Corti und es wurde ein Theaterstück daraus gemacht, aber ich finde schon, dass der Geschichte auch hierzulande längst eine größere Aufmerksamkeit gebührt hätte.

Größere Passagen im Film sind auch in der Originalfassung auf Deutsch gedreht. Wissen Sie etwas über die Hintergründe, und hat Malick dabei immer verstanden, was gerade gesagt wurde?

Terry kann ein bisschen Deutsch, er hat sogar Heidegger übersetzt. Deswegen hat er schon mitbekommen, was immer gesagt wurde. Viele Szenen haben wir sowohl auf Englisch als auch auf Deutsch gedreht. Manche der deutschen Schauspieler hatten auch Probleme mit den englischen Szenen, weswegen er sie dann noch einmal auf Deutsch drehen ließ. Am Set sind die Grenzen zwischen den Sprachen ohnehin zerflossen, das war irgendwann einfach egal. Terry ging es ohnehin mehr darum, was in einer Szene gerade verhandelt wird, nicht in welcher Sprache.

Terrence Malick gibt keine Interviews, ihn umgibt seit Jahren ein großes Geheimnis. Seine Filme haben einen ganz eigenen Stil. Unterscheidet sich auch seine Arbeitsweise am Set von der seiner Kollegen?

Ja, mir ist jedenfalls bisher noch kein vergleichbarer Regisseur begegnet. Es kommen unterschiedliche Aspekte zusammen, die ihm diese Arbeitsweise erlauben. Da er nur mit natürlichem Licht arbeitet, fallen viele Umbaupausen für die Lichtsetzung bei ihm weg. Dadurch kann sich die Kamera viel freier im Set bewegen, erst recht mit dem Weitwinkelobjektiv. Das alles ermöglicht Terry beim Prozess eine große Freiheit im Raum, und auch in der Zeit. Bei ihm hat man viel mehr Zeit, da ist nicht alles so eng und streng getaktet wie bei anderen Produktionen. Man hat dabei als Schauspieler Zeit, Dinge auszuprobieren. Und Terry hat uns sogar dazu aufgefordert und angeregt, selbst mitzugestalten. Was man nun im Film sieht, ist eine Mischung aus dem Drehbuch, aber auch von Dingen, die wir eingebracht haben oder die beim Dreh einfach passiert sind. Das ist ein Riesenunterschied zu anderen Regisseuren. Außerdem gibt es bei ihm auch nicht die klassischen Schuss-Gegenschuss-Aufnahmen, was einen in der Spielweise auch wieder viel freier macht. Als ich dann das nächste Mal wieder klassisch gedreht habe, war ich deswegen zunächst etwas verwirrt (lacht).

Die Dreharbeiten fanden bereits 2016 statt, der Film war sehr lange in der Nachbearbeitung. Entsteht dann bei Malick im Schnitt noch einmal ein ganz anderer Film?

Das ist zwei Dingen geschuldet. Weil er so dreht, wie er dreht, hat er am Ende ganz viel unterschiedliches Material. Er dreht viele Dreißigminuten-Takes, da kommt unglaublich viel Material zusammen. Allein die Sichtung dauert da schon sehr lange. Da er keinen von Anfang an feststehenden Plan hat, wie es am Ende aussehen muss, kann er sich anhand des Materials in viele verschiedene Richtungen bewegen. Dabei lässt er sich dann durchaus auch von den gedrehten Szenen inspirieren. Ich habe ihn zweimal beim Schnittprozess besucht und habe dabei festgestellt, dass er da nicht linear arbeitet. Wenn schon etwas fertig schien, kann es sich wieder ändern, wenn die Musik dazukommt. Innerhalb der drei Jahren haben wir auch regelmäßig Voice-Over-Texte für ihn aufgenommen und nach Austin geschickt, die den Schnitt dann beim Einsetzen auch wieder verändert haben. Ich habe das Gefühl, dass er sehr oft einfach sein Material sprechen lässt. Damit das möglich ist, braucht es einfach mehr Zeit als üblich.

Konnten Sie sich leicht in die Rolle einfinden, die von der körperlich harten Arbeit einer Bäuerin in einer anderen Zeit geprägt ist?

Es fiel mir relativ leicht, was sicherlich auch damit zu tun hat, dass mir diese Welt nicht ganz so fremd und fern ist. Ich bin in dieser Gegend aufgewachsen, meine Großeltern waren auch Bauern, deswegen kannte ich diese Welt schon ein wenig. Das Leben der Bauern in den 1940er Jahren war natürlich trotzdem nochmal etwas Anderes. Da hat es schon sehr geholfen, dass wir in der Vorbereitung dann sensen gelernt haben, und Schafe scheren und Kühe melken. Auch dadurch konnte ich besser in die Rolle hineinzufinden. Hinzu kommt, dass wir den ganzen Tag eher Bauernarbeiten gemacht haben als geschauspielert (lacht), wir waren diese Bauern! Die Abläufe unserer Tage waren geprägt von dem, was man auf einem Bauernhof so macht. Ich hatte deswegen sehr schnell das Gefühl, dass ich deren Leben lebe. Das alles hat sich für mich schnell sehr schlüssig angefühlt.

Würden Sie sagen, Sie haben ein Faible für historische Rollen? Denn Ihre Kinofilme haben schon oft in anderen Zeiten gespielt...

Ein Faible würde ich nicht sagen. Es werden sehr viele historische Filme gedreht, und die haben sehr häufig interessante Stoffe. Ich fühle mich eigentlich immer von interessanten Stoffen angezogen, und wo und wann die dann spielen, ist für mich eher zweitrangig. Ich mag es aber sehr gerne, wenn ich eine Rolle spiele, die tatsächlich existiert hat, weil es der Rolle und meiner Arbeit einfach nochmal eine andere Tiefe gibt. Ich lasse mich davon gerne inspirieren und fühle mich dann ein Stückweit auch verantwortlich für meine Figur. Gerade auch Fani Jägerstätter wollte ich unbedingt gerecht werden, weil sie in ihrem Leben so viel Ungerechtigkeit erfahren hatte. Das hat meinen ganzen Arbeitsprozess intensiviert, diese Verbindung zu dieser realen Person zu haben.

Sie haben eine klassische Schauspielausbildung absolviert und waren Ensemblemitglied im Residenztheater in München. Wie wichtig ist Ihnen heute die Bühne im Vergleich zu Ihrer Arbeit für Film und Fernsehen?

Die Bühne hat für mich eigentlich den gleichen Stellenwert, auch wenn ich momentan gerade nicht Theater spiele. Aber ich habe das Gefühl, dass das irgendwann schon wieder kommt (lacht). Als ich damals vom Theater wegging, wollte ich meine Beziehung zur Bühne schützen, diese nicht überstrapazieren. Deswegen möchte ich ihr unbedingt mal wiederbegegnen, aber das muss dann von der Zeit und vom Moment her stimmen. Für mich ist das Theater irgendwie ein anderer Lebensraum, aber ich bin froh, dass es ihn für mich als Schauspielerin auch gibt.

Interview: Frank Brenner

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