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Beim Stadtmobil-Car-Sharing sind seit dem Herbst fünf Elektro-Mobile unterwegs. Im Unterschied zum konventionellen Benziner muss sich der Kunde auch um den Ladeprozess kümmern.
Fotos: Tom Jost

„Die Hersteller haben das noch nicht begriffen“

30. April 2014

Elektrisch fahren ist bei etlichen Car-Sharern angekommen. Das Angebot passt – so lange Anschubförderungen fließen – Innovation 05/14

Kann man es anders nennen als: verzagt? Verglichen mit den Hype-Jahren 2010 und ’11 ist es an Rhein und Ruhr um die Freunde der Elektromobilität ausgesprochen ruhig geworden. Ohne dickes Förderprogramm bewegt sich wenig, der Bestand an Fahrzeugen mit Ampere statt Oktan verändert sich in den Zulassungsstellen der großen Städte von Monat zu Monat in kaum wahrnehmbarem Umfang. Zum Jahreswechsel kam das bevölkerungsreichste Land NRW auf 1860 angemeldete Stromautos – bundesweit hängen inzwischen rund 15.000 Pkw am Ladekabel. Wie daraus bis zum Ende des Jahrzehnts die erträumte Million werden soll, ist selbst ausgesprochenen Optimisten ein Rätsel.

Die wesentlichen Ursachen für die Zurückhaltung der Kunden sind noch dieselben wie vor vier Jahren: Der Kaufpreis übertrifft den des vergleichbaren Benziners erheblich und die Reichweite von maximal 150 bis 180 Kilometer will weiterhin nicht gefallen. Da staunt man schon Bauklötze, wenn man auf einen Nutzerkreis stößt, dem das alles offenbar wenig ausmacht, wenn der Rahmen stimmt: Organisierte Gelegenheitsfahrer, welche sich ein Mobil nur dann leihen, wenn es wirklich benötigt wird. Car-Sharer heißen sie, und von ihnen gibt es im Rhein-Ruhrgebiet eine erkleckliche Anzahl: „Köln allein zählt ja schon rund 30.000 Fahrberechtigte“, weiß Matthias Kall als Geschäftsführer der Stadtmobil GmbH in Essen, „insgesamt dürften es hier sicher um die 100.000 sein.“

Die gewerbliche Idee, die Nutzung eines Autos zu teilen, feiert in diesem Jahr ihren 25. Geburtstag. Erst zwei Jahre alt ist dagegen ein Positionspapier des Bundesverbandes Car-Sharing, das feststellt, Car-Sharing und E-Mobilität würden „gut zusammenpassen. Das dezidiert umweltfreundliche Image, das Car-Sharing auszeichnet, kann durch den Einsatz von Elektrofahrzeugen noch weiter verstärkt werden.“ Inzwischen, sagt der Verbandsgeschäftsführer Willi Loose, seien bereits 22 Mitgliedsunternehmen der Idee gefolgt und böten Elektroautos zur geteilten Nutzung an. In Köln, Wuppertal, Düsseldorf und dem Ruhrgebiet sind nach Branchenangaben aktuell rund 100 Sharing-Cars im elektrischen Einsatz.


Keine Veränderung: Aufgeschlossen und abgerechnet wird per Karte

Aus Rückmeldungen seiner Mitglieder hat Loose herausgelesen, „dass es große Zufriedenheit bei den Kunden gibt. Wir haben beispielsweise überhaupt kein Reichweitenproblem im Car-Sharing – der überwältigend große Anteil der Fahrten ist mühelos mit der Batterie zu bewältigen.“ Man könnte auch umgekehrt sagen: Für die meist kürzeren Einkaufs- und Regionalstrecken braucht es keinen vollen 60-Liter-Tank.

Elektromobile zum Teilen gibt es vor allem dort, wo die Bundesregierung ihr Förderfüllhorn ausgeschüttet hat. „Car to go E“ kommt nach Branchenangaben in Stuttgart allein auf 300 Elektro-Fahrzeuge, auch in Berlin surren laut DB-Portal „Flinkster“ inzwischen 350 mietbare Elektroautos durch die Metropole. Anderswo wird in die Röhre geschaut – und sich im Zweifelsfall verweigert. „Greenwheels“ unterhält im Rhein-Ruhr-Areal acht Standorte mit 86 Car-Sharing-Mobilen, doch von denen fährt keines elektrisch: „Von den Kosten her rechnet sich das nicht“, hat Geschäftsführer Jan Borghuis ein vorläufiges Fazit aus einem Greenwheels-Versuch in den Niederlanden gezogen. In Amsterdam und drei weiteren Städten war man bis zum letzten Herbst mit 25 E-Fahrzeugen unterwegs.

Borghuis meint damit nicht den Obolus der Kunden – Greenwheels berechnete den Strom-Kilometer lediglich mit drei statt zehn Cent. Denn die Anschaffung sei der springende Punkt, sekundiert Matthias Kall. Nicht nur, dass E-Fahrzeuge generell mit einem anderen Verkaufspreis in der Liste stünden als gleichgroße Benziner, sie würden auch nicht oder nur ganz gering rabattiert und der Kostenunterschied dadurch noch größer. Elektrisches Car-Sharing als Appetizer für den Fall, dass beim Nutzer irgendwann doch ein eigenes Auto nötig werde? „Die Hersteller haben das noch nicht begriffen. Sonst würden sie uns als Multiplikatoren die Autos längst schenken.“

Beim Bundesverband Car-Sharing erscheint in diesem Monat ein Buch, das auch zwei Rhein-Ruhr-Modelle als Erfolg betrachtet: Ruhrauto-e und das Düsseldorfer E-Carflex. Allerdings zielen beide Projekte eher auf betriebliche Mobilitäten, erst in der dritten Stufe ist E-Carflex dem üblichen User geöffnet. Was kein Nachteil sein muss: Die Verwaltungsangestellte aus dem Bauamt ist möglicherweise fürs Elektrisch-Fahren ebenso begeisterungsfähig wie der Heimarbeiter mit Einkaufsdrang. „Man bereitet sich in den Projekten auf die Zeiten vor, wenn es sich wirklich lohnt“, fasst Verbandsgeschäftsführer Loose die aktuellen Aktivitäten zusammen. Wichtig sind demnach die Präsenz in der Stadt, die Einbindung in den öffentlichen Nahverkehr. Und selbstredend ein passendes Angebot an Stellflächen mit Ladeanschluss. Unterm Strich steht aber: Car-Sharing hat alle guten Gaben, Elektromobilität bedeutend zu beflügeln.

Die Zahl der neu zugelassenen Strom-Autos hat sich übrigens im vergangenen Jahr glatt verdoppelt. Mathematiker rechnen jetzt hoch, dass die angepeilte Million bis 2020 durchaus zu schaffen ist… wenn sich die Verdoppelung jährlich wiederholt. Ohne Marktanreize – sprich: Kaufprämie – dürfte das allerdings ein Traum bleiben.

E-Autos im Ruhrgebiet:

Bochum: 75
Dortmund: 120
Duisburg: 35
Essen: 144

TOM JOST

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