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Nos
Foto: Christian Goerke

„Ein Film zum Hören“

05. April 2019

Rapper, Produzent und Sounddesigner Nos (9000) über wortgewaltiges Kopfkino – Interview 04/19

engels: Nos, du arbeitest als Rapper, Beat-Produzent und Sounddesigner. Unter den ersten beiden Begriffen können sich die meisten Menschen sicher etwas vorstellen, aber was genau macht ein Sounddesigner?
Nos: Beim Sounddesign geht es darum, je nach Zweck und Auftrag ungewöhnliche, packende und möglichst natürlich wirkende Klänge zu erzeugen. Für Musikproduktionen, Filme, Werbespots oder auch für Videospiele. Ich mache das hauptberuflich für eine Digitalagentur in Mönchengladbach, die Social-Media-Auftritte von Unternehmen betreut. Mache ich Videos in diesem Rahmen, schreibe und produziere ich auch gleich die Musik dazu. Das ist die eine Hälfte meines Lebens. In der anderen lebe ich für Rap und Hiphop, schreibe Musik und Texte, drehe Videos und folge da meiner Liebe zu diesem Genre.

Du hast das Sounddesign für „Feder im Wind“ von MoTrip erledigt. Auch sonst stehst du mit den Kollaborationspartnern deiner eigenen Lieder immer auf der guten Seite der Macht. Was die Öffentlichkeit allerdings kaum weiß: Innerhalb der Szene haben sogenannte Conscious-Rapper wie du mit der Gangsterschiene gar kein Problem, oder?
Diese Frage ist wichtig, weil viele Leute nicht verstehen können, dass man auch Gangster Rap cool finden und dem Ganzen etwas abgewinnen kann, obwohl man es selbst völlig anders macht und in gewisser Weise für den Gegenentwurf steht. Selbstverständlich finde ich nicht jeden Gangster cool, so wie ich auch nicht jeden gut finde, nur weil er etwas Politisches oder Engagiertes macht. Es muss immer ein gewisses Niveau haben. Der Wortwitz sollte stimmen. Die Reime müssen geil sein.

Nos
Foto: Christian Goerke
Zur Person:
Als Rapper, Beatbastler und Klangprofi arbeitet Nos (9000) an eigenen Visionen sowie für Künstler wie MoTrip oder Die Bandbreite. Der Musiker heißt als Rapper Nos und als Produzent Nos9000. Die Zahl stammt vom Bordcomputer HAL 9000 aus „2001 – Odyssee im Weltraum“.

Bleibt dennoch die Frage: Was reizt viele offenbar sehr freundliche Menschen, die weder Messerstecher, noch Dealer oder übermäßige Machos sind, an den bösen Buben?
Gerade das. Die gnadenlos übertriebene Darstellung des Straßenlebens oder der Halbwelt oder der Existenz als millionenschwerer Drogenboss, von der alle wissen, wie überzogen sie ist. Wir haben doch auch schon früher die hanebüchenen Actionfilme geliebt, in denen die Helden über alle Maßen gewalttätig werden und ganze Städte zerlegen, ohne dafür belangt zu werden. Gangster Rap ist auch nichts anderes als „Die City-Cobra“. Gangster Rap ist ein Schwarzenegger-Film aus den 80ern. Ein Film zum Hören.

Man könnte auch eine andere Unterscheidung treffen als die zwischen Gut oder Böse und zwar die zwischen extrovertiert und introvertiert. Zwischen Künstlern, die die Außenwelt nur beobachten, um zu schauen, wie sie darin rüberkommen, und Künstlern, die wie Forscher durch die Außenwelt schleichen, um sie auf Inspirationen abzuklopfen. Du gehörst zu Letzteren.
Ich bin gerne allein und in der Tat sehr achtsam für die Welt, das stimmt. Neulich zum Beispiel ist mir aufgefallen, was für einen wunderbaren Hall das Treppenhaus des Gebäudes hat, in dem das Tonstudio untergebracht ist. Ich habe das Xylophon ins Treppenhaus geschleppt, unten aufgebaut und den Klang dann von oben aufgezeichnet. Das wäre dieser introvertierte Forscher in mir. Gleichzeitig habe ich aber auch ein großes Ego, das sich im Außen aufplustern möchte, das Videos dreht und auf die Kacke haut. Einerseits bin ich gerne unter Menschen, andererseits streife ich gerne als einsamer Wolf durch die Welt. Diese Ambivalenz zieht sich immer schon durch mein Leben und ich habe lange gebraucht, um das zu akzeptieren. Es mag daran liegen, dass ich vom Sternzeichen her ein echter Zwilling bin. Die sind immer etwas schizophren.

Und unberechenbar. Mit Agi Dassler hast du ein Video im Wald gedreht. Um das den Menschen zu erklären: Rapper im Wald, das ist so selten wie Rehe im Kiez. „KreisKreisKreis“ ist außerdem eine Satire auf den Trend, jeden Hiphop-Track mit käsigem Autotune-Gesang zuzukleistern.
Wir machen uns darüber lustig, sehen es aber auch gelassen. Das sind eben einfach so Wellen. Als der brave, deutschsprachige Rap aus Hamburg oder Stuttgart damals von Berlin und Frankfurt aus von den ersten Künstlern mit Migrationshintergrund erobert wurden, hat gefühlt jeder junge Kerl mit Zuwanderungsgeschichte plötzlich Straßenrap gemacht, oft auch unabhängig vom Talent. Heute sind Trap, Dancehall-Beats und Autotune-Hooks eben das, was alle machen und was gerade durch YouTube, Spotify und Co. schnellen Erfolg ermöglicht.

Du erzählst lieber Geschichten.
Das war für mich immer das Allerbeste am Hiphop. Er ist die einzige Musikgattung, in der ein Song mehr aussagen kann als anderswo ein ganzes Album. Was allein Eminem damals auf seinen frühen Alben für ein unfassbarer Storyteller war! Wie er die Dramaturgie seiner Geschichten mit unglaublich guter Technik kombiniert hat. Wegen Marshall Mathers habe ich Englisch gelernt. Mir kommt es zugute, dass im Rap letztlich immer Geschichten von Menschen erzählt werden, denn ich liebe es, Menschen zu beobachten. Besonders gruppendynamische Prozesse haben es mir angetan.

Nun steht nach unzähligen entdeckungswerten Einzelstücken im dritten Quartal dein erstes vollständiges Album an. Was erzählst du darauf?
Meine Geschichte. Heftige, persönliche Dinge, die ich bislang kaum jemandem anvertraut habe, allerhöchstens den engsten Freunden. Womöglich, weil ich mich geschämt habe. Jetzt kommt alles kompromisslos auf den Tisch. Ich bin sehr aufgeregt und auch ein wenig nervös deswegen. Ein Arbeitstitel für die Platte war „Toxische Essenz“, aber gerade heute habe ich mich für den endgültigen Titel entschieden: „Zooizid“, wie der Selbstmord, nur eben mit dem „Zoo“ zu Beginn des Wortes. Musikalisch alte Schule, klassischer Hiphop, Golden-Era-Sound mit ein paar wenigen modernen Sprengseln. Der bekannte und hervorragende Rapper Lakmann wird als Gast darauf ein Feature haben, worauf ich sehr stolz bin. Im April kommt außerdem noch eine EP namens „Outarim“ heraus, eine Kollaboration mit drei Freunden, ein Endzeitfilm zum Hören, wie „Mad Max“ als Platte.

Inwiefern beeinflusst deine Homebase Wuppertal deine Musik?
Ich lebe hier, sie entsteht hier, sie wird hier aufgenommen – dieser Rap ist Wuppertal! Ich liebe diese Stadt, sie ist wirklich und ohne Übertreibung weltweit einzigartig. Ihre Lage, die alte Architektur, die ganze Atmosphäre. Ich wohne ganz in der Nähe der Schwebebahn und sie fasziniert mich bis heute, selbst als Einheimischen, mag sie auch ein typisches Touristenklischee sein. Ich würde sogar wagen zu behaupten: seit ich in Wuppertal lebe, bin ich stilsicherer geworden.

EP „Outarim“ | ab 8.4. Album „Zooizid“ | ab dem dritten Quartal 2019 | Im Netz unter: www.nos9000.de

Interview: Oliver Uschmann

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