„Möglichst anschlussfähig“ als Devise: Zum Kampf gegen den Klimawandel gab es im Café Ada den ersten Termin der Bewegung Extinction Rebellion. Von rund 35 Interessierten blieben 22 bis nach der Pause. Und am Ende war die Wuppertaler Ortsgruppe gegründet.
Wegen des großen Zuspruchs war man vom „Infocafé“ in der Wiesenstraße hierher gezogen, wo Marek Ermler und Iris Simmler die Organisation vertraten und vorstellten. Extinction will die Wahrheit zur Klimakrise kundtun und sie von Politik und Medien einfordern. Ziel soll die Reduktion von Treibhausgasen bis 2025 auf „netto null“ sein. Und alles erarbeiten sollen institutionell ungebundene „BürgerInnenversammlungen“. Das deckt sich mit den weltweit ausgegebenen Parolen der Bewegung: „Tell the truth. Act now. Beyond politics.“
Extinction Rebellion hat sich schnell verbreitet: Erst 2018 entstanden, soll sie mittlerweile schon in rund fünfzig Ländern mit Ortsgruppen vertreten sein. Zu den Aufsehen erregenden Plänen gehört unter anderem, den Londoner Flughafen Heathrow mit Drohnen zu besetzen. In Deutschland blockierten Aktivisten zu den diesjährigen Kölner Lichtern die Deutzer Rheinbrücke. Und im Oktober, das gaben die Vertreter im Ada bekannt, will man nichts weniger als „Berlin lahmlegen“. Große Dimensionen, aus denen jedenfalls eines spricht: Entschlossenheit.
Pragmatismus schien im Ganzen klares Leitprinzip. Das zeigte sich auch bei der Frage der Anonymität: Warum werden Gesichter von Teilnehmenden nicht verpixelt, also unkenntlich gemacht? Mit Demos eher Unerfahrene möchten derlei Bedenken verwundern – doch in Zeiten routinierter polizeilicher Videoerfassung stellt die Frage nach Vermummung sich schnell. Politisches Bewusstsein zeigte sich hier, im bunten Kreis aus jungen und älteren Tatwilligen auch darin, was das für Mitstreiter heißen könnte: „Weiß, und ich glaube vielfach akademisch gebildet“, schätzte ein Gast die Runde ein – Menschen mit anderem Hintergrund dagegen könnten sich ein Mittun womöglich nicht leisten, nicht zuletzt weil sie ohnehin schon polizeilich im Fokus stünden. Auch hier, kein Zweifel, entschied die Zweckdenke: Auf dem Fernsehbildschirm, konstatierte Iris, wirken erkennbare Gesichter positiver als vermummte.
Klar wurde generell: Den Ausschlag gibt die Außenwirkung. Zur von Iris (man sprach sich mit Vornamen an) vertretenen Linie zählte die Einschätzung, dass massive Konfrontation zwischen Demonstranten und Polizei einfach zu ungünstigen Fotos führt. Anderes übrigens hört man über Roger Hallam, einem Gründer von Extinction Rebellion, der Massenverhaftungen in den Medien geradezu empfiehlt - Argument auch hier: publikumswirksam.
Überhaupt Gewalt: Auf gewaltsame Aktionen soll verzichtet werden - offenbar aber nicht als Selbstverständlichkeit: Es gebe Belege, so Iris, dass friedlicher Protest doppelt so erfolgreich sei wie nicht-friedlicher. Prompt kam aus dem Kreis das Kontra, diese Formel stimme nicht: Wo Iris sich auf eine Studie berief, gab der Diskutant jahrelange Beschäftigung mit dem Thema an. Beleg kontra, Beleg pro – schon die Abwägung ließ ahnen: Selbst wie zivil man vorgeht beim Klimakampf, ist eine Frage des Effekts.
„Sehr imagelastig“, war auch, freilich aus anderer Richtung, von Besuchern in der Pause zu hören. Freilich schien das konsequent: Für Extinction Rebellion ordnet sich offenbar alles dem Ziel unter, Aufmerksamkeit zu gewinnen und so den Druck zu erhöhen. Auch die taktische Strenge gab auf ihre Art einen Eindruck von der Entschlossenheit dahinter. Spürbar ähnlich die bei den Schülerdemos Fridays for Future, deren Galionsfigur Greta Thunberg sagt: „Alle sollen die Angst spüren, die ich jeden Tag spüre.“ Und auch bei Extinction treibt sie merklich viele um: Angst, was geschieht, wenn die Politik jetzt nicht umsteuert.
Direkte persönliche Betroffenheit sprach auch aus Yvonne, die Wuppertals Anschluss an die Bewegung heute initiiert hatte. Sie hat schon an mehreren Veranstaltungen der Bewegung im Umland teilgenommen. Erst am Vortag gab es in Köln eine kurze Schulung für den Fall emotionaler Ausbrüche bei Teilnehmenden. Nicht fremd sind ihr selbst tiefe Sorgen bis hin zur Verzweiflung – etwa bei einem Spaziergang im Wald schlagartig zu realisieren: „Das alles ist in Gefahr.“
Der Mut der Verzweiflung: Das ist sicher ein Motiv von Extinction Rebellion und verspricht ungewöhnliche Aktion – von Flashmob bis Festketten. Sprecherin Iris mahnte im Ada freilich auch hier zur Besinnung aufs Bild: „Der Protest muss auch nach Spaß aussehen.“ Aussehen, der taktische Blick zur Außenwirkung also: Das mochte beim Treff der Aktivisten im Ada nur den Eindruck verstärken, wie ernst es ihnen ist.
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